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30.05.2012
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Gesetz zur Neuregelung des Glücksspielwesens in Hessen

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich gleich den Ausführungen des Herrn Kollegen Rudolph anschließen, die er am Ende seiner Rede getätigt hat. Da ging es um die Frage des geordneten parlamentarischen Verfahrens.

Herr Innenminister und Herr Chef der Staatskanzlei, Sie haben über diesen Staatsvertrag lange verhandelt. Das war schwierig. Das ist eine schwierige Materie. Das ist klar.

Aber es kann jetzt nicht sein, dass der Gesetzentwurf im Schweinsgalopp durchs Parlament gebracht wird und wir nicht die Möglichkeit haben, zu diesem Gesetzentwurf ordnungsgemäß anzuhören und uns eine eigene Meinung zu bilden. Wir wollen auch wissenschaftlichen Sachverstand heranziehen, und zwar nicht nur, weil die Materie so komplex ist, sondern auch, weil, wie ich meine, die jetzt vorgesehenen Regelungen viele Fallstricke haben, von denen wir nicht wissen, ob das deswegen letztendlich nicht wieder vor dem Europäischen Gerichtshof eingefangen wird, und ob die Regelungen, die im Staatsvertrag vorgesehen sind, dann letztendlich auch sachdienlich sind.

Ich weiß, dass das ein sehr kompliziertes Verfahren war. Ich weiß, dass das Aushandeln eines Staatsvertrags keine Veranstaltung ist, die vergnügungssteuerpflichtig ist. Das will ich Ihnen gerne zugestehen. Aber es ist trotzdem so, dass dieses Parlament am Ende zustimmen muss.

Herr Innenminister hat das in Teilen schon ausgeführt. In dem Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Neuregelung des Glücksspielwesens in Hessen stehen durchaus sinnvolle Regelungen, und zwar hinsichtlich der Spielsucht, des Spieltriebes, der Frage der Genehmigungen und der Frage der Konzessionen auch hinsichtlich der Experimentierklausel. Das ist durchaus richtig.

Herr Innenminister, am Ende steht aber die Frage: Trägt das, auf dem dieser Gesetzentwurf fußt? Wird der Staatsvertrag, der jetzt als Entwurf vorliegt, tragen? Wird er halten, oder wird er angegriffen werden? Wenn er erfolgreich angegriffen werden sollte, wird auch dieses Glücksspielgesetz in sich zusammenfallen. Das ist also wirklich eine schwierig zu regelnde Materie.

Es geht da um sehr viel Geld. Deswegen ist das auch so umstritten. Denn wenn es um nichts gehen würde, würden sich nicht die verschiedensten Verbände mit einer Flut an Informationsschriften an uns wenden, um sowohl in die eine als auch in die andere Richtung zu überzeugen.

Ich will nur einmal die Zahlen für das Jahr 2010 nennen. Beim Lotto geht es da um eine Größenordnung von 530 Millionen €. Ein Großteil dieser Einnahmen wird nachher den Destinatären zur Verfügung gestellt, die wirklich sehr gute Arbeit im Sport, im karitativen und im sozialen Bereich leisten. Dazu muss man wissen: Jeder Euro, der da nicht eingenommen wird, kann auch nicht an die Destinatäre verteilt werden. Es geht da also um relativ viel Geld.

Wir reden bei dem Glücksspielmarkt der Sportwetten über eine Größenordnung zwischen 8 und 9 Milliarden € an Umsätzen. Da geht es um richtig viel Geld. Deswegen sind da auch schon viele am Start, die den Versuch unternehmen, uns als Parlamentarier entweder in die eine oder andere Richtung zu vereinnahmen, oder aber sie versuchen, ihr Geld damit zu verdienen. Man hat bei der Anhörung zu den Entwürfen der Spielhallengesetze gesehen, dass von der Automatenindustrie sehr viel juristischer Sachverstand aufgeboten wurde, um in die jeweilige Richtung zu lenken. Da wurde schon versucht, viel Einfluss zu nehmen.

Wir werden am Ende auch darüber diskutieren müssen, ob das, was hier als Staatsvertrag vorgelegt wurde, den Anforderungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2010 Rechnung trägt. Der Europäische Gerichtshof hat seinerzeit die Regelung ausgesetzt. Er hat gesagt, das Spielwesen in Deutschland sei nicht kohärent, also schlüssig und zweckmäßig, geregelt.

