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02.04.2009
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich zum Thema: Rückzug der Polizei aus der Fläche stoppen

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten gestern eine interessante Debatte zum Tarifrecht. Da haben wir darauf hingewiesen, dass der Minister demnächst Arbeiterlieder singen wird. Herr Kollege Reißer, um beim Liedgut zu bleiben. Mit dem Song: „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“ von Pippi Langstrumpf hilft man hier nicht weiter.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das hat mit der Polizei und den Realitäten in diesem Land wenig zu tun, Herr Kollege Reißer. Sie sollten vielleicht einmal durch das Land fahren und mit den Menschen sprechen. Dann werden Sie sehen, wie die Realitäten, gerade in der Fläche, sind.

12 Wir haben das schon erlebt, und der Kollege Reißer hat gerade ein kurzes Beispiel dafür gegeben, wie diese Debatte jetzt weitergeführt wird. Wir haben das im Wahlkampf erlebt. Da ging es auch um die Fragen: Wie ist die Situation bei der Polizei? Wie sehen die Polizeidienststellen aus? Wird Personal abgebaut? Wird Personal abgezogen?

Von Ihnen und insbesondere vom hessischen Innenminister ist immer wieder gesagt worden: Das ist alles in Ordnung; das ist überhaupt kein Problem; das ist alles nur Klamauk der Opposition, die sich auf völlig verkehrte Zahlen bezieht, und eigentlich ist die Welt in Ordnung.

Herr Kollege Reißer, verehrter Herr Innenminister, wenn Sie jetzt einmal die Presseartikel lesen, die sich damit beschäftigen, wie die Situation im Werra-Meißner-Kreis, in Waldeck-Frankenberg oder im Schwalm-Eder-Kreis aussieht, werden Sie sehen, dass die Argumente, die im Wahlkampf, auch von der Opposition, vorgetragen wurden, richtig sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie können das nicht mehr wegrechnen. Sie können sich nicht mehr gesundrechnen; denn wir brauchen hier nicht mehr über Stellen zu reden, sondern wir haben es mit Stelleninhabern zu tun. Herr Innenminister, es fehlen real Personen vor Ort.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es! – Zuruf des Abg. Rafael Reißer (CDU))

Sie ziehen an der Decke, und irgendwo schauen die Füße – oder was auch immer – heraus. Sie werden sehen, in der Fläche haben wir das Problem, dass Polizeidienststellen vorübergehend stillgelegt werden oder abends nicht mehr anfahrbar sind.

(Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

Herr Innenminister, kommen Sie zurück, erkennen Sie die Realitäten, nehmen Sie die Realitäten in diesem Land wahr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie es wollen, kann ich das zitieren. Die „HNA“ schreibt: „Witzenhausen: Türen zu bei der Polizei“. Es wird darüber berichtet, dass der Anschluss unter der Nr. 110 aus dem Nord- und dem Westkreis auf die Direktion in Eschwege umgeschaltet wird und dass man in Witzenhausen demnächst einen blechernen Polizeibeamten antrifft, der einem sagt: Es ist leider keiner zu Hause, gehen Sie weiter nach Eschwege.

Das berichten die Zeitungen; das berichten die Polizeibeamten vor Ort. Das ist nicht die böse Opposition. Herr Innenminister, nehmen Sie die Realitäten in diesem Land wahr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Waldeck-Frankenberg deutet sich eine ähnliche Situation an: Da Stellen in Richtung Kassel abgezogen worden, befürchten die Beamtinnen und Beamten vor Ort, dass sie demnächst die Polizeidienststellen, die jetzt noch arbeiten, nicht mehr betreiben können.

Herr Innenminister, ich will auch in dieser Debatte darauf hinweisen, dass es an uns ist, mit diesem Thema verantwortungsvoll umzugehen. Es geht nicht darum, über das Land zu fahren und irgendwelche Ängste zu schüren. Ich begrüße es ausdrücklich, dass Sie einen Erlass herausgegeben haben und sich jetzt Daten, Zahlen und Fakten geben lassen, die dann ausgewertet werden, um zu schauen, wie die Situation insgesamt ist.

Herr Innenminister, ich sage aber auch: Sie sollten von Ihrem hohen Ross herunterkommen und einfach einmal zur Kenntnis nehmen, wie die Beamtinnen und Beamten vor Ort die Situation wahrnehmen. Die Situation vor Ort sieht mittlerweile so aus, dass die Beamtinnen und Beamten wirklich bis über die Halskrause belastet sind, dass Überstunden anfallen und dass viele Beamte nicht mehr in der Lage sind, Schichtdienst zu machen, weil sie gesundheitliche Probleme haben. Herr Innenminister, beschäftigen Sie sich bitte mit diesen Problemen, und lösen Sie sie auch in der Fläche.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe das in Bezug auf den Erlass gesagt. Ich finde, wir alle sollten darüber diskutieren, und ich würde mich freuen, wenn wir uns im Innenausschuss noch einmal im Detail damit beschäftigten.

