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19.05.2010
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich zum Landespolizeibeauftragtengesetz

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben von Herrn Greilich hier wieder ein wunderbares Schauspiel aufgeführt bekommen. Auch ich weiß nicht, was man dazu noch sagen soll. Herr Kollege Greilich, angesichts der Arroganz, mit der Sie Ihre Reden hier vortragen, sollten wir uns einmal überlegen, ob Sie nicht der innenpolitische, sondern eher der arroganzpolitische Sprecher Ihrer Fraktion sein sollten. Vielleicht passt das Ganze dann ein bisschen mehr zusammen.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU und Zurufe von  der FDP)

Herr Kollege Greilich, was Ihre Exkurse betrifft: Erst stellen Sie sich hier vorne ans Mikrofon und sagen, Sie seien froh darüber, dass wir wieder einmal eine inhaltliche Debatte über die Innenpolitik führen wollten.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Dann nutzen Sie zwei Drittel Ihrer Redezeit dafür, die Opposition zu beschimpfen. Herr Kollege Greilich, Sie haben die Diskussionen, die wir in den letzten Wochen und Monaten im Zusammenhang mit der Innenpolitik geführt haben, offensichtlich nicht verstanden oder auch nicht wahrgenommen.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Sie reden von einem Theaterstück, im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss, in dem es um die Besetzung der Stelle eines Präsidenten der hessischen Polizei geht. Diese Stelle ist, wie wir meinen, rechtswidrig besetzt worden.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Herr Kollege Greilich, wenn Sie bei einem Verstoß gegen Art. 33 GG und gegen Art. 19 Abs. 4 GG, in dem es um die Rechtswegegarantie geht, von einem Theaterstück sprechen, muss ich Ihnen wirklich sagen: Ich habe eine feste Meinung von Juristinnen und Juristen. Aber Sie bedienen jedes Vorurteil, das man gegen Juristinnen und Juristen nur haben kann, wenn Sie in dieser Art und Weise argumentieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Es ist schon sehr erstaunlich, wenn Sie hier auch noch über einzelne Teile des Gesetzentwurfs berichten.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU) – Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Offensichtlich ist Ihnen das, was man unter sinnerfassendem Lesen versteht, nicht ganz geläufig. Vielleicht sollten Sie nicht nur lesen lassen, sondern ab und an auch den einen oder anderen Gesetzentwurf selbst lesen, bevor Sie in dieser Art und Weise über die Gesetzentwürfe Ihrer Kolleginnen und Kollegen von der SPD reden.

So viel als Vorrede, bevor ich den Kolleginnen und Kollegen von der SPD ausdrücklich dafür danke, dass sie einen solchen Vorstoß gemacht haben und einen Landespolizeibeauftragten für die hessische Polizei vorschlagen. Diese Initiative gibt uns die Möglichkeit, gründlich über ein immer wieder auftretendes Problem zu beraten und möglicherweise auch eine Lösung dafür zu finden.

Seit Beginn dieses Jahres berichten die Medien jeden Monat über neue Vorfälle und über Beschwerden aus den Reihen der hessischen Polizei. Im Januar wird über angeblich ungerechtfertigte Disziplinarverfahren und fragwürdige ärztliche Gutachten berichtet.

Im Februar ist im „Darmstädter Echo“ ein Artikel mit der Überschrift „Wer nicht mitspielt, wird drangsaliert“ zu finden. Gemeint sind damit Vorgänge im Polizeipräsidium Südhessen. Der Innenausschuss des Hessischen Landtags beschäftigt sich ausführlich mit dieser Problematik.

Im März berichtete die „Frankfurter Rundschau“ über Mobbing im Polizeipräsidium Frankfurt.

Im April dieses Jahres macht ein anonymer offener Brandbrief von sich reden. Darüber wird berichtet. Dieser Brandbrief ist übrigens an den Inspekteur der hessischen Polizei gerichtet. Es geht um Mobbing im 1. Polizeirevier in Frankfurt. Dann führt der Inspekteur der Polizei in eben diesem Revier eine Veranstaltung durch. Es folgt eine Gegendarstellung der Beamtinnen und Beamten, die daran teilgenommen haben. Daraufhin erscheint ein zweiter offener Brandbrief, in dem die Probleme noch einmal beschrieben werden. Herr Kollege Greilich, wer sich dann hierhin stellt und sagt, wir hätten bei der hessischen Polizei keine Probleme, hat offensichtlich nicht begriffen, was los ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht sollten Sie sich das einmal anschauen. Ich könnte aus diesen Briefen zitieren; ich könnte hier einzelne Teile zum Besten geben. Vielleicht sollten Sie sich das eine oder andere durchlesen.

Ich will damit nicht sagen, dass jeder anonyme Brief und jede Beschuldigung gerechtfertigt sind. Aber wir haben es in der hessischen Polizei, einem geschlossenen System, offensichtlich mit dem Problem zu tun, dass die Beamtinnen und Beamten, die sich solchen Drangsalierungen ausgesetzt sehen, dort keinen Ansprechpartner haben. Diejenigen, an die er oder sie sich nämlich wenden könnte, befinden sich innerhalb des Systems.

