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27.02.2013
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Schaffung und Änderung hessischer Vollzugsgesetze

Vielen Dank. – Liebe Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass man bei dieser Debatte ein wenig abrüsten sollte. Denn ich glaube, es verbindet uns da mehr, als uns trennt. Ich glaube, Herr Kollege Honka hat das am Anfang seiner Rede gesagt. Es ist wirklich ein schwieriger Regelungsbereich, mit dem wir es hier zu tun haben. Deswegen sollte man da die Kirche im Dorf lassen.

Ich glaube, die Kolleginnen und Kollegen der CDU, der FDP, der SPD und der GRÜNEN sind sich da in der Grundtendenz einig. Auch ich will das noch einmal betonen: Das, was Herr Kollege Wilken hier vorgetragen hat, ist in einer Art und Weise unverantwortlich, dass einem dazu fast nichts mehr einfällt. Wir haben es da mit schweren und schwersten Verbrechern zu tun. In dieser Art und Weise hinsichtlich dieser Personengruppe zu argumentieren und zu diskutieren finde ich grob fahrlässig.

(Beifall bei Abgeordneten der des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP und Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Dann hat er auch noch gesagt, das eingesparte Geld könne man den Opfern und der Opferhilfe zur Verfügung stellen. Herr Kollege, das ist geradezu zynisch. Das muss ich wirklich am Anfang meiner Rede betonen.

Das Bundesverfassungsgericht hat uns den Auftrag gegeben, bis spätestens zum 31. Mai 2013 die Sicherungsverwahrung neu zu regeln. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorschriften des Strafgesetzbuchs über die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und die Vorschriften der Vollzugsgesetze der Länder für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Deshalb besteht Handlungsbedarf.

Wir reden jetzt nach der Durchführung der Anhörung in zweiter Lesung über den Gesetzentwurf der Landesregierung. Herr Minister, da das Bundesverfassungsgericht auch die Vollzugsgesetze der Länder für nicht verfassungsgemäß erklärt hat, will ich hier noch einmal darauf hinweisen, dass Herr Kollege Dr. Jürgens bereits in den Plenardebatten in den Jahren 2009 und 2010, als es um die Schaffung hessischer Vollzugsgesetze ging, darauf hingewiesen hat, Herr Minister, dass das, was Sie vorgelegt haben, so nicht machbar ist und den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts so nicht standhalten wird.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Er sagte damals:

Herr Minister, als völlig unzureichend sehe ich übrigens Ihre Regelung über die Sicherungsverwahrung an, der Sie gerade einmal drei magere Paragrafen widmen. Das wird den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts aus meiner Sicht sicherlich nicht gerecht.

Herr Minister, ich wollte das hier nur noch einmal hinterlegen. Ich weiß, dass es vertane Liebesmühe ist. Aber trotzdem sage ich es. Herr Kollege Honka, vielleicht sollten Sie das eine oder andere Mal die Vorschläge der Opposition aufgreifen. Vielleicht sollten Sie sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Herr Kollege Honka, Sie müssen das einfach einmal feststellen: Mehrheit ist nicht Wahrheit. – Ich habe es Ihnen gerade zitiert. Selbst die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion haben einmal festgestellt, dass diese Art der reflexhaften Ablehnung der Vorschläge der Opposition Regierungsarroganz ist. Herr Kollege Honka, Sie sollten dieses Verhalten vielleicht einmal ablegen.

(Beifall der Abg. Mathias Wagner (Taunus) und Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Hartmut Honka (CDU))

Herr Kollege Honka, ich habe während der ersten Lesung des Gesetzentwurfs gesagt, dass wir den Vorschlägen vom Grundsatz her positiv gegenüberstehen. Das hat im Großen und Ganzen auch die Anhörung zu dem Gesetzentwurf ergeben.

Alle Bundesländer hatten eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich auf gesetzliche Grundlagen zur Neuregelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung verständigt hat. Das sollte der Festlegung gemeinsamer Standards dienen. Das zu machen war sinnvoll und richtig.