Herr Innenminister, dieser Erlass ist meines Wissens in der letzten Woche herausgegeben worden. Ich bitte Sie, jetzt genau zuzuhören und uns an diesem Punkt aufzuklären. Mir sind Informationen zugetragen worden, wonach der Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Nordhessen nach der Herausgabe des Erlasses zwei weitere Beamte aus dem Werra-Meißner-Kreis in Richtung PP Nordhessen, also nach Kassel, abgezogen hat. Herr Innenminister, wenn das wahr ist, ist das ein Skandal,

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

und dann fordere ich Sie auf, personelle Konsequenzen zu ziehen, was den Polizeipräsidenten in Kassel angeht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Frömmrich, Sie müssen zum Schluss kommen.

Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Ich glaube, dass wir in dieser Debatte einfach die Realitäten zur Kenntnis nehmen sollten. Ich denke, Sie als Innenminister sollten klarstellen, wie Sie demnächst die Präsenz in der Fläche gewährleisten wollen. Ich fordere Sie auf, von diesem Pult aus zu erklären, wie sich das mit dem Erlass verhält, und ich fordere Sie auf, zu erklären, ob ein Polizeipräsident des Landes Hessen, nämlich der Polizeipräsident von Nordhessen, gegen diesen Erlass verstoßen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

(…)

Zweite Wortmeldung:

Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will nur noch zwei Sachen zu dem sagen, was der Minister in der Debatte eingeführt hat. Herr Innenminister, ich glaube, wir sind alle gut beraten, wenn wir uns das Zahlenmaterial, was Sie gerade erheben, im Innenausschuss anschauen und dann genau anhand der Zahlen diskutieren, wie die reale Lage ist und wie es in den einzelnen Polizeidirektionen aussieht. Dass man das dann bewertet, ist schon in Ordnung.

Ich finde schon, dass man in der Debatte einige Realitäten nicht ausblenden kann. Wir diskutieren seit Jahren über die Frage des Stellenabbaus. Wenn jetzt auf einmal in Revieren, die vorher ihre Schicht- und Arbeitszeiten so einteilen konnten, dass diese Reviere besetzt und dort reale Beamte sind, die die Tür aufmachen und sie wieder zumachen, aber auf einmal diese realen Beamten nicht mehr da sind, sondern dort ein Blechautomat ist, der Ihnen sagt: „Leider keiner zu Hause, fahren Sie nach Eschwege.“, dann heißt das doch, in diesen Direktionen und in diesen Revieren fehlen reale Beamte, die vorher dagewesen sind. Das kann man einfach nicht wegdiskutieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Darüber würde ich gerne reden.

Ihr Hinweis auf die Aufklärungsquote ist richtig. Das hat vielfältige Hintergründe. Wir haben das bereits diskutiert. Das hat auch etwas mit den Kontrolldelikten und anderem zu tun. Das hat etwas damit zu tun, dass wir mittlerweile vermehrt Deliktsform wie z. B. Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt haben – auch darüber können wir reden. Ich bin froh über eine gute Aufklärungsquote. Das ist doch gar keine Frage. Jeder kann sich darüber freuen, wenn wir im Land Hessen durch unsere Polizei eine gute Aufklärungsquote haben.

Was aber bedeutet dieses Argument in Ihrem Antrag? Wir haben eine gute Aufklärungsquote – das ist in Ordnung, wir können uns zurücklehnen; dann haben wir eben weniger Polizeibeamte und nehmen in Kauf, dass die Aufklärungsquote im nächsten oder übernächsten Jahr vielleicht schlechter ist. – Ist dies das Argument, das Sie hier vorbringen wollen?

Das kann es nicht sein. Ich glaube nicht, dass Sie dieses Argument vorbringen wollen.

Daher finde ich es notwendig, redlich miteinander umzugehen. Dass eine Regierungskoalition immer versucht, sich zu loben, das ist eben so, das muss man

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ertragen!)

hinnehmen – ertragen, vielen Dank, Herr Kollege Wagner. Dass man aber in einem solchen Antrag Dinge schreibt, die mit der Realität und mit dem, was in dieser Aktuellen Stunde eigentlich diskutiert werden sollte, nichts, aber auch gar nichts zu tun haben, das entspricht nicht der intellektuellen Leistungsfähigkeit, die in Ihrer Fraktion, Herr Innenminister, vorhanden sein sollte.

Wir sollten das im Innenausschuss nochmals diskutieren. Aber ich bestehe auf der Antwort auf meine Frage, die ich eben gestellt habe.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Ich bestehe auf einer Antwort zu meiner Frage, ob es einen solchen Erlass des Innenministers gibt? Und wenn sich das bestätigt, ist es dann unter Umständen so, dass der Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Nordhessen wissentlich gegen diesen Erlass verstößt?

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Herr Innenminister, wenn das der Fall ist, dann ist das ein Skandal, und dann, Herr Innenminister, fordern wir von Ihnen, die personellen Konsequenzen in diesem Fall zu ziehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

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