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18.11.2010
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Skandale in der hessischen Polizei

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bauer, das Problem ist folgendes: das, was Sie hier gerade abgeliefert haben – auch gerade das, was Sie auf die Kurzintervention der Kollegin Faeser hin gesagt haben – lief nach dem Motto: da sind 18.000 Polizeibeamte, und da sind Einzelfälle. Daraus sollte man nicht so einen großen Aufriss machen.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Herr Bauer, genau das ist das Problem der Vergangenheit. Ganz genau das hat dieser ehemalige Innenminister immer getan. Deswegen haben wir heute die Probleme bei der hessischen Polizei, und deswegen diskutieren wir auch darüber.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es muss doch auch Ihnen Anlass dazu geben, einmal darüber nachzudenken, ob da irgendetwas nicht rund läuft, wenn seit Wochen oder fast seit Monaten die Führungsebene der hessischen Polizei durch alle Zeitungen und alle Gazetten getrieben wird – mit Vorwürfen, die keine Petitessen sind, sondern mit eklatanten Vorwürfen bis hin zur Verfolgung Unschuldiger. Sie stellen sich dann hier her und tun so, als sei das alles in einem Apparat von 18.000 Beamtinnen und Beamten etwas, was eben mal vorkommen kann. Das ist eben nicht der Fall. Es geht hier um die Führungsetage der hessischen Polizei. Deswegen sollten Sie anders darüber reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Es besteht überhaupt kein Streit zwischen uns. Dieser neue Innenminister hat, nachdem er sein Amt angetreten hat, gewisse Entscheidungen getroffen, die auch bei uns durchaus auf Zustimmung treffen. Zu der Art, wie er den Beauftragten für die Polizei eingesetzt hat, sage ich gleich noch etwas dazu. Sie haben gerade auch in den höchsten Tönen diesen neuen Innenminister als stattlichen und neu im Amt angekommenen gelobt. Das war fast schon so etwas wie eine

(Zurufe von der CDU)

kleine Liebeserklärung. Ich wollte das etwas anders ausdrücken. Herr Kollege Bauer, wo Sie das alles so erwähnt haben, hat nur noch gefehlt, dass Sie gesagt haben: „im Unterschied zu seinem Vorgänger“. Das hätten Sie noch anfügen müssen. Denn dann wäre die ganze Sache perfekt gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist nämlich das Problem. Deswegen diskutieren wir es nicht nur anhand dieses neuen Innenministers, sondern deswegen diskutieren wir auch die Verantwortung des heutigen Ministerpräsidenten und ehemaligen Innenministers. Deswegen bitte ich darum, dass wir das nicht wieder tun. Es sind keine Einzelfälle, über die wir diskutieren.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Es ist eine Fülle von Fällen, die vorgekommen sind. Diese Fülle von Fällen sollten wir auch analysieren.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Wir sollten sie auch bewerten. Deshalb hat meine Fraktion einen Vorschlag in die Debatte eingebracht, in dem wir sagen: Wir wollen jemanden haben, der extern ermittelt und sich genau anschaut, was da eigentlich vorgekommen ist und welche Strukturen eigentlich zu welchen Problemen geführt haben. Derjenige soll dann einen Bericht abgeben und sagen, wie Lösungsvorschläge aussehen sollten. Das ist ein Vorschlag, den wir in die Debatte eingebracht haben. Das hat überhaupt nichts mit dem Einmischen in staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu tun. Aber ich glaube, dass man hier grundsätzlich einmal analysieren muss, warum es überhaupt zu solchen Problemen gekommen ist und wie wir diese Probleme abstellen können. Das ist eben nicht die Art, wie Sie mit dem Problem umgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und Abgeordneten der LINKEN)

Man muss auch dazu sagen, dass Sie erst gehandelt haben, als das Wasser Ihnen Unterkante Oberlippe stand. Erst dann, als alles nicht mehr zu halten war, hat doch der neue Innenminister gehandelt und den Landespolizeipräsidenten Nedela in den Ruhestand versetzt.

Dann kam die Frage, was mit der LKA-Präsidentin Thurau ist. Erst ist gesagt worden: Unschuldsvermutung, schauen wir, wie es ausgeht. Nachher ist sie auch von ihrem Amt entbunden worden.

Jetzt diskutieren wir über den Präsidenten der Frankfurter Polizei, Herrn Thiel, der sich offensichtlich auch in staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingemischt hat. Zumindest berichten die Zeitungen darüber.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Es sind doch keine Petitessen, über die wir hier reden. Es sind ernsthafte Probleme in der Führungsstruktur der hessischen Polizei. Tun Sie endlich etwas, damit sich diese Führungsstrukturen ändern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist doch nicht die böse Opposition gewesen, die über Probleme in der Führungsstruktur geredet hat. Es ist doch dieser Innenminister gewesen, der als Staatssekretär beim Gewerkschaftstag der Gewerkschaft der Polizei zugegeben hat, dass es Führungsprobleme innerhalb der hessischen Polizei gibt. Wenn Sie die Erkenntnis haben, dass es diese Führungsprobleme gibt, dann sollten Sie endlich auch handeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Was müssen wir hier Revue passieren lassen? Wir haben es mit einem ehemaligen Landespolizeipräsidenten Nedela zu tun, der in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist. Wir diskutieren mit diesem Ministerpräsidenten und ehemaligen Innenminister seit Jahren darüber, wie die Führung der hessischen Polizei organisiert ist und wie die Führungsstruktur und die Führungskultur dieses Landespolizeipräsidenten war. Es ist immer gesagt worden: Das stimmt alles nicht, das ist alles Quatsch, die Opposition macht nur Klamauk. – Jetzt haben wir es, der neue Innenminister hat ihn in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

