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23.07.2015
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ schafft Grundlage für weitere erfolgreiche Bekämpfung des Extremismus

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können an die Debatte von vorhin nahtlos anknüpfen. Die Bekämpfung des Extremismus ist eine wichtige Aufgabe. Sie ist eine gesellschaftspolitisch wichtige Aufgabe. Wir haben vorhin alle deutlich gezeigt, dass wir uns bei dieser Frage in diesem Haus einig sind.
Wir als GRÜNE waren immer der Auffassung, dass die Bekämpfung des Extremismus sowohl repressive als auch präventive Maßnahmen erfordert. Wir haben aber auch immer gesagt, dass wir da eine noch stärkere präventive Säule aufbauen wollen. Das haben wir in der Koalition so auch vereinbart.

Jeder Euro, der in Präventionsprojekte investiert wird, rechnet sich. Aus Sicht meiner Fraktion tut er das sogar gleich mehrfach. Die Investition in Prävention hält junge Menschen möglicherweise davon ab, sich extremistischen Gruppen anzuschließen. Erfolgreiche Prävention entlastet möglicherweise die Polizei, die Justiz und den Verfassungsschutz. Erfolgreiche Präventionsmaßnahmen, erfolgreiche Deeskalations- und Deradikalisierungsmaßnahmen verhindern extremistische Gewalttaten.

Wir sehen gerade im Zusammenhang mit dem NSU-Untersuchungsausschuss, aber auch mit der Beobachtung des Prozesses in München, wie viel Leid diese Rechtsterroristen über die Menschen und die Familien der Opfer gebracht haben. Es ist unbeschreiblich, mit welcher Brutalität, mit welcher Menschenverachtung und mit welchem Hass diese Taten begangen wurden. Deshalb müssen wir alles unternehmen, damit junge Menschen erst gar nicht in Kontakt mit solchen extremistischen Ideologien kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz dürfen in unserem Land keinen Platz haben. Wir müssen diesen Ideologien so früh wie möglich entgegentreten und Extremismus frühzeitig bekämpfen. Ich sage das auch aus ganz aktuellem Anlass. Wir, CDU, SPD, die GRÜNEN und die FDP, haben dazu einen gemeinsamen Dringlichen Entschließungsantrag eingebracht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer Asylbewerberheime angreift, wer Menschen angreift, die bei uns Schutz und Zuflucht vor Verfolgung suchen, der greift unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat an. Dagegen müssen wir uns wehren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Bundespräsident Gauck nannte derartige Angriffe kürzlich widerwärtig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Angriffe sind eine Schande für unser Land. Diese Extremisten müssen deshalb mit allen rechtsstaatlichen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, bekämpft werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich bin froh, dass wir das heute gemeinsam mit einem Dringlichen Entschließungsantrag so verabschieden werden.
Wir müssen daran arbeiten, dass derartige Ideologien die jungen Menschen erst gar nicht erreichen. Deshalb ist es gut, dass wir mit dem Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ ein deutliches Zeichen für eine lebendige Demokratie und für ein friedliches Miteinander in unserer Gesellschaft und gegen extremistische Umtriebe setzen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Wir haben dieses Landesprogramm im Koalitionsvertrag vereinbart. Jetzt setzen wir diese Vereinbarung um.
Ich finde, dass dieses Programm ein deutliches Zeichen zur Bekämpfung des Extremismus und für eine lebendige Demokratie ist. Mit jährlich 1,05 Millionen Euro werden wir erhebliche Anstrengungen unternehmen, um die Radikalisierung zu bekämpfen und das Abrutschen junger Menschen zu verhindern. Mit den Mitteln aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ in der Größenordnung von 1,66 Millionen Euro werden im Land Hessen demnächst 2,7 Millionen Euro für präventive Maßnahmen zur Extremismusbekämpfung zur Verfügung stehen.
Ich würde mir wünschen, dass wir das in diesem Hause uneingeschränkt teilen würden, trotz all der Probleme, die wir wahrscheinlich im Detail haben werden. Aber vom Grundsatz her müssen wir froh sein, dass wir hier ein Landesprogramm implementieren und damit im Hessischen Landtag eine Forderung vieler aus der Vergangenheit umsetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich finde es sehr gut, dass wir die Anstrengungen bei der Prävention deutlich verstärken. Das Abgleiten zu verhindern und Brücken zu bauen, damit bereits radikalisierten Personen eine Rückkehr auf den Boden unserer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung ermöglicht werden kann, ist das Ziel unserer Präventionsarbeit.

Wir haben vorhin schon viel über das Violance Prevention Network gesprochen. Ich will mir das ersparen. Das Demokratiezentrum Hessen in Marburg werden wir jetzt mit dem Landesprogramm jährlich in eine Größenordnung von 800.000 Euro unterstützen. Neben der Anbindung an die Philipps-Universität Marburg besteht nun eine Außenstelle in Kassel. Damit werden die Arbeit und die Bedeutung des Demokratiezentrums besonders herausgestellt und gewürdigt.

Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass Prof. Benno Hafeneger und sein Team an der Philipps-Universität Marburg sehr gute Arbeit leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Insbesondere gegen Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit leistet das Demokratiezentrum Hessen einen wichtigen Beitrag. Dazu gehört hessenweite Beratung vor Ort durch mobil eingesetztes Personal bei rechtsextremistischen Vorfällen und die Beratung der Kommunen bei der Aufnahme der Flüchtlinge. Das Programm Rote Linie hilft dem Ausstieg der Jugendlichen, die einmal in solche extremistischen Gruppen geraten sind. Wir machen das, damit diese Jugendlichen, wenn sie in diese Gruppen geraten sind, auch wieder einen Weg heraus finden und damit wir das als Gesellschaft unterstützen. Ich glaube, es ist ein wichtiger Hinweis und es ist ein wichtiges Programm. Menschen kommen aus diesen Gruppen wieder heraus. Wir bauen Brücken in die Gesellschaft zurück.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Trotz all der Punkte, über die man mit Sicherheit auch streiten kann, sind wir, glaube ich, auf einem guten und auf dem richtigen Weg. Ich will einmal zitieren, was Herr Prof. Hafeneger und die Präsidentin der Philipps-Universität Marburg, Frau Krause, zu diesem Landesprogramm gesagt haben.

„Rechtsextremismus ist seit vielen Jahren ein Dauerphänomen, vor allem in der jungen Generation. Die über 350 Anfragen aus Kommunen, Schulen, Verbänden und von Eltern zeigen den Bedarf an Beratung“, sagte Prof. Dr. Benno Hafeneger von der Philipps-Universität Marburg.

Frau Prof. Krause ergänzte, dass „es mit einer nunmehr fünfjährigen Förderung jetzt möglich ist, am Marburger Demokratiezentrum kontinuierlich und fachlich ausgewiesen zu beraten und präventiv zu arbeiten, um menschenfeindlichen Orientierungen entgegenzuwirken und einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Demokratie zu leisten“.

Sie sehen: Dieses Programm geht in die richtige Richtung. Wir unterstützen die, die hier sehr viel Kompetenz haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben auch einige Kritikpunkte aus der Vergangenheit aufgenommen. Ich will daran erinnern: Zu anderen Zeiten wurde hier im Landtag immer kritisiert, dass es kein eigenes Landesprogramm gibt, dass wir zwar Bundesmittel nehmen, aber kein eigenes Landesgeld einsetzen. Jetzt setzen wir eigenes Landesgeld ein und haben ein eigenes Landesprogramm.

Es wurde kritisiert, dass wir nur Projektförderung machen, es also keine Kontinuität in dieser Arbeit gibt, und dass diejenigen, die diese wichtige Arbeit machen, nicht wissen, ob sie in zwei Jahren noch dort beschäftigt werden. Das stellen wir ab. Wir schaffen Kontinuität. Wir schaffen es ab, dass es nur Projektförderung gibt.

Diese Kritikpunkte wurden aufgenommen. Auch einen weiteren Punkt, der in der Vergangenheit immer wieder gefordert wurde, haben wir aufgegriffen: die Opferberatung. Prof. Hafenegger hat das sehr oft angesprochen, auch Dr. Becker, dass wir hier Defizite haben. Wir haben die Opferberatung für Menschen geschaffen, die rechtsextremen oder rassistischen und antisemitischen Gewalttaten ausgesetzt waren. Die Opferberatung verfolgt ein niederschwelliges Angebot.

In der Tat ist dieses Angebot parteilich. Es setzt sich für die Opfer ein, und dort erhalten die Opfer Beratung. Das ist eine wichtige Ergänzung der Programme, die wir in der Vergangenheit gehabt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Betreuung der Opfer ist eine wichtige Ergänzung zur täterorientierten Präventionsarbeit, und sie ist ein wichtiges Signal an die Betroffenen, damit sie nach Übergriffen und Anfeindungen nicht alleine gelassen werden, dass sie nicht mit ihrem Leid alleine bleiben, sondern dass wir uns als Gesellschaft um sie kümmern. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein sehr gutes Signal in diese Richtung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Holger Bellino (CDU))

Auch das will ich erwähnen: Demnächst wird Hessen als eines der ersten Länder in der Bundesrepublik überhaupt an der Goethe-Universität in Frankfurt, in Verbindung mit dem Fritz Bauer Institut, eine Holocaustprofessur einrichten. Die Idee, die hinter dieser Professur steht, ist, dass wir mehr über die Täter, den Holocaust und den Nationalsozialismus wissen müssen, um sicherzustellen, dass so etwas nie wieder passiert. Das Land wird diese Professur mit 150.000 € im Jahr fördern. Ich danke ausdrücklich Wissenschaftsminister Boris Rhein und der Vorsitzenden des Stiftungsrats, Jutta Ebeling, sowie der Universität in Frankfurt, die dieses Projekt angegangen sind. Das ist ein wichtiges Zeichen. Wir müssen uns mit der Vergangenheit beschäftigen, damit wir die Probleme der Zukunft angehen können. Da sind wir gut unterwegs.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Herr Kollege, Sie müssten zum Ende kommen.

Jürgen Frömmrich:

Frau Präsidentin, ich komme sofort zum Schluss.

Diese Initiativen des Landes wären nichts ohne die engagierte Arbeit vieler zivilgesellschaftlicher Kräfte. Ehrenamtliches Engagement ist ein unverzichtbarer Bestandteil im Kampf gegen rechtsextremistische Gewalt und für eine offene und pluralistische Gesellschaft. Deswegen gilt unser Dank auch ganz besonders denen, die sich dort engagieren. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

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