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25.03.2010
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich zum Einsatz von Körperscannern auf deutschen Flughäfen

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau, wie wir das vorhin bei der Diskussion über den Rechtsextremismus getan haben, sollten wir hier vereinbaren, dass wir im Ausschuss noch einmal intensiver über dieses Thema reden sollten. Herr Kollege Bellino, so, wie Sie das da aufschreiben, ist es sehr einseitig und beleuchtet nicht alle Aspekte, die man braucht, wenn man über Luftsicherheit und Kontrollen an Flughäfen redet. Sie blenden da verschiedene Bereiche einfach aus.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Ich komme gleich zum Punkt. Du kannst ganz ruhig bleiben, dann sind wir gleich dabei.

Ihr Text fußt noch immer auf der Ideologie, die Technik werde es schon richten. Sie begreifen nicht, dass technische Neuerungen nur ein Teil der Lösung sind – wenn überhaupt.

Herr Kollege Bellino, im Grundsatz aber begrüßen wir die neue Linie, die offensichtlich bei CDU und FDP aufgekommen ist, und zwar kommen Sie von der Forderung „Körperscanner überall“ mittlerweile zu einer sehr differenzierten Prüfung. Sie sprechen von einem Prüfauftrag und sagen, wir wollen erst einmal schauen, was das überhaupt bringt. Sie sagen: Bedenken ausräumen beim Schutz von Persönlichkeitsrechten und bei gesundheitlichen Schäden – bis hin zu der Frage, dass da Leute nicht nackt dargestellt werden, sondern dass das anders geschieht. Sie sind da schon ein bisschen differenzierter geworden.

Gleichwohl muss man doch daran erinnern, wie diese Debatte eigentlich entstanden ist. Es ist schon ein bisschen komisch, wie solche Debatten entstehen und sich weiterentwickeln.

Eigentlich hat diese Debatte beim Detroit-Bomber angefangen. Vielleicht erinnern Sie sich. Es ging um Sprengstoff, der in der Unterwäsche versteckt war.

Nachdem klar war, dass der den Flieger besteigen konnte, gab es eine breite Debatte darüber, dass man offensichtlich die Sicherheitsvorkehrungen an Flughäfen erweitern muss und dass man Nachtscanner braucht.

Das Problem bei diesem Fall lag aber ganz anders. Darüber ist aber eigentlich überhaupt nicht diskutiert worden. Das Problem bestand darin, dass alle Daten über die Person, um die es da ging, die Informationen über die Gefährdung durch diese Person, allesamt beim Staatsschutz, bei den US-amerikanischen Behörden vorlagen. Aber durch die Fülle an Informationen, die mittlerweile bei den amerikanischen Behörden gesammelt werden, ist die Information, dass es sich um einen Gefährder handelt, der nicht nach Amerika einreisen dürfe und der vor allen Dingen keine Flugzeuge besteigen soll, gar nicht an den Flughafen gekommen, an dem er abgeflogen ist.

Das ist das eigentliche Problem – nicht die Untersuchung. Das Problem war, dass er diesen Flieger gar nicht hätte besteigen dürfen. Meine Damen und Herren, darüber ist überhaupt nicht diskutiert worden. Stattdessen haben Sie diese Debatte über die Nacktscanner angefangen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Bellino, wir müssen aber noch über einen zweiten Punkt intensiv reden. Ich bin sehr dafür, dass wir differenziert darüber reden. Das Problem ist doch, dass Sie einen Teil vollständig ausblenden. Sie sagen: Bei der Abfertigung an Flughäfen müssen wir technisch auf ganz hohem Niveau sein. Bei den Beschäftigten jedoch bewegen Sie sich im Niedriglohnsektor. Meine Damen und Herren, das aber passt nicht zusammen. Darüber muss geredet werden. Es muss darüber geredet werden, warum wir mittlerweile fast an allen Flughäfen die Sicherheitsbeamten abgeschafft und durch private Sicherheitsdienste ersetzt haben, die ihre Arbeit zum Billiglohn verrichten.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Sie werden schlecht bezahlt. Sie werden schlecht ausgebildet. Sie stehen unter permanentem Stress. Sie sind wirklich bis über die Halskrause mit Arbeit eingedeckt.

Herr Kollege Bellino, ich würde Ihnen einmal empfehlen: Fahren Sie an den Frankfurter Flughafen und reden Sie mit den Kollegen von ver.di. Die werden Ihnen genau erzählen, dass wir hier ein Problem haben.

Herr Kollege Bellino, es geht also nicht nur um Technik, sondern wir müssen auch über die Menschen und deren Beschäftigungsverhältnisse reden. Dann erst wird die Sache rund.

Ich will noch einen Punkt anmerken, und zwar zu der Ideologie, die dahintersteckt: „Die Technik wird es schon richten“.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Herr Kollege Bellino, es gibt auch heute schon – das hat neulich ein Anschlag auf einen saudi-arabischen Prinzen gezeigt, der bei einem Sprengstoffanschlag getötet wurde – Möglichkeiten, Sprengstoff im Körper zu tragen, den Sie mit Scannern überhaupt nicht entdecken. Mit dieser Scannerdebatte, die Sie gerade führen, spiegeln Sie eine Sicherheit vor, die letztendlich dazu führen kann, dass Sie sagen: „Der ist durch den Scanner gegangen, der ist sicher, den lasse ich in den Flieger“. Aber der trägt dann unter Umständen Sprengstoff im Körper, und das wird nicht entdeckt.

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Frömmrich, Sie müssen zum Schluss kommen.

Jürgen Frömmrich:

Herr Präsident, ich komme sofort zum Schluss. – Sie sind in einer Weise technikgläubig, dass Sie vergessen, dass es ganz viele Parameter gibt, die dafür zuständig sind, wie Sicherheit an Flughäfen sichergestellt werden muss.

Letzter Satz. Wir finden, dazu gehören technische Mittel. Wir finden, dazu gehört gut ausgebildetes, gut bezahltes Personal. Aber dazu gehört auch, die Grenzen der Technik zu erkennen und nicht jeder Technik hinterherzulaufen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Kollege Frömmrich.

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