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13.04.2011

Kai Klose: Hessisches Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum - Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Milde, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Sie haben den lange Jahre bestehenden Konsens in diesem Hause hinsichtlich der Wohnungspolitik beschworen. Ich muss Sie aber schon fragen: Warum kündigen Sie diesen Konsens mit Ihrem Vorgehen hinsichtlich der Fehlbelegungsabgabe auf?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Kommunen in Hessen werden davon betroffen sein. Sie sind dabei, den Kommunen die Grundlage dafür zu entziehen, die Fehlbelegungsabgabe zu erheben. Das heißt, Sie wollen sie zentralisiert abschaffen. Das ist etwas, was uns schon stutzig macht. Denn gleichzeitig heben Sie die erfolgreiche Wohnungspolitik des Hessischen Landtags hervor.

Uns drängt sich der Eindruck auf, dass die Förderung sozialen Wohnraums für diese Landesregierung offensichtlich in den entscheidenden Teilen ein Fremdwort geworden zu sein scheint. Glücklicherweise gibt es ein sehr gutes Wohnungsraumfördergesetz des Bundes. Es stammt noch aus der rot-grünen Zeit. Auch nach der Föderalismusreform ist es noch gültig, solange es keine Regelung im Landesrecht gibt.

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, zu schauen, wo man in Ihrem Koalitionsvertrag etwas zum Wohnraum findet. Das Wort „Wohnraum“ kommt im Koalitionsvertrag im Zusammenhang mit dem Begriff Förderung leider gar nicht vor. Vielmehr kommt es nur im Zusammenhang mit dem Begriff Überwachung vor. Das ist nun ganz etwas anderes.

(Heiterkeit der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich weiß nicht, ob das der FDP geschuldet ist. Im Koalitionsvertrag findet sich dazu aber leider nichts.

Herr Kollege Siebel, das ist auch der Grund, weshalb wir es ausgerechnet dieser Landesregierung nicht in die Hand geben wollen, ein solches Gesetz zu machen. Ihre Ansätze und Eckpunkte gefallen uns sehr gut. Darin sind hervorragende Ansätze zur Weiterentwicklung enthalten.

Wir trauen aber dieser schwarz-gelben Landesregierung nicht zu, ein vernünftiges Gesetz vorzulegen, das besser ist, als das jetzige Bundesgesetz. Es erscheint uns als besser, das gültige Bundesgesetz beizubehalten. Es bietet im Übrigen auch genug Spielräume, die Besonderheiten Hessens abzubilden, zum Beispiel die Einkommensgrenze für den Bezug von Sozialwohnungen, die beim Bund bei 18.000 € liegt und in Hessen bei 22.000 €. Wir sehen den Handlungsbedarf in der Sache, Stichwort: Fehlbelegungsabgabe, dazu komme ich noch. Aber wir wollen die Landesregierung nicht mit diesem sensiblen Thema beauftragen. Wir werden uns übrigens nur deshalb bei der Abstimmung über den Antrag enthalten.

Worin liegen die wichtigsten wohnungspolitischen Probleme in Hessen? Es ist bereits angesprochen worden: Im Rhein-Main-Gebiet gibt es nach wie vor zu wenige bezahlbare Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen. Es ist ein Versäumnis der Landesregierung, vorhandene Instrumente der sozialen Wohnraumförderung bedarfsgerecht auszugestalten, entsprechende Mittel bereitzustellen und somit ausreichend Wohnraum für diejenigen zu schaffen und zu erhalten, die sich am Markt nicht mit angemessenem Wohnraum versorgen können. Angesichts auslaufender Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung steigt das Defizit an preisgünstigem Wohnraum immer weiter an. Darauf hat der Hessische Städtetag gestern noch einmal explizit hingewiesen.

Es gibt einen großen Renovierungsbedarf im Bestand der geförderten Wohnungen. Das Wohnungsangebot muss an die Bedürfnisse des demokratischen Wandels angepasst werden. Wir brauchen eine energetische Sanierung des Bestands. Nach unserer Meinung müssen die öffentlichen Wohnungsunternehmen erhalten bleiben, weil nur sie gewährleisten, dass die Ziele unserer Wohnungspolitik erreicht werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Zum aktuellen Hauptproblem, der Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe will ich später noch kommen. Wir erwarten in diesen Bereichen leider nichts Gutes von Ihnen. Herr Staatssekretär Saebisch hat gestern auf die Rahmenbedingungen hingewiesen, die der Bund in dieser Frage setzt. Das ist nicht falsch. Deswegen gehört zur Debatte über die hessische Wohnraumförderung auch ein Blick nach Berlin.

Da geht es beispielsweise darum, wie diese Bundesregierung mit dem extrem erfolgreichen Programm „Soziale Stadt“ umgeht. Das ist ein Programm, das drittelfinanziert ist. Dieses Programm hat eine Erfolgsgeschichte aufzuweisen. Es ist 1999 gestartet mit 17 Standtorten, 2008 waren es schon 38 Standorte in 34 Gemeinden. Herr Posch, Sie selbst haben in dem Vorwort der entsprechenden Broschüre Ihres Ministerium geschrieben: „Wir, damit meine ich alle, die dem Programm ‚Soziale Stadt’ zum Erfolg geholfen haben, können mit Stolz auf die hinter uns liegenden zehn Jahre schauen.“

Sie nennen das Programm sogar ein „Markenzeichen“ des Landes mit einer durchweg positiven Bilanz. Sie schreiben, die drohende Abwärtsbewegung sei in den geförderten Gebieten gestoppt worden. Es gebe erhebliche Erfolge in der Beschäftigung und in der Qualifizierung, und die bauliche und städtebauliche Situation sei nachhaltig aufgewertet worden. Das ist alles Ihre eigene Programmbilanzierung.

