Inhalt

03.03.2009
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich zum Mitbestimmungswiederherstellungsgesetz

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Blechschmidt haben gezeigt, welche Auffassung leider auch die FDP von Mitbestimmung und Personalvertretungsrechten hat. Hier geht es nicht darum, Sachverstand und Kompetenz des Personals einzubinden, sondern für die FDP sind Sachverstand und Mitwirkung von Personalräten, -vertreterinnen und -vertretern hinderlich und dienen nur der Verzögerung von Entscheidungsprozessen. So denken Sie über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es ist auch nicht so, wie Sie es versucht haben darzustellen, dass die damaligen Änderungen nur deshalb, weil Sie sie beschlossen haben, richtig waren. Diese Änderungen waren nicht richtig. Von daher ist es sinnvoll, dass wir mit dem Gesetzentwurf, den die LINKEN vorgelegt haben, die Möglichkeit haben, über Mitbestimmung und Personalvertretungsrechte in der Landesverwaltung zu diskutieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf nimmt einen Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes Hessen-Thüringen auf, der die Wiederherstellung – „Wieder“-Herstellung, von daher braucht man sich nicht zu wundern, dass gewisse Absätze wiederhergestellt werden – der Regelungen begehrt, die bis zum Jahr 1999 bzw. 2003 Geltung hatten. Die CDU und, was die Änderungen von 1999 betrifft, auch die FDP haben mit den Änderungen des HPVG 1999 und 2003 gezeigt, dass für sie die Mitbestimmung und das Personalvertretungsrecht hinderlich, entbehrlich, ja eigentlich überflüssig sind.

Mit dem Zweiten Gesetz zur Beschleunigung von Entscheidungsprozessen innerhalb der öffentlichen Verwaltung – man muss sich diesen Namen auf der Zunge zergehen lassen: Zweites Gesetz zur Beschleunigung von Entscheidungsprozessen innerhalb der öffentlichen Verwaltung –, mit dem Mitbestimmungsrechte abgebaut worden sind, und dem sogenannten Zukunftssicherungsgesetz im Jahr 2003 haben Sie die Mitbestimmungsrechte und die Personalvertretungsrechte in Hessen massiv abgebaut.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Die damaligen Gesetzesänderungen zeigen auch Ihre Grundeinstellung zu Interessenvertretungen, zur Mitbestimmung, zu Personalräten, zu Gewerkschaften insgesamt. Für Sie sind Gewerkschaften und Personalvertretungen eigentlich ein Graus.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig! – Zurufe von der CDU – Zuruf des Ministers Volker Bouffier)

Man kann auch in der aktuellen Auseinandersetzung über die Tarifbeschäftigten sehen, Herr Innenminister, welche Rolle Sie in dieser Frage spielen oder, besser gesagt, nicht spielen. Es ist auch kein Wunder, Herr Innenminister. Welch Geistes Kind Sie in der Auseinandersetzung mit Mitarbeitervertreterinnen und Mitarbeitervertretern sind, zeigt sich darin, dass Sie Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die gegen Sie demonstrieren, wie seinerzeit die Polizeibeamten in Baunatal, als Krawallmacher beschimpfen. Das zeigt, welche Auffassung Sie von Personalvertretungsrechten haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD) – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Personalpolitik nach Gutsherrenart ist rückwärtsgewandt und nach unserer Auffassung genau das Gegenteil von moderner Verwaltung. Moderne Unternehmen binden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Entscheidungen ein. Moderne Unternehmen fordern das Personal auf, eigene Vorschläge zu machen, und nutzen die Kompetenzen und die Potenziale der Beschäftigten. Sie tun genau das Gegenteil.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Sie bauen nicht nur die Mitbestimmungsrechte ab, sondern Sie demotivieren auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das haben die Gesetze gezeigt, über die wir hier zum Teil gesprochen haben. Mit der Einführung der Personalvermittlungsstelle oder Mobbingbehörde, wie wir gesagt haben, mit der „Operation düstere Zukunft“, mit der Schließung von Behördenstandorten, wo ganz viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versetzt werden mussten und die jeweiligen Personalräte gar nicht mitbestimmen durften oder noch nicht einmal gehört wurden, haben Sie in einem hohen Maße zur Demotivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Lande beigetragen.

(Zuruf des Abg. Judith Lannert (CDU))

Ich habe das schon oft gesagt, ich tue es wieder; sonst fehlt dem Minister etwas: Ihr Umgang mit dem Personal spottet in der Tat jeder Beschreibung.

