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11.12.2012
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Regierungserklärung des Hessischen Ministers des Innern: „Hessen – mit Sicherheit in die Zukunft“

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon sehr freundlich vom Kollegen Greilich, dass er mich angekündigt hat. Ich nehme das sehr gerne auf und gebe ein Kompliment zurück. Herr Greilich, Sie haben es in den 20 Minuten, in denen Sie hier als Freidemokrat, als Mitglied der FDP, geredet haben, geschafft, die Worte Bürger, Freiheit, Menschenrecht im Zusammenhang mit innerer Sicherheit kein einziges Mal in den Mund zu nehmen. Herr Kollege Greilich, das ist bezeichnend für den Zustand der FDP.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))
Man kann einen schönen Gruß vom Hessentrend senden. Die Linkspartei ist noch dabei, Sie nicht mehr. Das ist eine Erkenntnis der letzten Woche.
(Zuruf der Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU) und Peter Beuth (CDU))
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man über den Punkt innere Sicherheit diskutiert, muss man die Arbeit der Beamtinnen und Beamten bei der Polizei, die täglich einen gefährlichen Dienst verrichten, würdigen und am Anfang einer Rede den Menschen, die dieser Arbeit nachgehen, ein herzliches Dankeschön ausrichten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP)
Ohne die Beamtinnen und Beamten bei der hessischen Polizei wäre unser Land nicht so sicher und würden auch die Bürger- und Menschenrechte nicht durchgesetzt und umgesetzt. Von daher gilt ihnen unser Dank.
(Beifall des Abg. Peter Beuth (CDU))
Aber ich sage auch – Herr Kollege Beuth, gestatten Sie mir das; vielleicht sehen Sie es mir auch nach –: Das tun die Beamtinnen und Beamten so gut und so engagiert nicht wegen dieser Landesregierung, sondern trotz dieser Landesregierung. Ich glaube, das muss deutlich festgestellt werden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))
Herr Kollege Beuth, es ist auch erstaunlich, dass Sie die Regierungserklärung mit den Worten überschreiben: „Hessen – mit Sicherheit in die Zukunft“. Dass der Innenminister hier zwar 20 Minuten zu „Hessen – mit Sicherheit in die Zukunft“ redet, aber über die Zukunft und wie die Zukunftsgestaltung im Zusammenhang mit der hessischen Polizei aussieht, keines oder nur wenige Worte verliert, das zeigt, dass dieser Innenminister die Überschrift seiner Regierungserklärung offensichtlich nicht gelesen hat.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))
Sie haben sich wie immer in den vergangenen Jahrtausenden bewegt. Das muss man schon fast sagen. Herr Innenminister, bei jeder Erklärung, die Sie hier abgeben – auch bei den Entgegnungen von Herrn Greilich hat man es wieder gehört –, frage ich mich förmlich: Was würden Sie eigentlich machen, wenn Sie das Jahr 1999 nicht permanent hier wiederkauen könnten, wenn Sie nicht einen Rückgriff auf rot-grüne Zeiten machen könnten?
(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))
Herr Innenminister, was würden Sie eigentlich tun? Ich glaube, dann würde Ihnen der Stoff ausgehen, über den Sie hier reden könnten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Alexander Bauer und Horst Klee (CDU))
Es ist absurd, was Sie hier tun: Auf der einen Seite ziehen Sie das Jahr 1999 heran – ich komme dazu noch bei einem anderen Punkt im Zusammenhang mit der Ausstattung der Polizei und dem Personalbestand –, auf der anderen Seite loben Sie sich aber dafür, dass Hessen das Modell der zweigeteilten Laufbahn entwickelt hat. Herr Innenminister, dieses Modell hat Rot-Grün beschlossen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Nehmen Sie das doch endlich einmal zur Kenntnis. Entweder meckern Sie über 1999, oder Sie schweigen still. Dann schweigen Sie aber bitte auch still, was die zweigeteilte Laufbahn angeht. Das hat der ehemalige Innenminister Herbert Günther zu verantworten gehabt, und wir haben es umgesetzt – nur um der Wahrheit einmal die Ehre zu geben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))
Herr Innenminister, es wundert einen schon: Ich habe gestern Abend in Vorbereitung auf diese Regierungserklärung die Regierungserklärung vom letzten Jahr gelesen.