Gerade das ist einer der Pferdefüße, die ich auch bei den jetzigen Regelungen sehe. Ich habe gehört, dass auch im Innenministerium einmal darüber nachgedacht worden sei, ob das alles tragen werde. Aber man befindet sich da in einem Prozess, bei dem man Kompromisse hinsichtlich des Staatsvertrags machen muss.

Bei der Frage der Kohärenz geht es doch darum: Ich belege Spiele wie Toto und Lotto mit einem Monopol, obwohl ich weiß, dass diese Spiele relativ geringe Suchtpotenziale haben. Ich öffne aber andere Bereiche oder lasse da etwas schrankenlos zu, ohne es zu regulieren, obwohl ich weiß, dass diese Arten des Spiels relativ hohe Suchtpotenziale in sich bergen.

Das ist der Grund, weshalb der Europäische Gerichtshof seinerzeit gesagt hat, dass die Regelungen, die wir in Deutschland haben, nicht kohärent sind. Deswegen hat er die deutschen Regelungen ausgesetzt. Der Europäische Gerichtshof hat sich ausdrücklich nicht gegen Monopole ausgesprochen.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

– „Obwohl das immer behauptet wurde.“ – Der Europäische Gerichtshof hat gesagt: Ja, zum Schutz höherer Rechtsgüter kann man auch Monopole festschreiben. Das muss dann aber für den gesamten Glücksspielmarkt kohärent geregelt sein. Ich bezweifle, ob das der Fall sein wird.

Zum Beispiel hat der Europäische Gerichtshof seinerzeit zum Kasino- und Automatenspiel gesagt – ich zitiere aus den Leitsätzen des Urteils: Zum anderen betreiben oder dulden deutsche Behörden in Bezug auf Glücksspiele wie Kasino- oder Automatenspiel, die nicht demselben staatlichen Monopol unterliegen, aber ein höheres Suchtpotenzial aufweisen als die vom Monopol erfassten Spiele, eine Politik, mit der zur Teilnahme an diesen Spielen ermuntert wird. Unter diesen Umständen lässt sich das präventive Ziel des Monopols nicht mehr wirksam verfolgen, sodass das Monopol nicht mehr gerechtfertigt ist. – So weit aus den Leitsätzen zu diesem Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

Jetzt haben Sie Regelungen mit einer Experimentierklausel getroffen. Herr Kollege Heinz, Sie haben die eben sehr gelobt.

(Zuruf des Abg. Christian Heinz (CDU))

– Ich weiß. Dass Herr Kretschmann und SPD-Ministerpräsidenten das unterschrieben haben, hindert uns nicht daran, über dieses Thema eine intellektuelle Debatte zu führen. Das sollte uns doch klar sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir schalten nicht das Gehirn aus, weil Herr Kollege Kretschmann – den wir alle sehr schätzen – das unterschrieben hat. Der hat unter Umständen andere Gründe, das zu unterschreiben, als wir, die wir hier in Hessen über den Staatsvertrag reden. Wir schalten nicht unser Gehirn aus, wenn andere Mitglieder unserer Partei eine andere Auffassung vertreten. Herr Kollege Heinz, nehmen Sie das endlich einmal zur Kenntnis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich will Ihnen das an einem Beispiel klarmachen. Sie wissen genau, worauf ich hinaus will. Sie öffnen das Internet bei den Sportwetten.

Es ist richtig, dass wir bei den Sportwetten etwas unternehmen.

Für diejenigen, die sich mit dieser Materie nicht auskennen: Bei den Sportwetten geht es um Größenordnungen von 7 Milliarden Euro bis 9 Milliarden Euro.

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Herr Kollege Frömmrich, Sie müssten zum Ende Ihrer Rede kommen.

Jürgen Frömmrich:

Ja. – 94 Prozent dieses Marktes finden außerhalb statt, nicht staatlich geregelt: keine Steuern, kein Nichts. Das ist Schwarzmarkt.

Deswegen ist es richtig, daran teilzunehmen und dazu eine Experimentierklausel einzufügen. Aber mit welchem Argument öffnen Sie diesen Teil des Internets – verbieten aber z. B. Poker oder Kasino im Internet? Das ist nicht schlüssig, nicht kohärent.

Wir müssen uns mit diesen Fragen und mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs noch einmal sehr intensiv auseinandersetzen. Ich freue mich auf eine spannende, kontroverse Debatte. Aber wir sollten uns die Zeit nehmen, in einem ordentlichen Verfahren mit einer ordentlichen Anhörung diesen Themenkomplex ordentlich zu diskutieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

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