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07.10.2009
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich zum Stellenwegfall bei den Polizeipräsidien

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren, es freut einen schon, wenn man hier nach vorne tritt und dann von der Regierung so viel Jubel kommt. Da kann es nur noch schöner werden.

Für mich als Innenpolitiker ist heute ein schöner Tag, weil ich zu diesem Punkt reden kann. Ich muss mich bei der SPD ausdrücklich für das Einreichen dieser Großen Anfrage bedanken. Wir mussten uns über Jahre in den Debatten, die wir mit der Regierung, dem Innenminister geführt haben, anhören – leider muss der Staatssekretär jetzt dafür herhalten, das tut mir sehr leid, aber vielleicht kann der Innenminister dies nachlesen –, was die Opposition zu den Bereichen Polizei, Abbau von Stellen, nicht besetzte Stellen und Dienstunfähigkeit von Beamten gesagt hat. Herr Kollege Greilich, ich kann mich auch noch an Veranstaltungen mit Ihnen erinnern, und zwar bei der Gewerkschaft der Polizei, wo uns immer gesagt worden ist: Das ist alles Quatsch, was ihr da erzählt. Das ist alles Unsinn. Das stimmt nicht. Das sind alles falsche Zahlen. Es ist vollkommen am Thema vorbei, was Sie erzählen.

Herr Kollege Greilich, da ist es schon wirklich richtig schön, dass man jetzt die Zahlen in einer Großen Anfrage nachlesen kann – beantwortet von der Hessischen Landesregierung und vom zuständigen Innenminister unterschrieben. Sie mussten zugeben, dass das, was wir Ihnen als Opposition über Jahre vorgeworfen haben, stimmt, dass Sie die hessische Polizei ausdünnen, Stellen abbauen und mit dem Personal so umgehen, wie Sie es eben tun. Das haben wir Ihnen immer vorgeworfen; und Sie haben dies immer bestritten. Jetzt können Sie dies nachlesen, und es wurde sogar vom hessischen Innenminister unterschrieben. Das freut einen in dieser Debatte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Ich will vielleicht doch am Anfang zwei, drei Dinge aufgreifen, die Herr Kollege Bellino in die Debatte eingeführt hat. Ich glaube schon, dass Frau Kollegin Faeser recht hat. Sie haben ein bisschen am Thema und an der Anfrage vorbeigeredet und versucht, sich ein bisschen an der Anfrage herumzumogeln. Das hat man daran gemerkt, dass Sie sich nicht nur im letzten Jahrhundert, sondern im letzten Jahrtausend bewegt haben, indem Sie Zahlen aus dem Jahr 1999 herbeigeführt haben.

Zum ersten Punkt. Herr Kollege Bellino, ich sage Ihnen einmal eines: Selbst wenn diese Zahlen richtig sind,

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

– Herr Bellino, darüber brauchen wir gar nicht zu streiten –, die CDU ist nun im elften Jahr an der Regierung. Sie können sich nicht mehr auf die Zahlen von 1999 zurückziehen. Wir sind hier in der Realität; und wir setzen uns mit den aktuellen Zahlen auseinander. Diese sind katastrophal, Herr Kollege Bellino.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Zum zweiten Punkt. Sie haben gesagt, die Polizei sei bestens versorgt. Ich wünsche mir, dass die Kolleginnen und Kollegen von Polizei und Gewerkschaften alles nachlesen, was Sie hier vortragen. Wir haben die verschiedensten Debatten geführt. Wir haben hier Debatten über Polizeistationen, die geschlossen werden sollten, geführt. Wir haben die Situation im Werra-Meißner-Kreis und in Waldeck-Frankenberg diskutiert. Herr Kollege Bellino, das haben wir alles diskutiert, und es spottet wirklich jeder Beschreibung, dass Sie die Probleme einfach nicht erkennen und den Leuten sagen, sie seien bestens versorgt. Das stimmt nicht mit der Realität überein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Sie haben gesagt: Wir haben jetzt bei der hessischen Polizei 550 neue Stellen geschaffen, die Anwärterstellen. Das ist vollkommen richtig. Seit 2008 steht das im Haushaltsplan; für 2009 ist es meines Wissens auch vorgesehen.