Daher ist die Idee nicht von der Hand zu weisen, dass man den Vorschlag der SPD einmal genauer durchdenkt und schaut, ob man nicht einen Ansprechpartner außerhalb dieses Systems benennen kann, an den sich die Polizeibeamtinnen und -beamten wenden. Nichts anderes schlagen die Kolleginnen und Kollegen von der SPD vor. Ich glaube, es ist aller Ehren wert, über diesen Vorschlag zu diskutieren.

Meine Damen und Herren, ich könnte hier erzählen, dass hessische Polizeibeamtinnen und -beamten auch an mich Schreiben richten. Zum Teil sind das auch Briefe aus Nordhessen. Es geht hier nicht nur um ein südhessisches Problem.

Ich glaube nicht, dass es in der hessischen Polizei ein systematisches Mobbing gibt. Allerdings zeigt mir das regelmäßige Lautwerden von Vorwürfen dieser Art in der Öffentlichkeit eindeutig, dass ein Problem besteht und dass die von der Polizei bisher zur Verfügung gestellten Ansprechpartner, nämlich Frauenbeauftragte, Personalräte und die Mitarbeiter des Zentralpsychologischen Dienstes, und auch die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde nicht ausreichen, um diesen Problemen zu begegnen, unter anderem deshalb – ich habe das eben schon erwähnt –, weil diese Ansprechpartner Teil des Apparats und somit aus Sicht der Betroffenen nicht unvoreingenommen sind.

Der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft bringt die Sache auf den Punkt, wenn  er davon spricht, dass das derzeitige Instrumentarium offensichtlich versagt hat. Wir müssen uns also die Frage stellen, wie die Führungskultur in der hessischen Polizei verbessert wird. Über den Ansatz, den die SPD gewählt hat, sollte durchaus einmal inhaltlich diskutiert werden.

Es ist nicht nur das Geschrei der Opposition, dass wir mit der Führungskultur in der hessischen Polizei ein Problem haben. Vielleicht haben sich die Kolleginnen und Kollegen angehört, was auf dem Gewerkschaftstag der GdP gesagt worden ist. Der Herr Innenminister geht nicht mehr dorthin; denn das ist eine Gewerkschaft, das braucht man sich nach seiner Meinung offensichtlich nicht anzuschauen.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Aber er hat seinen Staatssekretär dorthin geschickt, und der Staatssekretär hat ausdrücklich Probleme in der Führungskultur der hessischen Polizei zugegeben. Das war ein Schritt in die richtige Richtung. Man kann diese Probleme doch nicht permanent verleugnen, sondern man muss sie zur Kenntnis nehmen. Als Minister und als Staatssekretär ist man aufgefordert, alles zu unternehmen, um diese Probleme abzustellen. Herr Innenminister, das machen Sie aber nicht, sondern Sie verleugnen die Probleme.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist eines der Paradebeispiele. Die Führungskultur und die Art und Weise, wie Sie mit Beamtinnen und Beamten umgehen, die eine andere Auffassung vertreten, zeigt doch – wie seinerzeit bei den demonstrierenden Beamten in Baunatal, die sich für ihre Rechte, für ihr Geld, für ihren Urlaub und für ihre Arbeitszeit eingesetzt haben –, dass Sie nichts anderes zu tun haben, als sie als Krawallmacher zu bezeichnen. So sieht die Führungskultur in der hessischen Polizei aus. Wenn man etwas gegen diese Landesregierung sagt, wird man als Krawallmacher bezeichnet. Auch das zeigt, dass wir in der Führung der hessischen Polizei ein Problem haben und dass der Ansatz, den die SPD hier gewählt hat, durchaus zu diskutieren ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das in Form eines Beauftragten zu machen ist nichts, was jemandem gerade einmal eingefallen ist. Vielmehr haben wir diese Beauftragten auch bei der Bundeswehr. Der erste Wehrbeauftragte ist 1957 berufen worden, um die parlamentarische Kontrolle über die Bundeswehr zu verstärken und die Führungskultur zu verändern.

Wenn man sich die Jahresberichte anschaut, kann man feststellen, dass es in der ersten Zeit um Beschwerden über Grundrechtsverletzungen und Grundrechtseingriffe sowie um Schikanen von Vorgesetzen geht. Heute geht es im Großen und Ganzen um die Fürsorge, um die Laufbahn und um Statusfragen. Da hat sich im Laufe der Zeit etwas geändert. Wenn man sich die Entwicklung der Rolle des Wehrbeauftragten anschaut, wird man erkennen, dass das ein wichtiger und guter Ansprechpartner für die Soldatinnen und Soldaten ist.

Wir haben im Prinzip bei der Polizei und bei der Bundeswehr das gleiche Problem. Das sind geschlossene Systeme, die sehr hierarchisch organisiert sind. Dort ist Befehl und Gehorsam etwas anderes als in anderen Teilen der Verwaltung.

Um diesem System zu entgehen, ist, so glaube ich, eine Debatte um einen Landesbeauftragten für die Polizei aller Ehren wert. Wir unterstützen diesen Gesetzentwurf.

Vielleicht schauen die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen nach der Anhörung noch einmal genauer hin. Allein die Probleme zu leugnen, reicht nicht aus. Vielleicht sollten Sie einmal in der Gegenwart ankommen und mit dem einen oder anderen Beamten sprechen, der im aktiven Dienst ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Herr Kollege Frömmrich, vielen Dank.

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