(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))
Da kam mir in den Sinn: The same procedure as every year. Herr Innenminister, was Sie hier vortragen, ist immer das Gleiche. Sie gehen auf die Statistiken ein. Sie gehen auf die Beamtenzahlen ein. Das tragen Sie hier jedes Mal vor. Herr Innenminister, es wird nicht dadurch besser, dass Sie es permanent wieder vortragen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Peter Beuth (CDU): Zukunftsentwurf! Was ist jetzt mit der Zukunft?)
Ich will an einigen Punkten darauf eingehen. Sie loben sich für die Aufklärungsquote von 58,5 Prozent.
(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))
Sie sagen, dass die Fallzahlen in der Kriminalstatistik rückläufig sind. Vorhin haben Sie erwähnt, dass diese Zahlen rückläufig sind. Herr Innenminister, es ist doch eine Selbstverständlichkeit: Jeder im Hause freut sich, wenn in Hessen die Kriminalitätsrate sinkt und die Aufklärungsquote steigt. Das ist doch unstrittig. Deswegen muss man das in diesem Hause nicht betonen.
(Zurufe der Abg. Hans-Jürgen Irmer und Peter Beuth (CDU))
Herr Innenminister, Sie sind eben bei dem, was Sie hier sagen – –
(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))
– Herr Beuth, lesen Sie sich nachher einmal Ihre Zwischenrufe durch, dann wissen Sie, wie man die einzuordnen hat, was die Intelligenz angeht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU)
48,5 Prozent sind eben nicht Spitze, Herr Innenminister. Das ist kein Spitzenplatz. Wenn Sie sich einmal die Polizeiliche Kriminalstatistik anschauen, werden Sie sehen, dass das im Bundesvergleich der Platz 6 ist.
(Zuruf des Ministers Boris Rhein)
Nein, in der Bundeskriminalstatistik aus 2011 – vielleicht lesen Sie die einmal – sind Sie mit 58,5 Prozent auf Platz 6. Herr Innenminister, das ist kein Spitzenplatz, und das wiederum ist eine Tatsache. Nehmen Sie das doch endlich zur Kenntnis.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))
Vizepräsident Lothar Quanz:
Herr Frömmrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Bauer?
Jürgen Frömmrich:
Nein. Herr Kollege Bauer hat gleich noch Zeit, darauf einzugehen. – Hinsichtlich der Fallzahlen sagen Sie auch, dass Sie Spitze sind. Das tragen ihre ja noch nicht einmal vor. Das wäre das einzige Argument, es einmal intelligent vortragen zu können, indem man sagt, pro 100.000 Einwohner ist man auf einem Platz 4. Das ist kein schlechter Wert, das will ich deutlich zugestehen.
(Zuruf des Ministers Boris Rhein)
Aber es ist keine Spitzenleistung, auf Platz 4 zu sein. Auch das ist eine Tatsache, Herr Innenminister.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))
Sie sind nicht nur Innenminister, Sie sind auch Sportminister. Als solcher müssten Sie wissen, dass man auf Platz 1, Platz 2 und Platz 3 auf das Treppchen kommt und eine Medaille erhält. Auf Platz 4 belegt man keinen Spitzenplatz, Herr Sportminister. Nehmen Sie das einfach einmal zur Kenntnis.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD) – Zuruf von der CDU)
Herr Greilich, Sie sagten eben, Sie wollten über Tatsachen reden. – Lesen Sie einfach einmal die Polizeiliche Kriminalstatistik des Landes. Lesen Sie dann die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundes. Und dann vergleichen Sie die einmal untereinander, dann sehen Sie, dass Sie nicht Spitze sind. Wenn Sie es nachlesen – ich hoffe, dass bei Ihnen auch das sinnerfassende Lesen auch zum Durchgriff kommt –, stellen Sie fest, dass wir nicht Spitze sind. Das gilt auch für Einzeldelikte. Wir sind bei Sachbeschädigung nicht Spitze. Wir sind bei Betrug nicht Spitze. Wir sind bei Raub nicht Spitze. Wir sind selbst bei Mord nicht Spitze und liegen mit der Aufklärungsquote auf Platz 7. Das ist nicht Spitze, Herr Innenminister. Nehmen Sie es bitte einmal zur Kenntnis.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))
Ich stelle fest, dass wir uns einig sind – auch das ist wohl eine Tatsache –, dass wir in diesem Bereich nicht Spitze, sondern Mittelmaß sind. Es muss aller Anstrengung eines Innenministers bedürfen – was die Aufklärungsquote und was die Kriminalitätsbelastung für die Bürgerinnen und Bürger angeht –, besser zu werden. Für die Wochen, die Sie noch haben: Nehmen Sie sich vor, noch besser zu werden, Herr Innenminister.
