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13.12.2012
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Hessen setzt Maßstäbe in der Justizministerkonferenz

Liebe Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns heute hier zusammengefunden, um einem großen Mitglied der hessischen Jurisprudenz zu huldigen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er ist ein ausgesprochener Fachmann. Herr Justizminister, ich weiß überhaupt nicht, wie wir Sie hier in Zukunft noch anreden sollen. So wie dieser Antrag gerade eingebracht worden ist, der Ihre Verdienste vorstellt, weiß ich nicht, ob wir Sie demnächst überhaupt noch mit Justizminister ansprechen dürfen. Vielleicht sollten wir es mit justizpolitischer Eminenz oder justizpolitischer Heiligkeit tun.

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Ich finde, dieser Antrag ist es wert, ihn einmal ganz genau anzuschauen und darüber zu reden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass der Landtag gar nicht der geeignete Ort ist, nur hier diese ausgesprochenen Maßstäbe, die gesetzt worden sind, diese Initialzündungen justizpolitischer Art, die gemacht wurden, zu huldigen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ich glaube, wir sollten uns überlegen, ob wir das nicht einer breiteren, einer globaleren Öffentlichkeit zur Verfügung stellen sollten.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Justizminister, es ist schon erstaunlich; ich denke, der Landtag ist nicht der geeignete Ort, um all das zu erwähnen, was Sie als Vorsitzender der Justizministerkonferenz an Leistungen vorgetragen haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Ich habe versucht, den Fraktionsvorsitzenden meiner Fraktion und den Fraktionsvorsitzenden der SPD zu überreden, doch eine Sondersitzung der Bundesversammlung einzuberufen, damit wir diese Errungenschaften, die Sie hier zutage bringen, noch besonders würdigen können.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Herr Justizminister, wir werden Sie in Zukunft nur noch mit Herrn Ausnahmejustizminister ansprechen, weil ich glaube,

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP)

dass der Titel des Justizministers für Sie eigentlich zu klein ist. Wir werden Sie, wenn der Rechts- und Integrationsausschuss zusammentrifft, mit: „Hosianna, er hat die Facebook-Fahndung erfunden“ empfangen. – „Hosianna“ werden wir rufen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir werden uns im Rechts- und Integrationsausschuss dafür einsetzen, dass Sie lebenslang freien Eintritt bei der Eintracht bekommen, natürlich in der VIP-Lounge;

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn Sie haben in der Tat Maßstäbe gesetzt, Herr Justizminister. Es ist erstaunlich.

Ich will jetzt auf das eingehen, was mit „Hessen setzt Maßstäbe in der Justizministerkonferenz“ überschrieben worden ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben hier schon viele Jubelanträge von CDU und FDP gehört. Wir mussten hier schon viele Feststellungen treffen – natürlich mit Mehrheit –, wie toll und wie gut diese Landesregierung ist und welche herausragenden Leistungen sie auszeichnet. Aber dieser Antrag, überschrieben mit „Hessen setzt Maßstäbe in der Justizministerkonferenz“ ist wirklich die Krönung dessen, was Sie uns hier jemals vorgelegt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Dieser Antrag fängt in Punkt 1 an mit:

Der Landtag begrüßt, dass die Landesregierung in der Justizministerkonferenz im Verlaufe des hessischen Vorsitzes im Jahr 2012 wesentliche rechtspolitische Impulse gesetzt hat.

(Demonstrativer Beifall bei der FDP)

Herr Justizminister, das ist wirklich eine herausragende Leistung, das in einen Antrag gießen zu müssen. Das ist ganz herausragend.

Dann gehen Sie in Punkt 2 darauf ein, den Straftatbestand der Datenhehlerei einführen zu wollen. Das ist eine herausragende Leistung, die Sie da bringen. Es gibt in der Tat einen Regelungsbedarf für diesen Sachverhalt. Aber wir wollen doch einmal darüber nachdenken, warum diese Debatte in der Öffentlichkeit über Datenhehlerei und die Einführung eines entsprechenden Straftatbestandes begonnen hat.

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Ich zitiere einmal aus der „Welt“ vom 1. September 2012:

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will den Ankauf und die Auswertung von Steuer-CDs durch ein Gesetz gegen Datenhehlerei unterbinden.

