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25.09.2012
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Gesetz zur Neuordnung der Aufgaben zum Schutz der Verfassung und zur Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir schon fast gedacht, dass das wieder eine Debatte wird, wo die rechte Seite die linke Seite braucht, um sich gegenseitig „Wertschätzung“ zu bezeugen. Aber ich glaube, das sage ich in Richtung des Kollegen Bellino, dass man in dieser Frage durchaus nachdenken sollte und nachdenken muss. Denn das, was wir mit den Sicherheitsbehörden, insbesondere auch mit den Verfassungsschutzbehörden, in den letzten Monaten erlebt haben, muss uns als Innenpolitiker geradezu dazu zwingen, darüber zu diskutieren, ob es sowohl an der Organisation der Verfassungsschutzbehörden als auch an der Zusammenarbeit dieser Behörden untereinander für uns als Gesetzgeber irgendetwas zu besorgen gibt. Ich bin der festen Überzeugung, dass es für uns da etwas zu ändern gibt.

Es hat doch in der Vergangenheit Fehler gegeben. Das bestreitet im Übrigen außer der hessischen CDU und dem Kollegen Bauer in seiner Presseerklärung niemand. Der Präsident des Bundeskriminalamts, Ziercke hat ganz deutlich gesagt, dass die Sicherheitsbehörden in diesem Fall versagt haben. Herr Fromm, der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, hat das sehr deutlich vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages gesagt. Selbst der Bundesinnenminister Friedrich, CSU, hat zugegeben, dass es ein Versagen der Sicherheitsbehörden gegeben hat und dass es insbesondere ein Versagen in der Bekämpfung des Rechtsextremismus gegeben hat, dass man dort nicht genau hingeschaut hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, von daher plädiere ich dafür, dass man über diesen Themenkomplex sehr sachbezogen und, wie ich meine, mit Abstand diskutieren sollte. Das, was die Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei hier vorgelegt haben, kann durchaus ein Diskussionsbeitrag sein. Entschuldigung, ich glaube, es ist die verkehrte Schlussfolgerung aus dem, was stattgefunden hat. Aber ich glaube schon, dass man in diesem Bereich darüber diskutieren muss, was man an diesem System ändern muss, und dazu haben Sie hier einen Vorschlag vorgelegt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wie gesagt: Ich halte Ihre Schlussfolgerung nicht für konsequent. Ich glaube auch, dass diese Schlussfolgerung, den Verfassungsschutz abzuschaffen, nicht die richtige ist. Diesem Vorschlag sollte nicht gefolgt werden. Die von Ihnen vorgeschlagene Dokumentationsbehörde wird dem Problem, das wir haben, nicht gerecht. Wenn man sich den Gesetzentwurf einmal genauer anschaut, strotzt er zum Teil vor Dingen, die so nicht stimmen und so nicht stehen gelassen werden können.

Im Übrigen – das sage ich auch in Richtung des Kollegen Wilken – sind wir als Fraktion und ich in dieser Frage auch jederzeit sprechfähig. Wenn Sie aber mit uns sprechen wollen, sollten Sie Ihre Einladungen auch an uns adressieren und sich nicht vor den Hessischen Landtag stellen und sagen, wir würden an irgendwelchen Workshops oder Werkstattgesprächen nicht teilnehmen. Wenn Sie uns eine Einladung schicken, kommen wir natürlich auch zu Ihren Werkstattgesprächen.

Ihre Schlussfolgerung aber ist nicht die richtige. Sie sagen in Ihrem Gesetzentwurf ausdrücklich, dass es einen Totalausfall gegeben habe. Sie sprechen dort im Übrigen auch noch von einem Frühwarnsystem. Die Feststellung, die Sie treffen, kann im Fall des Rechtsextremismus durchaus als Begründung dienen. Ich glaube, wir müssen ganz genau hinsehen, wie die Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren auf den Rechtsextremismus geschaut haben, wie man in diesem Bereich gearbeitet hat und ob dort nicht – ich habe es schon einmal gesagt – mit deutlicher Sehschwäche beobachtet worden ist.

Wir haben es aber nicht nur mit dem Phänomen des Rechtsextremismus zu tun, wie Sie es schreiben, Herr Kollege Wilken. Wir haben es auch mit anderen Formen des Extremismus zu tun, z. B. Islamismus, Salafismus und Ausländerextremismus. Wir haben es aber auch mit Linksextremismus und Rechtsextremismus zu tun. Ihr Vorschlag und die Analyse, auf der er basiert, sind nicht ausreichend.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Der Vorschlag ist nicht geeignet.

Für den Umgang mit diesen unterschiedlichen Bereichen des Extremismus brauchen wir Erkenntnisse. Wenn Sie einmal die Berichte des Verfassungsschutzes auch zu diesen Feldern lesen, so werden Sie durchaus erkennen, dass es interessante Hinweise und Schlussfolgerungen dazu gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Meine Damen und Herren, es reicht eben nicht aus, eine Schlussfolgerung, die Rolf Gössner in einem Gespräch mit der „Frankfurter Rundschau“ geäußert hat, in ein Gesetz zu gießen; denn er hat bei dieser Veranstaltung mit einer öffentlichen Dokumentationsstelle genau das gefordert, was Sie jetzt umsetzen wollen.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

– Ich zitiere Ihnen gleich noch jemanden, der in diesem Bereich Erfahrung hat. – Das ist nicht zielführend.

Wenn Sie sich beispielsweise die Mühe machen und den Artikel in der Frankfurter Rundschau vollständig lesen, werden Sie auch Dr. Armin Pfahl-Traughber zitieren können, der das Jahrbuch für Extremismus und Terrorismus herausgibt. Er sagt, dass es beim Verfassungsschutz durchaus Reformbedarf gebe, aber die Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes gestärkt werden müsse.

Man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Es muss eine grundständige Diskussion über den Verfassungsschutz insgesamt geführt werden. Man muss sich den Bereich der V-Leute genauer anschauen, wie es Frau Kollegin Faeser gerade gesagt hat und wie es sich die Innenminister vorgenommen haben.

Wenn diese Diskussion geführt wird, sind aber vielleicht auch die Erkenntnisse, die gerade in Berlin vom parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages gewonnen werden, in die Debatten mit einzubeziehen. Es muss auch das mit einbezogen werden, was der Generalbundesanwalt zurzeit bei seinen Ermittlungen herauszubekommen versucht.

Ich denke, dass einerseits das, was die Linkspartei hier vorgelegt hat, der falsche Weg ist, ebenso wie das, was die Kolleginnen und Kollegen der FDP vorgelegt haben. Wir werden morgen darüber diskutieren können. Dies sind Schlüsse, die nach meiner Auffassung in die falsche Richtung gehen oder – wie im Falle von CDU und FDP – zu kurz springen.

Wir sollten uns – das meine ich wirklich ernst, auch in Richtung der Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP – für diesen Bereich Zeit lassen und den Versuch unternehmen, die Erkenntnisse auszuwerten, die zurzeit von den Behörden auf Bundes- wie auch auf Landesebene zusammengetragen werden. Dann sollte darüber diskutiert werden, wie ein neues Verfassungsschutzgesetz für das Land Hessen aussehen muss, das mehr Transparenz, mehr Offenheit, aber auch wesentlich mehr parlamentarische Kontrolle beinhaltet.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Jürgen Frömmrich:

Dafür sollten wir uns in der Tat Zeit nehmen und nicht mit Schnellschüssen arbeiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Herr Frömmrich.

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