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15.12.2010
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Polizeiführungskrise - der Landespolizeibeauftragte

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem die Kollegen auf der rechten Seite jetzt schon Betriebstemperatur erreicht haben, wollen wir einmal schauen, wie es weitergeht. Ich hatte mich eigentlich auf eine vorweihnachtliche Sitzung gefreut, aber Sie sind offensichtlich schon auf Krawall gebürstet.

(Lachen bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe hier dem Kollegen Bauer und auch dem einen oder anderen Zwischenruf gelauscht. Aber was immer noch nicht in der Debatte angekommen ist, ist die Tatsache, dass Sie Ursache und Wirkung verwechseln. Es ist doch nicht so, dass wir über diesen Landespolizeibeauftragten diskutieren, weil die Opposition im Hessischen Landtag so böse ist, sondern wir diskutieren darüber, weil es eklatante Probleme innerhalb des Personalkörpers der hessischen Polizei gibt. Das ist Fakt, das sollten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Es war doch nicht die böse Opposition, die erneut die Debatte um die Führungskultur innerhalb der hessischen Polizei angezettelt hat. Es hat eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit darüber gegeben. Dieser Innenminister, der ehemalige Staatssekretär im Innenministerium, hat sogar beim Gewerkschaftstag der hessischen Polizei davon gesprochen, dass man eine andere Führungskultur innerhalb der hessischen Polizei braucht. Es war eben nicht die böse Opposition, die dieses Thema aufgebauscht hat.

Meine Damen und Herren, es war doch auch nicht die böse Opposition, die angefangen hat, hier noch einmal ein Thema um Mobbingvorwürfe, um Bespitzelungen, um Denunziationen innerhalb des Polizeipräsidiums Frankfurt hochzuziehen.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Es war doch nicht die böse Opposition, sondern es ist ein Prozess eines Mitarbeiters vor dem Landgericht in Frankfurt gewesen, der diese ganzen Fälle noch einmal ans Licht der Öffentlichkeit geführt hat. Es ist schon erstaunlich, dass Sie nicht endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass es Probleme bei der hessischen Polizei gibt und dass man dringend darüber reden muss, wie man diese Probleme abstellt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das gehört doch zur Vorgeschichte, wenn man über den Vorschlag der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten diskutiert, wie man einem solchen Problem beikommt. Da gibt es unterschiedliche Herangehensweisen, und da kann man mit Sicherheit unterschiedlicher Auffassung sein. Die Maßnahme, die der Innenminister gewählt hat, ist eine Möglichkeit. Es gibt aber aufseiten der Opposition, der Sozialdemokraten, der LINKEN und unserer Seite, die Meinung, dass man das organisieren muss.

Wenn man über die Struktur und die Organisation diskutiert, heißt das doch nicht, dass man denjenigen diskreditiert, den der Innenminister gerade vorgeschlagen hat. Natürlich ist Herr Möller eine hoch angesehene Persönlichkeit. Aber deswegen kann man doch über die Form, die Ansiedlung und die Kompetenzen, die solch ein Beauftragter hat, diskutieren. Da sollten Sie vielleicht einmal ein bisschen abrüsten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

– Herr Kollege Beuth, Sie betätigen sich wieder als Lautsprecher, weil Sie den Versuch unternehmen wollen, sich nicht sachlich damit auseinanderzusetzen, sondern hier wieder einmal Klamauk zu machen. Aber dafür sind Sie als Generalsekretär zuständig.

Meine Damen und Herren, wir haben eine sehr spannende Anhörung zu dem Gesetzentwurf der SPD gehabt. Vielleicht sollte man sich auch einmal anschauen, was denn dort von den Anzuhörenden gesagt worden ist. Da gibt es eine Vielzahl sehr kompetenter Leute im Bereich der Polizei. Ich gehe einmal davon aus, dass der Innenminister es auch so sieht, dass Personalräte, Gewerkschaftsvertreter, Vertreter der Kriminalbeamten oder des Bundes der deutschen Polizeibeamten schon angesehene Leute sind, die auch etwas von der Polizei verstehen.

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft sagt zum Vorschlag der SPD:

Insofern sind wir der Auffassung, dass das Land Hessen diesen Weg gehen sollte. Das wäre auch ein Novum. In Deutschland gibt es so etwas bisher nicht. Warum sollte Hessen hier nicht vorangehen?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter, Landesbezirk Hessen, sagt dazu:

Wir haben den Beschluss gefasst, der Einrichtung des Amtes eines Landesbeauftragten für die Polizei zuzustimmen. … Der Beauftragte muss unabhängig und unparteiisch sein und darf nicht der polizeilichen Hierarchie unterworfen werden.

Ein weiteres Zitat aus der Stellungnahme:

Die Diskretion muss gewahrt bleiben.

Meine Damen und Herren, hören Sie doch einmal auf diejenigen, die in dem Bereich tätig sind und die unisono dem Vorschlag der SPD beigetreten sind und gesagt haben, wenn man jemanden als Ansprechpartner beauftragen will, dann sollte man das möglichst unabhängig organisieren. Der Vorschlag der Sozialdemokraten hat da sehr viel Zustimmung gefunden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Natürlich kann man sich über Einzelheiten des Vorschlags der Sozialdemokraten streiten. Ich habe das in der Anhörung auch gesagt. Die Frage der Ausstattung ist für uns ein Thema: Muss das so opulent ausgestattet sein, wie vorgeschlagen? Darüber sollte man noch einmal reden. Die weitere Frage, die wir gestellt haben, ist: Wenn man so eine Stelle beim Landtag einrichtet, warum sagt man nicht, diese Person soll auch ansprechbar für Bürgerinnen und Bürger sein, die sich über die Polizei beschweren wollen? Denn wenn man auf der einen Seite argumentiert, Polizeibeamte wollen sich nicht im Rahmen der Hierarchie an ihre Leute wenden, weil das sofort wahrgenommen wird, dann ist doch auch nachvollziehbar, dass es Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern gibt, die sagen: Wenn ich aufs Polizeirevier gehe, komme ich vielleicht nicht weiter; vielleicht gibt es eine unabhängige Stelle. – Das war ein Vorschlag von uns. Sie sollten das noch einmal überlegen.