(Zuruf des Abg. Heike Hofmann (SPD) und Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Es ist gut, dass Sie die Kurve noch gekriegt haben und in diesem Antrag extra unterstreichen, dass es auf keinen Fall um die Steuerdaten-CDs gehen soll. Aber was Sie am 1. September 2012 durch die Bundesjustizministerin haben verlautbaren lassen – nämlich, dass man ein Gesetz gegen den Ankauf dieser Steuer-CDs machen wird –, daran kann man sehen, wes Geistes Kind die Idee eigentlich war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Dann kommen die nächsten beiden Punkte dieser großen Huldigungsorgie für diesen Justizminister, diesen ausgesprochenen Vertreter der hessischen Jurisprudenz. Dann wird die Initiative der Landesregierung zur Erweiterung der Möglichkeiten zur Fahndung in sozialen Netzwerken begrüßt. – Wahnsinn. Sie sehen mich hier wirklich erstaunt, dass man dies betonen muss. Wir haben es damit zu tun, dass mittlerweile ganz viele Menschen in unserem Land soziale Netzwerke nutzen – es gibt Twitter und Facebook –, und jetzt verkaufen Sie uns die Fahndung im sozialen Netzwerk als Ihre große Errungenschaft. Sie sagen: Wir werden die Fahndung im sozialen Netzwerk einführen.

Dann jedoch stellen Sie nur Fragen, ohne Antworten zu geben. Ich glaube aber, dass eine Landesregierung zuständig dafür ist, verehrter Herr Justizminister, auch zu sagen, wie Sie es eigentlich machen wollen. Wie wollen Sie es umsetzen und die datenschutzrechtlichen Einwände, die dabei durchaus zutage treten, beheben? Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Daten nicht ewig im Netz bleiben? Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Daten von jemandem, nach dem auf Facebook gefahndet worden ist und der später vor Gericht freigesprochen wird, nicht ewig im Netz herumgeistern? Herr Justizminister, Sie sind nicht zuständig dafür, in der Öffentlichkeit Fragen aufzuwerfen – Sie sind in der Regierung und müssen Antworten geben. Das wäre Ihre eigentliche Aufgabe in diesem Zusammenhang gewesen, anstatt sich hier von Ihrer Fraktion in dieser Art und Weise huldigen zu lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Dann fällt Ihnen noch nicht einmal ein dritter Punkt ein, Herr Kollege Müller.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Als dritter Punkt fällt Ihnen ein, festzustellen, dass Facebook-Fahndung vor allem dafür eingesetzt werden soll, dass der Schutz möglicher Zeugen und die Anonymisierung der abgegebenen Hinweise gegenüber Dritten sichergestellt wird.

Sie loben sich also für die Absichten mit Blick auf Datenhehlerei, Sie loben sich für Facebook-Fahndung und dann loben Sie sich in einem weiteren Punkt dafür, dass Sie sich für einsetzen, der Minister solle sich dafür einsetzen, dass das auch alles nach rechtsstaatlichen Prinzipien verlaufen soll. – Meine Damen und Herren: Wo leben wir denn eigentlich mit diesem Justizminister? Was feiern Sie hier denn eigentlich so, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Das ist schon sehr erstaunlich.

Wenn Sie schon einen Jubelantrag machen, Herr Kollege Müller, dann sollten Sie auch wenigstens richtig jubeln. Schreiben Sie doch auf, mit was man sich noch so beschäftigt hat: Mit der Neuregelung des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung beispielsweise. Das wäre ein Thema gewesen, was auch die Öffentlichkeit interessiert hätte.

(Zuruf der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Warum sind wir da noch nicht weiter? Welche Maßnahmen sind da ergriffen worden? Da war Berichterstatter Nordrhein-Westfalen. Die Datenhehlerei habe ich schon genannt. Mit der Ausstattung der Nationalen Stelle zur Verhütung der Folter hat man sich bei der Justizministerkonferenz auch beschäftigt. Handlungskonzepte zur Krisenintervention bei Zwangsverheiratungen; auch damit haben Sie sich beschäftigt. – Warum können Sie denn noch nicht einmal richtige Jubelanträge schreiben, Herr Kollege Müller? Wenn Sie schon jubeln und huldigen, sollten Sie es doch wirklich besser machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden diesem Jubelantrag aus jubelpolitischen Gründen nicht zustimmen, wie Sie sicherlich verstehen werden, Herr Kollege Müller. Wir werden auch nicht vorschlagen, den Schlossplatz in Jörg- Uwe-Hahn-Platz umzubenennen. Wir werden auch keine Statue fordern, die vor dem Justizministerium aufgestellt wird und wir werden auch nicht fordern, dass der Sternschnuppenmarkt in Jörg-Uwe-Hahn-Weihnachtsmarkt umbenannt wird;

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

denn es ist alles viel zu kleinteilig, was Sie hier machen. Belästigen Sie uns nicht mit solchen Jubelanträgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

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