Herr Kollege Bellino, das Problem ist doch, dass Sie diese erst einmal drei Jahre lang ausbilden müssen und dass wir jetzt diese Probleme haben, weil Sie nämlich in den Jahren davor – 2007, 2006 und 2005 – weniger Anwärter eingestellt haben, als Beamte in den Ruhestand gegangen sind. Daher kommt es zu diesen Zahlen und dazu, dass wir bei der Vollzugspolizei real Verluste haben. Das ist die Realität, die Sie endlich einmal wahrnehmen müssten, Herr Kollege Bellino.

Ich will vielleicht doch auf das eine oder andere der Großen Anfrage eingehen. Frau Kollegin Faeser hat das schon getan. Es ist aber erstaunlich, dass Sie einfach so argumentieren, als läge die Große Anfrage nicht vor. Wir haben es fast in allen Polizeipräsidien mit einem Stellenabbau zu tun. Wenn Sie sich das anschauen, werden Sie feststellen, dass wir in Nordhessen minus 33 Stellen haben, und zwar immer ausgehend von den Jahren 2005 bis 2008, also auch Ihrer Regierungszeit. Wir haben in Mittel- und Westhessen sieben Stellen weniger. Wir haben in Osthessen 16 Stellen weniger. In Südhessen sind es 22 Stellen weniger. Im PP- Frankfurt sind es 55 Stellen weniger. Herr Kollege Bellino, daher können Sie sich doch nicht allen Ernstes hier hinstellen und behaupten, die Polizei sei in Hessen bestens versorgt. Das geht an der Realität vorbei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Diese Anfrage ist, wenn man sie liest, auch ein kleiner Grund zur Freude, denn das kommt schließlich aus dem Hause des Innenministers. Dort steht der folgende Satz – diesen finde ich ganz grandios; ich habe ihn mehrere Male gelesen –: „Die Verringerung der Stellenzahl zwischen 2006 und 2007 resultiert aus den Maßnahmen zur Konsolidierung des Haushaltes“, also der „Operation düstere Zukunft“.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

– „Operation düstere Zukunft“ heißt es bei uns, weil dies für die Leute, deren Stellen abgebaut worden sind, und die sozialen Initiativen, die kein Geld mehr bekommen haben, keine „sichere“, sondern „düstere Zukunft“ gewesen ist, Herr Kollege Bellino.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das haben sie über die ganzen Jahre hinweg bestritten. In den Debatten, die wir miteinander geführt haben, haben Sie immer gesagt, die Polizei sei von der „Operation düstere Zukunft“ ausgenommen. Das können Sie nachlesen. Sie können Ihre eigenen Zahlen anschauen. Wir haben in den Debatten also mit den richtigen Zahlen operiert. Wenn man noch einmal auf die „Operation düstere Zukunft“ zurückkommt – Herr Kollege Bellino, Sie waren mit uns gemeinsam bei der Kursorischen Lesung im Innenministerium –, dann stellt man fest, dass es noch immer 100 Stellen gibt, die in die PVS wandern sollen. Es sind also noch einmal 100 Stellen, die zumindest in diesem oder im nächsten Jahr abgebaut werden müssen.

Eine weitere Geschichte, die ich noch einmal gern erwähne, weil ich glaube, dass man immer mal wieder das eine oder andere herauskramen muss – es ist ja das Schöne am Parlament, dass es nichts vergisst, weil die Stenografinnen und Stenografen immer alles schön mitschreiben – ist: Als wir gesagt haben, dass Sie Stellen abbauen, ist uns von Ihnen immer gesagt worden – Zitat des Innenministers –, das sei „typisches Oppositionsgenörgel und teilweise schlicht falsch“. Der Minister stelle klar, dass Innere Sicherheit ein Schwerpunkt der Landesregierung bleibe und deshalb weiter in Personal und Ausstattung investiert werde. Das sagte der Minister am 10. Oktober 2003.

(Zuruf des Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wenn wir die Anfrage lesen, stellen wir fest, dass der Minister unrecht gehabt hat.

Nun ein weiteres Zitat des Ministers – gleiche Pressemitteilung –:

Innenminister Volker Bouffier macht deutlich, dass sein gesamter Ressortbereich selbstverständlich seinen Beitrag zur Operation sichere Zukunft liefern werde, bei der Vollzugspolizei allerdings keine Stelle gestrichen werde.