Der Herr Innenminister hat auch erklärt, dass es viele Deliktgruppen gibt, bei denen wir rückläufige Fallzahlen zu verzeichnen haben. Das schreibt er sich natürlich auf die Fahne; das ist auch okay. Bei Delikten, die die Menschen sehr schwer betreffen, ist es natürlich auch gut, wenn die entsprechenden Deliktzahlen zurückgehen.
Was Sie aber nicht erwähnen ist, dass wir eine ganze Zahl von Delikten haben, bei denen es Steigerungen gibt. Ich will Ihnen einmal ein paar vortragen, damit wir uns einmal annähern, was die Bewertung von Statistiken angeht. Bei Raubüberfällen auf Spielhallen sind 19,1 % – Spielhallen sind ja Ihr Hobby.
(Zurufe von der CDU und der FDP)
– Wegen des Spielhallengesetzes; das war sehr freundschaftlich gemeint. Der Herr Kollege Rudolph hat auch eine Affinität zu Spielhallen, das will ich durchaus zugeben.
(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Bei Überfällen auf Tankstellen sind es plus 18,1 Prozent. Beim Betrug – Kartenbetrug mit PIN – sind es 16,3 Prozent Zuwachs. Kreditkartenbetrug: 14,1 Prozent Zuwachs. Und jetzt kommt es: Beteiligungs- und Anlagekapitalbetrug: Plus 414 Prozent. Eine Schadenssumme von 11,5 Millionen Euro. – Das verschweigen Sie, wenn Sie hier über innere Sicherheit und Kriminalität sprechen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf Ministers Boris Rhein)
– Ich kann damit leben, dass der Herr Innenminister ein bisschen erregt ist. Das kann man auch sein, wenn man mit diesen Zahlen und Fakten konfrontiert wird. – Wenn Sie sich den Bereich der Geldwäsche anschauen, sehen Sie, dass wir einen Kriminalitätszuwachs von 24,5 Prozent haben. Ich weiß nicht, ob die leichtfertige Geldwäsche da schon mit drin ist, aber 24,5 Prozent ist eine Steigerung, bei der wir dringend etwas unternehmen müssen. Gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität ist es unsere Aufgabe, mehr zu tun.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD) – Zuruf von der CDU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind Zahlen, die Sie in Ihrer in einer Parallelwelt angelegten Regierungserklärung nicht einfach verheimlichen können.
Ich will auch noch auf einen Punkt eingehen, den Sie ebenfalls oft anführen und den ich für richtig halte, Herr Innenminister: Sie haben gesagt, Ihnen sei es besonders schwer gefallen zu akzeptieren, dass wir im Bereich der Wohnungseinbrüche eine Steigerung von 9 Prozent zu verzeichnen haben. Da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Das ist eine Straftat, die den Menschen ganz besonders nahe geht – dass andere sich anmaßen, ihre Räume zu betreten und ihre Sachen zu durchwühlen, ist für viele Menschen eine traumatische Erfahrung. Wenn man da Zuwächse in Höhe von 9 Prozent zu verzeichnen hat, so stimme ich Ihnen ausdrücklich zu, dass man da etwas machen muss. Aber, Herr Innenminister: Das haben Sie uns schon im letzten Jahr erzählt. Da sind sie schon um 16,3 Prozent gestiegen. Was haben Sie eigentlich in dem einen Jahr gemacht, außer sich heute wieder hinzustellen und zu bedauern, dass die Zahl erneut angestiegen ist, Herr Innenminister?