Wenn man den Gesetzentwurf neben die Gesetzentwürfe anderer Bundesländer legt, stellt man fest, dass der hessische Entwurf immer eine Nummer – so möchte ich es einmal sagen – härter und immer eine Nummer weniger liberal ausgestaltet ist, als es die Entwürfe anderer Bundesländer oder das Muster, auf das sich die Bundesländer geeinigt haben, sind. Das sage ich ausdrücklich in Richtung des Justizministers von der FDP.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

An drei Punkten will ich das deutlich machen.

Der erste Punkt wurde bereits vorgetragen. Dieser Einwand wurde von der Vereinigung hessischer Strafverteidiger vorgebracht. Es geht um den Freigang. Dazu sagen sie, es sei möglich, das auf sechs Monate auszudehnen.

Der zweite Punkt ist die Nutzung des Außenbereichs. Ich zitiere hier einmal:

Während der Musterentwurf vorsieht: „Die Untergebrachten dürfen sich in den für sie vorgesehenen Bereichen der Einrichtung einschließlich der Außenbereiche frei bewegen“,

ist der hessische Entwurf so: Ein Aufenthalt im Freien von mindestens einer Stunde täglich ist vorgesehen.

Daran sehen Sie, das ist in der Tat ein Unterschied.

Wir haben es hier nicht mit Strafgefangenen zu tun, sondern mit Personen, die sich in Sicherheitsverwahrung befinden. Das Bundesverfassungsgericht hat hier ausdrücklich ein Abstandsgebot festgelegt. Die Therapie und auch die Möglichkeit, sie wieder in Freiheit zu entlassen, ist eine der großen Vorgaben, die hier erfüllt werden sollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen weiteren Punkt will ich kurz erwähnen. Auch er kam in der Anhörung zur Sprache. Ich will es kurz zitieren, es geht um die Unterbringung, also die Zimmer. Ich will das kurz zitieren. Es wird darauf eingegangen, dass gesagt wird, bei uns sind es 18 m2, aber beispielsweise einen abgetrennten Sanitärbereich gibt es nicht. Herr Justizminister, dazu muss man sagen: Die Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern regeln, dass es einen abgetrennten Sanitärbereich geben soll. Ich glaube schon, hier hätte man andere Regelungen treffen können.

Meine Damen und Herren, ich habe es gerade schon gesagt: Wir haben es hier mit Sicherungsverwahrung zu tun, nicht mit Haft. Die Sicherungsverwahrung soll sich deutlich von der Haft unterscheiden. Die Strafe hat der Täter schon verbüßt. Deswegen müssen wir bei diesen Regelungen ganz besonders vorsichtig sein, und in diesem Punkt muss man den Blick auf das Bundesverfassungsgericht halten.

Meine Damen und Herren, die Regelungen, die hier getroffen werden, sind ein Balanceakt, ein schwieriger Balanceakt – der Kollege Honka hat da vollkommen recht – zwischen den Sicherheitsinteressen des Staats und seinen Bürgerinnen und Bürgern auf der einen Seite und dem Recht auf Freiheit bzw. die Einschränkung des Rechts auf Freiheit auf der anderen Seite.

Am Ende will ich noch kurz das Thema Arbeitspflicht ansprechen. Frau Kollegin Hofmann hat es schon gesagt, und wir haben es auch in der Anhörung gehört: Die Praktiker haben gesagt, die Motivation zur Arbeit ist genau der Punkt, an dem man mit den Sicherungsverwahrten in Kontakt tritt, an dem man mit ihnen Gespräche führen kann, wobei man Leute, die ansonsten vielleicht nicht therapiefähig sind, an tägliche Arbeitsabläufe gewöhnen kann. Denn man will sie ja auf die Freiheit vorbereiten. Das ist Ziel dieser Maßnahme. Deswegen halten wir diese Idee für sehr richtig und den Vorschlag der SPD für gut.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Deswegen wiederhole ich es: Wir haben diese Vorschläge gemacht. Sie haben sie im Ausschuss leider abgelehnt. Mehrfach haben wir darauf hingewiesen, dass wir ansonsten Ihrem Gesetzentwurf in den Grundzügen zustimmen können. Aber es gehört auch dazu, dass Sie auf die Opposition zugehen. Das haben Sie nicht getan. Deswegen werden wir uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf enthalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich. Das war eine Punktlandung.

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