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07.03.2012
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Rechtsextremismus konsequent bekämpfen – NPD-Verbotsverfahren darf vor dem Bundesverfassungsgericht nicht erneut scheitern

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mit dem letzten Satz der Kollegin Faeser anfangen, weil ich glaube, dass wir uns das noch einmal deutlich machen müssen. Sie hat gesagt, wir müssten alles tun, damit die NPD verboten wird. Frau Kollegin Faeser, das tun eben nicht wir, sondern in einem solchen Parteienverbotsverfahren macht das das Bundesverfassungsgericht. Das ist die Hürde, an der wir uns organisieren müssen, und über die wir nachdenken müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Frau Kollegin Faeser, wir haben in der Überschrift unseres Antrags die Problematik zusammengefasst. Dort haben wir gesagt: Rechtsextremismus konsequent bekämpfen, NPD-Verbotsverfahren darf nicht erneut vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern.

Frau Kollegin, in dieser Zwickmühle befinden wir uns. Deswegen ist es wenig hilfreich, permanent Anträge in Parlamente einzubringen und große Debatten über NPD-Verbotsverfahren zu führen. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, wenn ein NPD-Verbotsverfahren erneut eingeleitet werden soll, dass ein solches Verbot dann auch vor dem Bundesverfassungsgericht trägt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die Aufgabe, die wir leisten müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir sind uns doch in der Beurteilung dieser Partei einig. Wir sind uns doch einig über diesen ideologisch geistigen Müll, der dort verbreitet wird. Wir sind uns doch einig darüber, dass diese Partei extremistisch ist, dass sie rassistisch ist, dass sie menschenverachtende Ideologien verbreitet, dass sie ausländerfeindlich und antisemitisch ist, dass sie Hetze gegen Minderheiten betreibt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber sind wir uns doch alle einig. Die Frage ist nur, welche Konsequenzen man daraus zieht.

Ein Parteienverbotsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland zu betreiben – das wissen Sie als Juristin viel besser als ich, Frau Faeser –, unterliegt einer sehr hohen Hürde, die die Väter und Mütter des Grundgesetzes aus der geschichtlichen Erfahrung, die sie gehabt haben, so hoch gelegt haben.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Wir brauchen vor dem Bundesverfassungsgericht eine Zweidrittelmehrheit der Richterinnen und Richter, damit sie über ein solches Parteienverbot positiv entscheiden. Es wäre geradezu fatal, es würde die NPD aufwerten, wenn wir erneut vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. Es wäre ein Persilschein für die NPD. Deswegen muss man damit sehr sorgsam umgehen, wenn man solche Forderungen stellt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Wenn wir uns doch in der Beurteilung einig sind, dann sollten wir uns über die unterschiedlichen Auffassungen unterhalten, wie man den Weg beschreitet, um ein solches Verbotsverfahren dann auch vor dem Bundesverfassungsgericht hinzubekommen. Ich glaube, dass Ihr Antrag da zu weitgehend ist.

Wir haben in Nr. 5 unseres Antrags geschrieben:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, bei hinreichender Wahrscheinlichkeit des Erfolges eines Verbotsantrages dessen Einreichung zu unterstützen.

Das trifft eher, als einfach zu schreiben, dass wir ein erneutes Verbotsverfahren unterstützen. Der Unterschied liegt in der Formulierung „bei hinreichender Wahrscheinlichkeit“. Das muss die Grundlage sein, wenn wir über ein Verbotsverfahren reden.

Lassen wir doch einmal Revue passieren, was das Bundesverfassungsgericht seinerzeit in dem Verfahren gesagt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat das Verfahren letztendlich nicht entschieden, sondern es ist eingestellt worden, weil drei der acht Richter nicht behebbare Verfahrenshindernisse gesehen haben. Diese Verfahrenshindernisse bestanden unter anderem darin, dass mehrere V-Leute des Bundes und der Länder in Entscheidungsgremien der NPD saßen. Die Richter haben gesagt: Das sind Verfahrenshindernisse, und deswegen müssen wir dieses Verbotsverfahren einstellen. – Frau Kollegin Faeser, ich bin mir nicht so sicher wie Sie, ob das Verfahrenshindernis „V-Leute“ von allen Bundesländern, von allen Verfassungsbehörden und auch von den Bundesbehörden wirklich beseitig worden ist.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Selbst wenn es beseitigt worden sein sollte, Frau Kollegin Faeser, brauchen wir vor dem Bundesverfassungsgericht eine Zweidrittelmehrheit.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

– So viel können die Stenografen gar nicht mitschreiben, wie Sie dazwischenreden, Frau Kollegin Faeser. – Wenn Sie vor dem Bundesverfassungsgericht mit einem Verbotsantrag durchkommen sollten, gibt es eine weitere Hürde, den Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Wir wissen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in anderen Verfahren, was rechtsextreme Parteien und rechtsextreme Ideologien anging, Entscheidungen getroffen hat, die wir uns nicht wünschen konnten.

Von daher plädiere ich nicht dafür, dass man das mit einem Federstrich streicht und sagt, das sei kein Weg, den wir gehen wollen. Wir gehen den Weg mit, wenn es in einem solchen Verfahren eine ausreichende Aussicht auf Erfolg gibt. Das entscheidet aber das Bundesverfassungsgericht, das entscheiden nicht wir in den Landtagen, und das entscheidet auch nicht der Deutsche Bundestag.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Frömmrich, Sie müssen zum Schluss kommen.

Jürgen Frömmrich:

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Ich kann verstehen, dass viele Menschen, auch viele Mitglieder unserer Partei, sagen: Nach diesen schrecklichen Ereignissen, nach den Morden der NSU muss man doch irgendetwas gegen solche rechtsextremen Ideologien unternehmen. – Da fällt vielen ein Verbot der NPD ein. Das kann ich emotional gut verstehen, und ich kann auch die Menschen verstehen, die ein solches Argument nach außen tragen. Wir als politisch Verantwortliche im Bund und in den Ländern müssen aber mit kühlem Kopf entscheiden. Dabei muss aber letztendlich gelten: Wenn wir ein solches Verbot noch einmal beantragen, dann muss es vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

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