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08.12.2009
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich zum Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin immer wieder – ich weiß nicht, ob ich „erstaunt“ oder „berührt“ sagen soll,

(Zurufe von der CDU)

mit Verlaub, Herr Kollege Blum, „fasziniert“ ist der verkehrte Ausdruck –,

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Herr Kollege Greilich, wie man in einer derartigen Weise vortragen kann und hier mit Leuten umgeht, die eine andere Auffassung haben. Man muss nicht die Auffassung teilen, die die Opposition hier vorträgt. Aber Sie könnten doch wenigstens diese Ausführungen respektieren und hier nicht in einer solch arroganten Art argumentieren. Ich glaube, das schadet uns allen. Denn letztendlich geht es uns darum, Herr Kollege Greilich, dass wir hier die Debatte führen, dass wir unterschiedliche Auffassungen austauschen und, okay, dass wir dann auch anders abstimmen. Aber über die Form des Umgangs und auch die Arroganz der Debatte sollten Sie vielleicht über die Weihnachtstage nachdenken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Unruhe)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Kollege, Entschuldigung. – Ich bitte die Kollegen im Plenarsaal, sich etwas ruhiger zu verhalten, damit Herr Frömmrich wirklich von allen gehört werden kann.

Jürgen Frömmrich:

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Greilich hat das schon in der vergangenen Sitzung getan, er hat es auch diesmal wieder getan. Er hat versucht, die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu zeichnen. Beim letzten Mal hat er Benjamin Franklin aus dem 18. Jahrhundert zitiert, einen Satz aus dem 18. Jahrhundert, der immer noch richtig ist, weil er aktueller denn je ist: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewähren, wird am Ende beides verlieren“, lautet dieser Satz von Franklin. Ich finde, er hat nach wie vor seine Berechtigung. Bei allem, was man in der Sicherheitsgesetzgebung beschließt, muss man sich diesen Satz immer wieder vergegenwärtigen.

Herr Kollege Greilich, ich wundere mich schon sehr, dass Sie diesen Satz zitieren, aber gleichzeitig ein Gesetz vorlegen, das genau das Gegenteil von dem ist, was Sie hier beschreiben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Greilich, ich denke, dass es den Anforderungen nicht genügt, die Sie hier aufgestellt haben. Sie haben in Ihrer Rede zur Einbringung gesagt – ich zitiere –:

Deshalb müssen wir uns alle immer wieder vor Augen halten, dass wir alles tun müssen, was die Sicherung unserer Bürger und auch unserer demokratischen Gesellschaftsordnung effektiv und nachhaltig gewährleistet, dass wir aber alles das zu unterlassen haben, was zwar die Freiheitsrechte unserer Bürger einschränkt, aber keinen spürbaren Sicherheitsgewinn gewährleistet, der allein solche Einschränkungen rechtfertigen kann.

Herr Kollege Greilich, genau das ist der Kern des Problems. Man muss hier abwägen, ob der Gewinn an Sicherheit die Eingriffe in Freiheits- und Bürgerrechte rechtfertigt. Da kommen wir zu einer anderen Auffassung als Sie. Wir sagen Nein. Ein vermeintlicher Sicherheitsgewinn kann argumentativ nicht dafür herhalten, dass elementare Bürger- und Freiheitsrechte eingeschränkt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie regeln im Polizeigesetz nicht nur Petitessen. Sie greifen tief in die Bürger- und Freiheitsrechte der Menschen ein. Sie wollten den Einsatz der Kfz-Lesegeräte neu regeln. Damit ist dieser Innenminister vor dem Bundesverfassungsgericht krachend gescheitert.

