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07.10.2009
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich zur Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte

Frau Präsidentin, vielen Dank. – Ich glaube, dass es ganz gut ist, dass man, nachdem jetzt der Pulverdampf weg ist, der dadurch entstanden ist, dass es um die Stellenzahl gegangen ist, einmal ganz ernsthaft über ein Thema redet, bei dem wir uns in diesem Hause eigentlich alle einig sein müssten. Deshalb haben wir auch nur einen Änderungsantrag zu dem Antrag der Fraktion der SPD gestellt. Denn es ist natürlich wichtig, über dieses Thema zu reden. Dabei darf man nicht den alten Erklärungsmustern teilweise verhaftet bleiben. Vielmehr sollte man sich einmal über die grundsätzlichen Tendenzen in unserer Gesellschaft unterhalten. Das betrifft insbesondere die Frage der Gewalt.

Am Anfang meiner Rede möchte ich aber sagen, dass wir uns natürlich bei einem einig sein müssen. Ich glaube, das betrifft das gesamte Haus. Solche Gewalttaten gegen Polizisten, gegen die Feuerwehrleute und gegen die Leute des Rettungsdienstes müssen natürlich verurteilt werden. Das ist schlimm. Solche Angriffe auf die Beamtinnen und Beamten, auf die Feuerwehrleute und die Rettungssanitäter können nicht hingenommen werden. Natürlich verurteilen wir das.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE))

Insbesondere ist das natürlich für diejenigen schlimm, die sich ehrenamtlich engagieren, also für die Feuerwehrleute und die Rettungsdienstsanitäter, die ihre Freizeit opfern und sich im besten Geiste für den Mitmenschen zur Verfügung stellen und sich dann auch noch solchen Angriffen auf ihre Person ausgesetzt sehen.

Ich glaube, dass sind ganz schlimme Tendenzen, über die wir uns alle Gedanken machen müssen. Daran müssen wir arbeiten. Ich glaube, da müssen wir auch einmal aus den einfachen Erklärungsmustern herausgehen.

Frau Kollegin Faeser, das Nächste sage ich in Ihre Richtung. Ich glaube, der Reflex, der sich da zum Teil einstellt, dass man sagt: „Wir haben es mit einem Problem zu tun, dann schauen wir einmal, ob der Strafrahmen ausreicht“, in dieser Situation nicht ausreicht. Ich glaube, Sie werden mit der Erhöhung des Strafrahmens keinen derjenigen, die aus welchen Gründen auch immer, solche Gewalttaten begehen, davon abhalten, diese Gewalttaten zu begehen.

Das Nächste sage ich in Richtung des Herrn Kollegen Schaus. Ich glaube, auch der andere Reflex, all das mit den sozialen Verwerfungen und Hartz IV und solchen Dingen zu begründen, greift auch nicht zu 100 Prozent. Ich glaube, da müssen alle einmal aus ihren Schützengräben herauskommen und wirklich inhaltlich darüber diskutieren, wo sich da die Gesellschaft befindet. Ich glaube, wir müssen über die Ursachen der Gewalt diskutieren. Wir müssen über die Präventionsmaßnahmen diskutieren. Da sehe ich für uns als Mitglieder dieses Parlamentes und für uns als Mitglieder des Innenausschusses eine Aufgabe.

Ich glaube, dass wir am heutigen Tag etwas Wichtiges nicht gemacht haben. Eines kann nicht sein. Wir unterhalten uns heute über die Verrohung und über die Gewalt, über die Gewalt der jungen Menschen, aber auch der Erwachsenen. Wir haben uns heute Vormittag über die Schulsozialarbeit unterhalten. Heute Nachmittag unterhalten wir uns über Gewalt. Wir hätten heute Vormittag einen guten Dienst erwiesen, wenn wir etwas für die Weiterführung der Schulsozialarbeit getan hätten. Ich glaube, dann hätten wir etwas gegen Gewalt und für die Gewaltprävention gemacht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, da haben Sie heute eine wichtige Chance vertan.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich glaube, dass wir in unserem Änderungsantrag ein paar Dinge angesprochen haben. Frau Kollegin Faeser, da werbe ich einfach für unseren Änderungsantrag. Wir werden das im Innenausschuss besprechen.

In Nr. 3 unseres Änderungsantrags steht, dass wir eigentlich einmal gucken wollen, ob der Eindruck, der sich verfestigt, richtig ist. Ich weiß das nicht. Ich habe dafür keine Belege. Deswegen wollen wir einmal schauen, ob das richtig ist.

Wir wollen auch schauen, ob die Maßnahmen, die wir zurzeit schon im Bereich Gewaltprävention machen, wirklich greifen. Wir wollen wissen, wie sie greifen und ob wir da nicht mehr machen müssten. Das betrifft sowohl die Schule als auch die außerschulische Arbeit. Das betrifft aber auch die Arbeit mit Erwachsenen. Denn es geht hier nicht nur um die Jugendlichen. Das muss man sich also ganz genau anschauen.

Ich glaube, wir müssen auch eine Debatte führen, die man in diesem Haus ruhig einmal führen sollte. Dabei geht es um die Frage, wie gewalttätig unsere Gesellschaft eigentlich geworden ist. Dabei geht es um die Verrohung der Menschen.

Wenn man sich die Bilder anguckt, wie z. B. in München – ich glaube, da war es – dieser ältere Mann zusammengeschlagen wurde, dann stellt sich die Frage: Was geht in einem Menschen vor, der mehrfach den Kopf eines Menschen tritt, weggeht, wieder zurückkommt und wieder zutritt? Was geht in dem Kopf eines solchen Menschen vor? Dafür würde ich gerne eine Erklärung haben, wenn es die gibt. Da würde ich nicht gerne mit den einfachen Antworten arbeiten. Vielmehr würde ich mich damit gerne intensiver beschäftigen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte mich noch mit einem anderen Thema beschäftigen. Da sind wir von der Frage der jugendlichen Gewalt ganz weit entfernt. Was geht eigentlich in dem Kopf eines Polizeibeamten vor, der bei der Bundespolizei arbeitet, am Wochenende seine Uniform auszieht, nach Berlin fährt, sich dort an der Randale beteiligt und gegen die eigenen Kolleginnen und Kollegen vorgeht? Er hat dort mit Steinen auf seine Kollegen geworfen. Es handelt sich um einen Polizeibeamten. Er wurde zum Bundespolizisten ausgebildet. Da frage ich mich auch: Was geht in dem Kopf eines solchen Menschen vor?

Wenn man sich nur diese beiden Fragestellungen vergegenwärtigt, komme ich zu der Auffassung, dass man mit den Erklärungsmustern von gestern keine Antworten für die Problemlagen von heute findet. Darüber würde ich gerne einmal einen breiteren Diskurs führen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Herr Kollege Frömmrich, vielen Dank.

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