Meine Damen und Herren, was mich an dieser Debatte stört, ist, dass das bei Ihnen alles nach dem gleichen Verhaltensmuster abläuft. Bei der Führungskultur haben wir im Hessischen Landtag darüber diskutiert, dass es Probleme gibt. Da haben Sie gesagt, die gibt es nicht, das ist alles Quatsch, alles Geschrei der Opposition, es gibt kein Führungsproblem bei der hessischen Polizei. Was passiert Wochen später? Der Innenminister entlässt Herrn Nedela. Wir haben aber kein Problem bei der Führungskultur der hessischen Polizei gehabt.

Es gibt die Debatte um Mobbingvorwürfe, um Bespitzelungen, um das Durchsuchen von Schreibtischen. Das passiert allesbei der Polizei. Da wird gesagt, alles Quatsch, alles Klamauk der Opposition, gibt es nicht. Wochen später: Der Innenminister entbindet die LKA-Präsidentin Thurau, ehemalige Vizepräsidentin der Polizei in Frankfurt, von ihren Aufgaben. Also, es ist überhaupt nichts passiert, aber der Innenminister entbindet sie von ihren Aufgaben.

Dann gibt es die Kritik, was die Begutachtung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeht; das ist unter dem Stichwort ZPD diskutiert worden. Dazu ist vom Innenminister und von Ihnen gesagt worden, da gibt es kein Problem, das ist alles Quatsch, alle frei erfunden, alles Klamauk der Opposition. In der letzten Sitzung des Innenausschusses verkündet der Innenminister: Wir werden demnächst nicht mehr den ZPD mit der Begutachtung beauftragen, sondern wir werden alle Gutachten extern vergeben.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Es gibt überhaupt keine Probleme. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, hören Sie auf, über diese Probleme mit diesem Verhaltensmuster zu diskutieren. Es gibt diese Probleme bei der Polizei, und sie wegzuleugnen schadet der hessischen Polizei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, so ist es auch bei den Kollegen, die hier sitzen.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Beim ersten Vorschlag, der für den Polizeibeauftragten gemacht worden ist, geht Herr Greilich an die Öffentlichkeit und erklärt, die SPD sei vollkommen „auf dem Holzweg“. Zitat aus der Pressemitteilung:

Hessen hat nämlich schon heute ein vielfältiges Netz von Angeboten für Polizisten, die Problemlagen unter anderem im Zusammenhang mit ihrem Dienst zu bewältigen haben. Dazu zählen neben den in erster Linie für die Polizeiführung zuständigen Dienstvorgesetzten z. B. Personalräte, Gewerkschaften, ein zentralpsychologischer Dienst, Gleichstellungsbeauftragte und Polizeiseelsorger.

Das erzählt uns Herr Greilich noch im April unter dem Motto „SPD auf dem Holzweg“. Im November erklärt Herr Greilich, eine unabhängige Stelle ist notwendig. Herr Greilich, Sie müssen mir schon einmal erzählen, wie Sie innerhalb von sieben Monaten dazu kommen, auf der einen Seite zu sagen, der Vorschlag sei vollkommen auf dem Holzweg, und im November zu erklären, das diese Stelle notwendig ist. Sie müssen vielleicht einmal ein bisschen mehr Inhalt in Ihre Pressemitteilungen hineinbringen und vorher überlegen, wo Ihr Standpunkt ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gleiche gilt für die Kollegen der CDU. Der ehemalige innenpolitische Sprecher der CDU hat erklärt:

Kein flächendeckendes Mobbing in der hessischen Polizei … Die hessische Polizei ist bundesweit in einem vorbildlichen und umfangreichen Netzwerk durch Frauenbeauftragte, Schwerbehindertenvertreter, soziale Ansprechpartner, Personalberater, Gewerkschaften, Polizeiseelsorger und den Polizeipsychologischen Dienst sehr gut aufgestellt und bietet dadurch den Polizeibeamten und deren Angehörigen ein umfangreiches und modernes Beratungsangebot.

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Herr Kollege Bellino, wenn das so ist, frage ich Sie, warum der Innenminister im November eine unabhängige Stelle genau für diese Dinge einrichtet, die es nach Ihrer Auffassung anscheinend bereits gibt.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, schauen Sie sich einmal genauer an, was Sie in Ihren Presseerklärungen erklären. Erst einmal wird alles abgeleugnet, was die Opposition vorschlägt ist eh Quatsch, dann macht der Innenminister Schritte genau in diese Richtung, und dann begrüßen Sie diese Schritte. Da kann man nicht von einer durchdachten Politik sprechen, die Sie im Landtag machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Präsident Norbert Kartmann:

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Jürgen Frömmrich:

Herr Präsident, vielen Dank. Ich komme zum Ende. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass man mit dem Wegleugnen der Probleme in erster Linie dazu beiträgt, der hessischen Polizei zu schaden. Ich glaube, dass man die Probleme, die es gibt, aufnehmen und analysieren sollte und dass man endlich dazu kommen sollte, eine unabhängige Stelle zu schaffen. Ich glaube, dass der Weg, den die Sozialdemokraten hier vorschlagen, der richtige Weg ist, wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen.

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