(Zuruf des Abg. Nancy Faeser (SPD))

Herr Kollege Bellino, ich würde mir wünschen, Sie kämen hier vorne hin und entschuldigten sich bei der Opposition dafür, dass Sie sie über Jahre diffamiert haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Die CDU stimmt in diesen Chor natürlich ein. Die damalige Kollegin, die innenpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Frau Kollegin Zeimetz-Lortz, sagte dazu: „Der Brandstifter ruft nach der Feuerwehr“. Sie meinte damals die Opposition.

(Zuruf des Abg. Minister Karlheinz Weimar)

– Herr Finanzminister, ich weiß, dass Sie zurzeit sehr viel mit dem Haushalt zu tun haben und dass dies auch ein anstrengender Job ist. Aber vielleicht sollten Sie, wenn Sie dazwischenrufen, einmal die Anfrage aus dem Hause des Innenministers lesen, denn dann sind Sie vielleicht auf der Höhe der Debatte, die wir hier führen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Frau Kollegin Zeimetz-Lortz sagte weiter: „Die Panikmache der rot-grünen Opposition ist unbegründet.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir die Antwort auf die Anfrage nachlesen, werden wir sehen, dass die Argumente, die wir seinerzeit vorgetragen haben, richtig sind.

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen will und der uns auch wirklich Sorgen machen muss – das sage ich der Regierung und der Opposition –, ist, dass viele Beamtinnen und Beamte nur noch eingeschränkt dienstfähig sind.

Herr Bellino, wenn Sie sich die Zahlen anschauen, muss es Ihnen doch zu denken geben, dass bei uns immer mehr Beamtinnen und Beamte Dienst leisten, die eigentlich nicht mehr 100-prozentig dienstfähig sind. Das macht nicht nur für die Menschen etwas aus, die diesen Dienst leisten, sondern es macht auch für diejenigen etwas aus, die mit ihnen zusammenarbeiten, weil diese Menschen nicht mehr im Schichtdienst einsatzfähig sind und gewisse Aufgaben, z. B. bei Großlagen, nicht mehr wahrnehmen können. Von daher sind wir alle gut beraten, wenn wir uns diesen Punkt einmal vornehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der weitere Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Frage, die Sie aufgeworfen haben. Sie haben gesagt, Hessen sei das sicherste Land und in der Kriminalstatistik ganz weit vorne. Wenn Sie sich die aktuelle Kriminalstatistik des Bundes anschauen – der Bundesinnenminister gibt die heraus –, dann werden Sie feststellen, dass das Land Hessen mitnichten vorne ist; es sei denn, wenn Sie Platz 7 als vorne bezeichnen würden. Wir haben eine Aufklärungsquote von 57,1 Prozent. Baden-Württemberg hat 58,8 Prozent, Bayern 64,7 Prozent, Niedersachsen 58,5 Prozent

(Zurufe des Abg. Holger Bellino (CDU) und Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Mecklenburg-Vorpommern 58,3 Prozent und Rheinland-Pfalz 62,3 Prozent. Dann antworten Sie auf die Große Anfrage, dass wir im vorderen Feld bei der Aufklärungsquote seien. Das ist mitnichten so; es sei denn, die CDU meint mittlerweile, dass Platz 7 im vorderen Feld einer Statistik sei.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Herr Kollege Frömmrich, Sie müssten zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Jürgen Frömmrich:

Ich komme zum Schluss. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dieser Großen Anfrage haben wir endlich ein Datenmaterial, mit dem auch diese Landesregierung einmal arbeiten sollte. Sie sollte sich das einmal ganz genau anschauen. Wir haben ein Problem in der inneren Sicherheit, wir haben ein Problem im Personalbereich. Die 550, die jetzt eingestellt worden sind, kommen erst in drei Jahren in den Dienst. Das heißt, wir werden noch drei Jahre überbrücken müssen. Herr Kollege Bellino, Sie können einfach nicht damit, dass Sie auf das vorige Jahrhundert – –

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Herr Kollege Frömmrich, ich bitte Sie, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Jürgen Frömmrich:

Mein letzter Satz. – Sie können sich nicht, in dem Sie auf das letzte Jahrhundert verweisen, aus der Verantwortung stehlen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Holger Bellino (CDU): Es gibt Dinge, die verjähren nie, Herr Frömmrich!)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank

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