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26.09.2012
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung befristeter Rechtsvorschriften

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegin Hofmann hat im Prinzip das gesagt, was es dazu zu sagen gibt. Um es hier zu hinterlegen, will ich noch drei Argumente anführen, die Sie sich einmal durch den Kopf gehen lassen sollten.

Die Befristung von Gesetzen – ich habe das beim letzten Mal auch gesagt – war eines der Leuchtturmprojekte des damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch. Er hat gesagt, durch die Befristung der Gesetze würde man beim oder kurz vor Ablauf der Geltungsdauer der Gesetze schauen: Braucht man die Gesetze noch? Gibt es Nachsteuerungsbedarf? Das sei ein eminenter Beitrag für die Verwaltungsreform und unter Umständen auch für das Straffen oder das Abschaffen von gewissen gesetzlichen Regelungen.

Man sieht schon, dass Sie in Teilen in die Richtung derer argumentieren, die in den vergangenen Jahren immer gesagt haben: Es macht keinen Sinn, die Hessische Kommunalverfassung, also z. B. die Landkreisordnung, außer Kraft zu setzen. Jetzt sagen Sie: Solche Gesetze befristen wir nicht mehr. Die haben im Prinzip keine Frist. Dann befristen wir Gesetze für fünf oder für acht Jahre, je nachdem, welche Wertigkeit diese Gesetze haben.

Jetzt sage ich Ihnen: Diese Befristungen machen grundsätzlich nur dann Sinn, wenn man sich mit dem Inhalt des Gesetzes vor dessen Ablauf beschäftigt, diese Gesetze evaluiert, und wenn sich der Gesetzgeber – der Gesetzgeber ist ausdrücklich der Hessische Landtag und nicht die Hessische Landesregierung –, der Landtag, mit seiner Gesetzgebungskompetenz befasst und schaut: Wo muss eventuell nachgesteuert werden? Wo fragen wir nach? Wen hören wir an?

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Kollege Frömmrich, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Hofmann zu?

Jürgen Frömmrich:

Natürlich, gern!

Heike Hofmann (SPD):

Herr Frömmrich, halten Sie es für tunlich, dass während der Gesetzesberatung aus dem Hause des Justizministeriums der Justizminister und stellvertretende Ministerpräsident demonstrativ Zeitung liest?

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn: )

Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Jeder muss selbst wissen, wie er sich in diesem Hause benimmt. Da gibt es von meiner Seite keine Vorschläge. Aber wir haben es hier schon einmal gehabt, dass man hier Gesetze einbringt und sich dann in die Stadtverordnetenversammlung verabschieden will. Das muss jeder selbst wissen. Ich würde der Gesetzesberatung folgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE) – Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Die Evaluierung der Gesetze, und zwar nicht durch die Hessische Landesregierung, sondern die Evaluierung der Gesetze durch den Gesetzgeber, nämlich den Hessischen Landtag, wäre angebracht gewesen. Es wäre durchaus wichtig, einen Blick auf einige Gesetze zu werfen.

Ich will zwei Gesetzesvorhaben erwähnen, von denen ich meine, dass man dort dringend hineinschauen muss. Sie erinnern sich, dass wir im Landtag über ein Hessisches Spielhallengesetz diskutiert haben. Da gab es unter den Fraktionen unterschiedliche Auffassungen. Letztendlich ist ein Gesetz beschlossen worden. In diesem Gesetz gibt es Regelungen, wie z. B. das Rauchverbot, das Verbot von Ausschenken von Alkohol, das Festsetzen von Höchsteinsätzen und Regelungen zu Öffnungszeiten. Das wurde da geregelt, weil man sagt: Das ist ein Beitrag zur Suchtprävention. Wir wollen nicht, dass diese Spielhallen den ganzen Tag offen sind. Man hat Abstandsgebote zu Kindergärten und anderes geregelt.

Wir verlängern jetzt gerade das Hessische Spielbankgesetz. Es wäre aller Ehren wert gewesen, dazu Sachverstand zu hören. Sie müssen mir erklären, warum wir bei den Spielhallen die gesetzlichen Auflagen machen und sagen: „Nicht rauchen, kein Alkohol, gewisse Limits bei den Einsätzen“, beim Kleinen Spiel der Spielbank, wo auch Spielautomaten stehen, aber überhaupt keine gesetzlichen Regelungen machen. Die können tun, was sie wollen. Da gibt es meiner Auffassung nach durchaus Bedarf, auch im Sinne der Suchtprävention. Da werden im Übrigen wesentlich höhere Summen verspielt als in den ganz normalen Spielhallen. Es wäre wirklich aller Ehren wert gewesen, sich das einmal vorzunehmen und diesen Sachverhalt abzuklären. Man kann nachher zu der Auffassung kommen: „Aus dem und dem Grund ist das nicht so.“ Aber es wäre die Aufgabe des hessischen Gesetzgebers – das ist der Hessische Landtag –, sich wenigstens damit zu beschäftigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Zweiter Punkt.

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

– Dritter Punkt. Danke fürs Mitzählen.

(Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

Die Kollegin Hofmann hat es auch schon genannt: das Hessische Friedhofs- und Bestattungsgesetz. Der Innenminister hat uns im Innenausschuss erklärt, dass es dort Regelungsbedarf gibt. Dann ist vonseiten der Verwaltung gesagt worden: „Nein, wir werden das nur verlängern.“ Es gibt aber Regelungsbedarf. Das wissen wir aus der großen Anhörung, die wir im Innenausschuss zum Friedhofs- und Bestattungsgesetz durchgeführt haben. Wir wissen, dass es Regelungsbedarf gibt, insbesondere hinsichtlich Bestattungen anderer Religionsgemeinschaften und anderer Riten.

Da gibt es Nachholbedarf. Gerade auch in Richtung des Integrationsministers sage ich, dass es vielerlei Forderungen auch von den Verbänden gibt, in diesem Bereich etwas zu tun und gesetzliche Regelungen zu schaffen. Es gibt zwar den Einwand, manche Großstädte würden das bereits machen. Da wir aber die zweite, dritte, sogar die vierte Generation derer haben, die hier leben, sollten wir ihren Verwandten die Möglichkeit geben, ihre Hinterbliebenen ordentlich und anständig nach ihren Riten zu beerdigen. Das sind wir den Menschen schuldig, die hier seit Jahren leben. Es gibt Nachsteuerungsbedarf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ein weiteres Beispiel ist die Frage der Leichenschau. Ich habe es schon mehrfach gesagt: Von den Kriminologen gibt es die Anforderung an uns, hinsichtlich der Leichenschau Regelungen zu treffen, die besser sind als das, was wir jetzt haben. In dem Bestattungsgesetz ändern Sie auch etwas, Sie führen einen zusätzlichen Durchschlag ein. Aber das generelle Problem zu lösen – indem eine qualifizierte Leichenschau vorgeschrieben wird –, das tun Sie nicht. Es gibt also Regelungsbedarf.

Deswegen lehnen wir diesen von Ihnen vorlegten Gesetzentwurf ab – nicht, weil wir in dem einen oder anderen Fall nicht glauben, dass man hier oder da ein Gesetz verlängern sollte. Die Kritik bezieht sich auf den grundsätzlichen Umgang mit diesem Parlament. Wenn Sie Gesetze verlängern, dann geben Sie dem Landtag bitte die Möglichkeit, sich auch intensiv damit zu beschäftigen, zu evaluieren, darüber zu diskutieren und unter Umständen Nachsteuerungsbedarf in die Debatte zu bringen. Das machen Sie aber nicht, daher werden wir dieses Gesetz ablehnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

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