Jürgen Frömmrich: Modernisierung des Dienstrechts in Hessen
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Gesetzentwurf in der Eilausfertigung auf den Tisch bekommen habe, habe ich gedacht, das funktioniert nach dem Motto: Was lange gärt, wird dick und fett. – Der Gesetzentwurf hat 400 Seiten, das war schon ein erschreckender Anblick.
Herr Innenminister, Sie haben sich auch fast sieben Jahre Zeit gelassen, nachdem die Föderalismusreform I die Möglichkeit auf die Länder übertragen hat, diese Dinge zu regeln. Sie haben sich noch einmal drei Jahre Zeit gelassen, nachdem sich die Mediatoren, die seinerzeit von Ministerpräsident Koch gebeten worden sind, sich mit der Modernisierung des Dienstrechts zu beschäftigen, ihren Entwurf, ihren Mediationsbericht vorgelegt haben.
Seinerzeit haben wir hier im Haus sehr einhellig gesagt, das, was die Mediatoren, Friedrich Bohl, Wolfgang Dette, Lothar Klemm und Rupert von Plottnitz, erarbeitet haben, eine gute Grundlage für eine Debatte über das Dienstrecht insgesamt ist. In diesem Mediatorenvorschlag waren auch Ansätze enthalten, die das Dienstrecht insgesamt auch attraktiver machen und uns in die Lage versetzen sollten, auch die Konkurrenz mit Privaten aufzunehmen.
Ich will ein paar Dinge erwähnen, die seinerzeit auch schon vorgeschlagen worden sind. Von daher ist das, was ich im Gesetzentwurf von CDU und FDP gefunden habe, nicht ganz neu: die Vereinfachung und Flexibilisierung der Laufbahn, die Beibehaltung der Stellenobergrenze, die Angleichung der Beträge des Familienzuschlags. Sie haben zwar eine andere Regelung gewählt, aber seinerzeit wurde auch von den Mediatoren die Frage der Wiedereinführung der Ruhegehaltfähigkeit von Zulagen diskutiert. Das ist von Ihnen im Gesetzentwurf, wenn ich es richtig gesehen habe, auch ähnlich geregelt worden. Seinerzeit waren das unter dem Strich gute Vorschläge und eine gute Vorlage für eine inhaltliche Debatte.
Sie machen jetzt etwas, das seinerzeit von den Mediatoren auch gefordert wurde, d. h. die Entschlackung der Laufbahnen. Von über 100 werden wir demnächst elf Laufbahnfachrichtungen haben, und wir werden drei Laufbahngruppen haben.
Sie schaffen außerdem den einfachen Dienst ab. Das fordern wir in diesem Haus schon seit vielen Jahren, das ist schon längst überfällig. Wenn wir als Staat sagen, wir wollen den Niedriglohnsektor abschaffen, müssen wir auch diese niedrigen Einstiegsgehälter abschaffen. Das ist durchaus eine gute Leistung, und das begrüßen wir ausdrücklich.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es kann nicht sein, dass wir uns auf der einen Seite darüber beklagen, dass Menschen den ganzen Monat arbeiten gehen und von ihrem Gehalt ihre Familien nicht ernähren können. Wenn Sie sich einerseits die Einstiegsgehälter und andererseits die Lebensunterhaltskosten in Städten wie Frankfurt und Wiesbaden ansehen, dann kann man sagen, jemand, der damit seine Familie ernähren soll, kann das nicht leisten, weil das Geld nicht ausreicht. Herr Minister, von daher ist das ein Schritt in die richtige Richtung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt aber auch einige Ansätze in Ihrem Vorschlag, die man sich durchaus noch einmal etwas genauer anschauen muss und sich Gedanken darüber machen muss, ob das wirklich der richtige Weg in die richtige Richtung ist.
Wir haben damals im Gespräch mit den Mediatoren auch immer gesagt, es muss überlegt werden, wie ein guter Übergang von Privat zu Öffentlich und von Öffentlich zu Privat geschaffen werden kann, ohne dass man das jetzige System, nämlich den Verzicht auf die Versorgungsbezüge und die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung, beibehält.