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Ihre Erklärung kann ich zumindest zum Teil nachvollziehen. Sie sagen, das habe auch etwas mit der zentralen Lage Hessens zu tun – wobei Hessen schon seit Jahren so zentral liegt. Das zweite Problem sei das Rhein-Main-Gebiet. Aber wie erklären Sie es sich eigentlich – Frau Kollegin Faeser hat es vorhin schon erwähnt, ich will es auch noch einmal tun –, wenn sie die Zunahme bei Wohnungseinbrüchen mit dem Rhein-Main-Gebiet begründen, dass die deutlichsten Anstiege, nämlich um 63,3 Prozent, beim PP Nordhessen aufgenommen wurden? Das sind 63,3 Prozent in einer Deliktgruppe, die die Menschen besonders stark mitnimmt. Mit Blick auf diese Straftaten gibt es bei der Polizeidirektion Kassel einen Zuwachs um 85,3 Prozent. – Herr Innenminister, hören Sie endlich auf zu sagen, Sie seien in diesem Bereich Spitze. Das geht wirklich an den Realitäten vorbei.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))
Dann kommen Sie mit einem Rechentrick, den ich grandios finde. Sie sagen, wir hätten es mit einer Zunahme von 9,3 Prozent zu tun. Im Jahr davor waren es 16,3 Prozent. Dann sagen Sie in Ihrer Pressemitteilung von neulich, bis zur 44. Kalenderwoche dieses Jahres habe es einen Rückgang von 306 Fällen gegeben. – Das ist grandios. Aber wenn Sie vorher eine Steigerung um 900 hatten und 306 abziehen, dann bleibt Ihnen am Ende noch ein Plus von 594 Fällen, Herr Innenminister. Sie sollten ein Problem, das wir wirklich in diesem Land haben und das die Menschen sehr betroffen macht, nicht mit solchen Rechentricks wegzurechnen versuchen. Das ist nicht redlich.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD) und Hermann Schaus (DIE LINKE))
Herr Innenminister, Sie haben auf Präventionsprojekte hingewiesen. Das halten wir auch für richtig. Wir freuen uns darüber, dass mittlerweile auch die Hessische Landesregierung erkannt hat, dass Prävention besser ist als Repression. Wir sagen ausdrücklich: Jeder Euro, den wir in Präventionsprojekte stecken, ist dort gut aufgehoben und erspart uns nachher Ausgaben bei Polizei und Justizvollzug. Dass Prävention ein Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung ist, ist aber keine neue Einsicht, Herr Innenminister. Ich frage mich nur, warum Sie eigentlich während der Operation Düstere Zukunft – Sie haben es Zukunftssicherungsgesetz genannt – fast sämtliche Präventionsprojekte im Bereich des Hessischen Ministeriums für Soziales gestrichen haben?
Ich will Ihnen ein paar Beispiele sagen: Kürzung bei der Schuldnerberatung um 100 Prozent, bei lokalen Beschäftigungsinitiativen um 100 Prozent, bei den Frauenhäusern, also wo Frauen von Gewalt betroffen sind, um annähernd 40 Prozent. Sie haben bei der Obdachlosenhilfe, bei den Beratungsstellen für soziale Arbeit, für die Beratung von Haftentlassenen 100 Prozent der Zuschüsse gekürzt. Bei der Jugend- und Familienhilfe, an die sich Familien wenden können, wenn sie zu Hause erkennen, dass etwas nicht richtig läuft, dass es passieren kann, dass ihr Kind auf eine falsche Bahn kommt, wo sie sich Sachverstand, soziale Betreuung und Beratung heranholen können, wo man etwas gegen Kriminalität machen kann, haben Sie die Mittel auf null gesetzt, Herr Innenminister.
Sich dann hierhin zu stellen und einen von Prävention zu erzählen, das ist geradezu hanebüchen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Da brauchen wir keine Nachhilfe von Ihnen. Das haben wir auch schon bei der „Operation düstere Zukunft“, bei Ihrem sogenannten Zukunftssicherungsgesetz, gesagt.
Wir sind uns doch einig in den Projekten, wo es um besonders auffällige Straftäter unter 21 geht, wo es um Prävention im Team geht, wo es um das Haus des Jugendrechts geht. Wir waren uns in diesem Hause immer einig, dass das Projekte waren, die das ganze Haus unterstützt hat. Klammer auf: Das Haus des Jugendrechts hat zum ersten Mal die SPD in diesem Haus beantragt. Damals haben Sie es noch abgelehnt. Wenn Sie dazulernen, ist es in Ordnung. Aber tun Sie nicht so, als seien Sie die Erfinder des Hauses des Jugendrechts.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Netzwerk gegen Gewalt – natürlich, die Bekämpfung von Rechtsextremismus ist eine höchst wichtige Aufgabe. Im Zusammenhang mit NSU haben wir gesehen, dass wir dort etwas machen müssen, da dort etwas schiefläuft, dass wir junge Menschen haben, die in Zusammenhänge abgleiten, die in den Bereich des Rechtsextremismus, der Gewalt und sogar des Rechtsterrorismus gehen. Sich Gedanken darüber zu machen, wie wir diese Jugendlichen vor einem Abgleiten schützen, das ist wirklich aller Ehren wert. Deswegen haben wir diese Projekte immer unterstützt.
Aber warum lehnen Sie den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oder der SPD ab, in diesem Bereich die Mittel aufzustocken und etwas dort zu machen, wo offensichtlich noch etwas getan werden muss? Warum lehnen Sie das ab?