„Einzelfall“ Thurau. Schauen Sie sich bitte die Berichte über das an, was im Zusammenhang mit Frau Thurau vorgeworfen wird. Sie soll in einem Prozess gegen Kriminalbeamte gelogen haben. Das ist doch kein Vorwurf, den man gerade so wegwischen kann. Das ist die Präsidentin des Hessischen Landeskriminalamtes. Es gibt den Vorwurf, dass sie im Prozess gelogen hat. Dann gibt es einen zweiten Vorwurf, dass sie Unschuldige verfolgt hat. Schauen Sie sich an, was dann weiter berichtet wird in der „Frankfurter Neuen Presse“:

Drei Kripobeamte durchwühlen heimlich das Büro ihres Chefs, sammeln monatelang angeblich belastende Unterlagen gegen ihn und übergeben diese, sauber abgeheftet in einem Ordner, an Frankfurts damalige Polizeivizepräsidentin Sabine Thurau …

Was sind das für Zustände innerhalb der hessischen Polizei?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Da durchsuchen Beamte die Dienstzimmer von Kollegen, da wird denunziert, da wird bespitzelt,

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

und da sagen Sie, das ist ein ganz normaler Vorgang und wir haben kein Problem mit der Führungskultur der hessischen Polizei? Natürlich, das sind Indizien dafür, dass wir diese Probleme haben, und diese Probleme müssen endlich abgestellt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Dann wird behauptet, man habe sich nicht eingemischt. Hier kann man dem Hessischen Rundfunk lauschen. In hr-Info wird gesagt:

LKA-Chefermittler notiert: 22.08.2006, 15:30 Uhr; Anruf Thurau. Sie will den Kollegen B. zur Aussage gegen Z. animieren.

Weiter:

25.05.2007: Frau Thurau ist jedes Ergebnis der Ermittlungen recht, nur nicht die Einstellung des Verfahrens.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist das? Wo ist da die Unschuldsvermutung gegen andere? Warum kommt Unschuldsvermutung immer nur ins Gespräch, wenn es um die oberen Etagen der hessischen Polizei geht und nicht, wenn es darum geht, wie mit ganz normalen Beamtinnen und Beamten umgegangen wird?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Dann schreibt der Polizeipräsident Thiel auch noch einen Brief an die Strafverfolgungsbehörden, in dem er auffordert, weiterzuermitteln.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

– Nein, Bananenrepublik, das würde ich mir einmal aufschreiben und heute Abend, wenn man zu Hause sitzt, vielleicht noch einmal nachdenken, was man gerade gesagt hat, Herr Kollege.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Dann wird berichtet über den Brief, den Herr Thiel geschrieben hat.

Justus Koch, der die Ermittlungen gegen Fahndungschef Z. leitete, hatte vorige Woche in einem von Z. geführten Zivilprozess eine andere Aussage gemacht: Die Polizeiführung sei im Laufe des Verfahrens von der Staatsanwaltschaft informiert worden, dass die Ermittlungen gegen Z. – wenn überhaupt – wohl nur dienstrechtliche Vergehen ans Licht bringen könnten. Dennoch habe das Präsidium auf weiteren Ermittlungen bestanden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist denn hier mit der Unschuldsvermutung? Wo ist hier die Unschuldsvermutung? Selbst die Staatsanwaltschaft sagt gegenüber dem Präsidenten der Frankfurter Polizei: Da ist nichts dran, wenn überhaupt, etwas Dienstrechtliches, dagegen müsst ihr dienstrechtlich vorgehen. – Trotzdem wird gesagt: Wir wollen aber, dass weiterermittelt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da stimmt etwas mit der Führungskultur innerhalb der Polizei nicht. Sie sind aufgefordert, endlich etwas an diesem Zustand zu ändern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Es gäbe noch viel zu sagen. Wir könnten hier noch Skandale, Skandälchen, Pannen, Pleiten aufführen, alles aus der Vergangenheit des heutigen Ministerpräsidenten und ehemaligen Innenministers.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Was wir gerade in der Öffentlichkeit diskutieren, ist nicht wunderschön. Es ist auch gerade ein Problem für die vielen Beamtinnen und Beamten, die ihren Dienst ordentlich versehen. Aber die Frage, die sich stellt, ist doch: Was für ein Haus hat dieser Ministerpräsident seinem Nachfolger hinterlassen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Welche Art von Umgang, welche Art von Umgangsformen, welche Art von Führungskultur, Bespitzelungen, Denunziationen? Da werden Akten gesammelt, da werden Büros von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchsucht, nur damit man irgendwelche Dinge gegen andere in der Hand hat. Die Mobbingvorwürfe diskutieren wir schon seit Jahren im Innenausschuss.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Frömmrich, Sie müssen zum Schluss kommen, trotz des hohen Tempos.

Jürgen Frömmrich:

Ja, Herr Präsident, ich komme sofort zum Schluss. – Darüber diskutieren wir schon seit Jahren im Innenausschuss des Hessischen Landtags. Es sind eben keine Einzelfälle. Es ist ein Führungsproblem. Dieses Führungsproblem hat Boris Rhein als Staatssekretär sogar seinerzeit zugegeben. Es sind die Hinterlassenschaften des Ministerpräsidenten und ehemaligen Innenministers.

Sie sind aufgefordert als Mehrheit in diesem Haus, die die Regierung stellt, endlich dafür Sorge zu tragen, dass diese Führungsprobleme bei der hessischen Polizei abgestellt werden und dass wir eine neue, eine kollegiale Führungskultur in der hessischen Polizei bekommen.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke schön, Herr Frömmrich.

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