(Zuruf des Ministers Volker Bouffier)

– Herr Innenminister, ich kann mich noch gut erinnern, wie Sie hier gesagt haben, als wir diese Debatte führten, es sei alles Quatsch, was die Opposition sagt, es sei alles Unsinn, alles Nonsens, Ihre Regelung sei verfassungskonform. Das haben Sie seinerzeit am Rednerpult im Rathaus gesagt. Sie sind mit Ihrem Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht krachend gescheitert, Herr Innenminister.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Bei der Quellen-TKÜ wollen Sie eine Überwachung direkt am Computer einführen. Sie sollten sich einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit Online-Durchsuchungen vergegenwärtigen. Das Bundesverfassungsgericht hat ein Extra-Schutzrecht für Computer geschaffen, weil in Computern mittlerweile die intimsten Informationen von Menschen gespeichert sind. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, man muss diese Systeme besonders schützen. Wenn Sie jetzt bei der Quellen-TKÜ die Bestimmung einführen wollen, dass auf Computer direkt zugegriffen wird, um Telefongespräche über das Internet vor dem Verschlüsseln abhören zu können, dann ist zumindest zweifelhaft, ob das mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, was den Schutz der IT-Systeme betrifft, in Einklang zu bringen ist. Ich bezweifle es.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Herr Kollege Greilich hat gesagt, bezüglich der Wohnraumüberwachung bekämen wir das „liberalste Polizeigesetz, das Hessen jemals gehabt habe“. Herr Kollege Greilich, Sie wollen im Polizeigesetz zum ersten Mal das Betreten von Wohnungen zum Zwecke der Manipulation an Informationssystemen regeln. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist eines der zentralen Grundrechte. Sie wollen dieses Grundrecht in dem Bereich des Polizeigesetzes, wo es um die Gefahrenabwehr geht, geradezu abschaffen. Es geht hier nicht um Strafverfolgung; da ist das möglich. Es geht hier nicht um den Verfassungsschutz, nicht um die Verfolgung von Terroristen. Es geht hier auch nicht um etwas, was das BKA-Gesetz regelt.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Nein, es geht hier um die Gefahrenabwehr, also um Maßnahmen im Vorfeld von Straftaten. So zu argumentieren, derartige Einschnitte in Grund- und Freiheitsrechte zu fordern, ist das Gegenteil von liberal, Herr Kollege Greilich. Das ist eben nicht liberal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

– Her Kollege Beuth, ein bisschen ruhiger. Auch in Ihrem Alter sollte man auf den Blutdruck achten.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Herr Kollege Greilich, es ist nicht nur die böse Opposition, die das behauptet. Wenn Sie sich einmal die Pressemitteilungen der Jungen Liberalen – das ist die Jugendorganisation der FDP – anschauen, dann lesen Sie Folgendes:

Für uns JuLis steht jedoch nach wie vor fest, dass wir Einführung und Nutzung von Kennzeichenlesegeräten ebenso wie die Rasterfahndung strikt ablehnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Greilich, es ist eben nicht die böse Opposition – nicht die Linkspartei, nicht die GRÜNEN, nicht die SPD –, sondern es ist die Jugendorganisation der Liberalen, die das geschrieben hat. Wenigstens das sollten Sie sich zu Herzen nehmen und sich nicht hier vorne hinstellen und behaupten, dass das das „liberalste Polizeigesetz“ sei, das Hessen jemals gehabt habe. Sie verhöhnen damit sogar Ihre eigenen Parteimitglieder, Herr Kollege Greilich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der FDP)

Die Jungen Liberalen gehen noch ein Stück weiter. Bei der vorgesehenen Quellen-TKÜ – –

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Kollege, die Redezeit ist um. Bitte kommen Sie zum Schluss.

Jürgen Frömmrich:

Herr Kollege Greilich, die Jungen Liberalen sagen, bei der vorgesehenen Quellen-TKÜ haben sie erhebliche Bedenken, wie deren exakte technische Umsetzung erfolgen kann, ohne die Beschlüsse des Parteitages der FDP von Rotenburg zu verletzen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, Sie haben es mit einer sehr komplexen Materie zu tun. Wir haben es mit tiefen Eingriffen in Bürger- und Freiheitsrechte zu tun. Das ist nicht das „liberalste Polizeigesetz“, das Sie hier vorlegen, sondern dass sind tiefste Eingriffe in Bürger- und Freiheitsrechte. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke sehr, Herr Frömmrich.

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