Sie machen jetzt einen Vorschlag, der durchaus das aufgreift, was die Mediatoren seinerzeit gesagt haben. Sie wollen ein sogenanntes Altersgeld einführen. Das bedeutet, wer mindestens fünf Jahre lang Beamter des Landes Hessen gewesen ist, kann auf Antrag dieses Altersgeld, wenn er in Ruhestand geht, zusätzlich zur gesetzlichen Rente bekommen. Das fällt natürlich weg, wenn er wieder ins Beamtenverhältnis wechselt. Das sollte man aber noch einmal genauer in der Anhörung mit den Expertinnen und Experten diskutieren. Die Vor- und Nachteile sollten genau ausgeleuchtet werden.
Was nicht sein kann, ist, dass wir beim Wechsel von Öffentlich zu Privat sagen, der Anspruch der bis zum Zeitpunkt des Wechsels aufgebaut wurde, kann mitgenommen werden. Das kann dazu führen, dass die Guten zu den Privaten wechseln, andererseits der öffentliche Dienst aber nicht so attraktiv ist, dass Leute aus der Privatwirtschaft zu uns kommen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Günter Rudolph (SPD))
Das darf natürlich keine Einbahnstraße sein, vor allem auch nicht für unseren Haushalt. Herr Innenminister, ich habe auch noch keine Antwort darauf. Auf den ersten Blick hört sich das sympathisch an, ich finde aber, da sollte man doch noch einmal den einen oder anderen Experten darüber schauen lassen.
Wir wissen, dass wir sehr gut ausgebildete Steuerfachkräfte haben. Wir investieren in diese Ausbildung sehr viel Geld. Da wollen wir natürlich auch, dass wir die Guten und Besten bei uns behalten. Wenn jetzt private Unternehmen, große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften aus Frankfurt oder Eschborn, die Guten aus dem öffentlichen Dienst herauskaufen, und wir diesen Wechsel sozusagen auch noch vergolden, indem wir sagen, ihr könnt sogar Teile eurer Versorgungsbezüge mitnehmen, darüber sollten wir noch einmal nachdenken.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)
Ein weiterer Punkt, der schon lange in der Diskussion ist, ich brauche das nicht zu betonen, die Kollegen haben es schon genannt, ist die Frage der Hebung der Stellen. Es gibt eine lange Diskussion, was die Frage der Polizei angeht und den Flaschenhals, durch den sie nicht hindurch kommen. Der Ehrlichkeit halber muss man aber auch sagen, dass das der zweigeteilten Laufbahn geschuldet ist. Das ist einfach so.
Wir gehen jetzt einen Schritt in die Richtung, indem wir versuchen, ein Problem zu lösen. Herr Innenminister, es ist aber schon erstaunlich, dass Sie sich sechs bis sieben Jahre lang Zeit lassen, diesen Gesetzentwurf vorzulegen. Mit diesem Gesetzentwurf legen Sie Vorschläge vor, über die wir schon seit Jahren diskutieren – solange ich Innenpolitik mache, diskutieren wir über diesen Punkt.
(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
Ausgerechnet ein Jahr vor der Landtagswahl kommt diese Landesregierung und verteilt an diese Manna an diejenigen, die sie über Jahre geschröpft hat, das muss man in dieser Debatte auch noch einmal feststellen.
Vizepräsident Lothar Quanz:
Herr Frömmrich, Ihre Redezeit ist um.
Jürgen Frömmrich:
Herr Präsident, vielen Dank. Deswegen wollte ich das mit dem Schröpfen am Ende noch einmal sagen. – Das mit der Personalpolitik nach Gutsherrenart, das wird nicht gelingen. Das vergessen wir nicht: 42 Stundenwoche, Streichung Urlaubsgeld, Streichung Weihnachtsgeld – meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist sehr eingepflanzt in die Köpfe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Das, was Sie hier vorgelegt haben, scheint aber auf den ersten Blick ein guter Ansatz zu sein. Wir werden daran konstruktiv mitarbeiten und konstruktiv mitdiskutieren. Wir können uns alle auf eine spannende und anregende Anhörung freuen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsident Lothar Quanz:
Danke, Herr Frömmrich.