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Nun zu einem Thema, das Sie zu Recht immer wieder ansprechen. Im Zusammenhang mit Extremismus und Salafismus sagen Sie, dass das eine Bedrohung für unseren Staat ist. Ich glaube, dass wir uns hier fast alle darüber einig sind, dass wir in diesem Bereich einen starken Staat brauchen, der unsere Grundrechte, der Freiheit und Bürgerrechte, der die offene Gesellschaft schützt. Ich glaube, da sind wir uns einig, Herr Innenminister. Aber wenn wir das doch feststellen, warum lehnen Sie einen Antrag meiner Fraktion ab, ein Aussteigerprogramm für Islamisten und Salafisten aufzulegen? Warum lehnen Sie das ab?
Zu versuchen, junge Menschen, die in diesen Bereich abgeglitten sind, wieder herauszuholen, das haben wir beim Rechtsextremismus sehr gut und sehr kompetent gemacht. Warum lehnen Sie diesen Antrag ab? Lehnen Sie ihn nur ab, weil er von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kommt? Wenn Sie das machen, dann stellen Sie ihn bitte selbst als CDU und FDP. Aber es ist eine wichtige Maßnahme, diesen jungen Menschen einen Weg zu zeigen, wie sie aus diesem extremen Gruppen wieder herauskommen. Das ist eine Aufgabe, mit der wir uns beschäftigen sollten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Ich habe es schon gesagt, dass wir uns im Hause einig sind, was die Beurteilung von Extremismus angeht, dass zumindest der Großteil des Hauses sich sicher ist, dass jede Form von Extremismus, dass jede Form von Bedrohung unserer Grund- und Freiheitsrechte, unserer offenen Gesellschaft den Staat veranlassen muss, zu handeln. Dafür brauchen wir einen Staat, der die Instrumente an der Hand hat. Das will ich durchaus zugestehen.
Aber wenn wir feststellen, wie im Zusammenhang mit der Aufklärung von NSU etwas verkehrt gelaufen ist, dass wir nachjustieren müssen, dass wir nacharbeiten müssen, stellen Sie sich als Innenminister allen Ernstes hin und sagen: Bei uns in Hessen ist alles gut gelaufen, ist alles in Ordnung. – Das ist geradezu unglaublich, Herr Innenminister, in diesem Zusammenhang zu sagen, dass in Hessen alles in Ordnung gewesen sei.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben ein eklatantes Versagen der Sicherheitsbehörden in allen Bereichen. Das hat der ehemalige Präsident des Bundesamtes für den Verfassungsschutz zugegeben. Er ist zurückgetreten. Er hat aber zugegeben, dass es ein eklatantes Versagen der Sicherheitsbehörden gab. Der BKA-Chef, Herr Ziercke, hat zugegeben, dass es ein Versagen der Sicherheitsbehörden gab. Selbst der Bundesinnenminister Friedrich von der CSU hat zugegeben, dass es ein Versagen der Sicherheitsbehörden gegeben hat.
Nur in Hessen, bei diesem Innenminister und diesem Ministerpräsidenten, hat es keine Fehler gegeben? Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist geradezu erbärmlich, dass Sie noch nicht einmal dazu stehen können und sagen können: Ja, auch in Hessen hat es Fehler gegeben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))
Wir sind es geradezu denen schuldig, die ihre Angehörigen verloren haben.
Vizepräsident Lothar Quanz:
Herr Frömmrich, kommen Sie bitte zum Schluss. Die Redezeit ist um.
Jürgen Frömmrich:
Ich glaube, wir hatten noch eine Minute zusätzlich!
– Die ist schon eingerechnet. Die Uhr ist unbestechlich.
Jürgen Frömmrich:
Das tut mir leid. – Wir sind es gerade denen schuldig, die sehr genau schauen, wie wir in der Aufklärung dieser Straftaten vorangehen, wie wir uns damit beschäftigen. Gerade aus dem Ausland wir sehr genau auf uns geschaut, wie wird mit diesen Straftaten umgehen.
Diese Regierungserklärung des Innenministers war, wie ich meine, der Versuch einer Bilanz ohne Ausblick, ohne Impuls, ohne Ideen für die Zukunft. Man merkt an Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Sie sind verbraucht,
(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))
Sie haben nichts mehr vor. Deswegen freuen wir uns darauf, dass von Ihnen hoffentlich bald der Wahltermin bekannt gegeben wird, damit sich die Bürgerinnen und Bürger eine Regierung wählen können, die sie wirklich verdient haben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsident Lothar Quanz:
Vielen Dank, Herr Frömmrich.

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