Ich habe eigentlich gedacht, dass die Landtagswahl im Jahr 2008, als Sie 12 Prozent verloren haben, und die Wahl im Jahr 2009, als Sie noch einmal 40.000 Stimmen verloren haben,

(Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

zu einem Umdenkungsprozess geführt haben, was den Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angeht. Es hat aber nicht dazu geführt, es gibt ein „Weiter so!“,

(Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

diesmal nicht nur vonseiten der CDU, sondern, wie wir gerade gehört haben, ist die FDP voll im Boot. Das halten wir nicht für richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben die Änderungen 1999 und 2003 abgelehnt und haben gegen die Verschlechterungen im HPVG vor dem Staatsgerichtshof geklagt – leider erfolglos. Der nun vorliegende Gesetzentwurf hat neben der Wiederherstellung der abgeschafften Regelungen auch die Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie zum Ziel. Der Gesetzentwurf stammt aus der Feder des DGB. Er enthält keinerlei eigene geistige Ergüsse der Fraktion DIE LINKE. Da setzt im Prinzip auch meine Kritik an.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Denn ich frage mich: Welches Selbstverständnis als Parlamentarier steckt eigentlich dahinter, wenn man Gesetzentwürfe von Interessenorganisationen, die ihre durchaus legitimen Interessen formulieren, 1 : 1 in einen Fraktionsgesetzentwurf kleidet?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Ich glaube, dass das kein richtiger Umgang im Parlament ist. Dieses Parlament ist gut beraten, wenn es die Interessen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufnimmt, dann aber in einen Abwägungsprozess eintritt, was die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einerseits und die Interessen das Landes Hessen, auch die finanziellen Interessen und die Interessen an einer effizienten Verwaltung, andererseits angeht.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wir machen es wenigstens so! – Janine Wissler (DIE LINKE): Bei Ihnen hat der Prozess noch gar nicht begonnen!)

Nach diesem Interessenausgleich und nach diesem Abwägungsprozess tritt man in ein Gesetzgebungsverfahren ein, und man schreibt nicht hundertprozentig einen Gesetzentwurf einer Interessenvertretung ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Wissler, ich will jetzt auf Ihren Zwischenruf eingehen. Ich möchte Sie sehen, wenn die Umweltministerin einen Gesetzentwurf der chemischen Industrie 1 : 1 als Gesetzentwurf der Landesregierung in den Landtag einbringen würde. Von daher sollten Sie in der Tat einmal über Ihr Selbstverständnis nachdenken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe gesagt, ich habe sehr viele Sympathien für die durchaus legitimen Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich glaube, dass wir diesen Gesetzentwurf in ein geordnetes Verfahren geben sollten. Aber zu diesem geordneten Verfahren gehört nicht nur eine Anhörung, sondern zehn Jahre, nachdem ein Teil der Änderungen in Kraft ist, braucht man einen wissenschaftlichen Evaluierungsprozess, der klarstellt, welche Erfahrungen in den vergangenen Jahren mit diesem Gesetz gemacht wurden.

Für uns ist Evaluierung eine wichtige Voraussetzung für die anstehenden und von uns gewollten Verbesserungen im Personalvertretungsgesetz. Zu dem vorliegenden Gesetzentwurf muss deshalb von der Landesregierung dargelegt werden, wie die Maßnahmen in den vergangenen zehn Jahren gewirkt haben. Dazu gehört für uns unabdingbar eine externe wissenschaftliche Bewertung.

Präsident Norbert Kartmann:

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Jürgen Frömmrich:

Ich bin sofort zu Ende, Herr Präsident. – Das geht natürlich weit über das erforderliche Anhörungsverfahren zu dem Gesetzentwurf hinaus. Es erfordert auch Zeit; das wissen wir. Aber wir wollen, dass dieser Prozess die Erfahrungen der letzten Jahre einbindet.

Wir wollen das Personalvertretungsrecht im Sinne der Beschäftigten und einer effizienten und arbeitsmotivierten Verwaltung erneuern. Dazu sind wir bereit, darüber möchten wir uns in den Ausschussberatungen mit Ihnen auseinandersetzen. Aber wir sind dafür, dass wir nicht nur eine Seite hören, sondern dass wir in einen Evaluierungsprozess eintreten und dann ein Gesetz beschließen, das abgewogen worden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kontakt

Zum Thema