Was ist in Berlin passiert? Ich erinnere mich gut, wie stolz insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der FDP waren, dort an irgendwelchen Verhandlungsrunden teilgenommen zu haben. Was passiert da also? Die Mittel für die Städtebauförderung werden dramatisch gekürzt. Das Programm „Soziale Stadt“ ist davon in überwiegendem Maße betroffen, vorher rund 100 Millionen €, nachher rund 30 Millionen €. Alle, die sich damit auskennen, wissen, das wird das Aus für dieses Programm bedeuten. Da sage ich Ihnen, gerade in Kenntnis ihrer eigenen Bilanzierung auch voraus: Die sozialen Folgekosten, die dadurch verursacht werden, sind weit höher als die Kosten, die für das Programm bislang aufgewendet wurden. Deshalb ist das falsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Es ist sozialpolitisch und volkswirtschaftlich fahrlässig, und deshalb können Sie von uns auch nichts anderes als Widerspruch ernten.

Noch einmal zur Fehlbelegungsabgabe. Sie ist von beiden Vorrednern ausführlich besprochen worden. Was Sie tun ist, den Kommunen – im Übrigen nach dem gleichen Schema wie bei der Stellplatzabgabe – erneut ein bewährtes Instrument aus der Hand zu schlagen, obwohl Sie, Herr Posch, ihnen im Dezember noch schriftlich zugesagt haben, dass die Fehlbelegungsabgabe erhalten bleiben soll. Ich nenne das kommunalfeindlich

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

und schließe mich ausdrücklich dem Urteil des FAZ-Kommentars von heute an: Sie sind bei dieser Entscheidung nicht nur kommunikations- sondern leider auch denkfaul.

Die Begründung – die habe ich der Pressemitteilung der FDP entnommen – ist einmal mehr die angebliche Gettoisierung durch Verdrängung besser verdienender Mieter. Diese Gettoisierung wird immer wieder beschworen. Sie ist aber durch nichts und niemanden belegt. Alle Erhebungen, die beispielsweise die Nassauische Heimstätte, die Stadt Wiesbaden, oder der Städtetag machen, belegen diese These in nichts.

Deswegen lohnt es sich, in das Jahr 2005 zurückzuschauen. Herr Milde hat es angesprochen. Im Jahr 2005 ist das Gesetz geändert worden. Seitdem erheben wir die Fehlbelegungsabgabe nur bei Mietern, deren Einkommen mindestens 40 % über der generellen Einkommensgrenze liegt; es waren vorher 20 %. Es wurde die Pflicht der Kommunen konkretisiert, wofür diese Einnahmen zu verwenden sind. Wir haben dem Gesetzentwurf, der damals von der CDU-Fraktion vorgelegt wurde, zugestimmt, weil wir diese Vorschläge für vernünftig hielten. Fast alle Fraktionen haben dieser Verlängerung im Jahr 2009 zugestimmt. Sie hatten eigentlich Zeit gewonnen, ihren koalitionsinternen Konflikt auszutragen. Vorgelegt haben sie leider nichts, und zwar weder die Landesregierung noch die sie tragenden Fraktionen. Das wird dazu führen, dass die Fehlbelegungsabgabe wegfällt.

Was wären die Folgen? Auch das ist bereits genannt worden. Den hessischen Kommunen gehen im jeweiligen Festlegungszeitraum, das sind die berühmten drei Jahre, knapp 50 Millionen € zweckgebundener Mittel verloren. Das sind die einzigen Mittel, die die Kommunen noch zuverlässig in den sozialen Wohnungsbau investieren. Angesichts der Tatsache, dass das Defizit an preisgünstigem Wohnraum aufgrund auslaufender Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung weiter ansteigt, ist auch das eine falsche Entscheidung.

Nebenbei verletzen Sie ein Gebot des Wohnraumförderungsgesetzes des Bundes, das ausdrücklich verlangt, Fehlförderungen zu vermeiden und auszugleichen. Gerade Sie als FDP führen gerne den Kampf gegen Subventionen im Munde. Was Sie hier machen, ist, dass Sie durch Nichthandeln die Grundlage dafür schaffen, dass Besserverdienende fehlsubventioniert werden. Da scheint Ihnen das nicht mehr so wichtig zu sein. Das ist schon ein ziemlicher Widerspruch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Die rechtliche Grundlage für die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe auslaufen zu lassen ist ein eklatanter Fehler. Darauf hat gestern auch noch einmal der hessische Städtetag ausführlich hingewiesen. Er hat an uns alle appelliert, unserer Verantwortung gerecht zu werden. Deshalb bieten wir Ihnen heute die Chance, mit unserem Gesetzentwurf den Abbau der Fehlbelegungssubventionierung zu verlängern. Herr Posch, Ihr Staatssekretär Herr Saebisch hat dies in seiner gestrigen Presseerklärung geradezu eingefordert. Es gibt auch all denen die Möglichkeit, Farbe zu bekennen, die in dieser Frage endlich genug davon haben, dass bei Ihnen weiterhin der Schwanz mit dem Hund wackelt. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke sehr, Herr Klose.

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