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03.02.2011
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es schon gut, nachdem der Kollege Bauer hier ein Plädoyer für seinen Vorschlag gehalten hat, dass wir noch einmal deutlich machen können, dass wir uns da in der Tat diametral unterscheiden. Denn wir haben keine Angst vor dem Bürger.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Wir sind für Bürgerbeteiligung, und wir sind für direkte Demokratie. Da unterscheiden wir uns in der Tat von Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich sage auch ganz deutlich, dass unserer Auffassung nach das, was Sie als Gesetzentwurf vorgelegt haben, zu kurz greift. Wir haben Ihnen Alternativvorschläge gemacht, was die einfach-gesetzlichen Regelungen angeht. Wir wollten die Quoren auf 1 % heruntersetzen, die Kolleginnen und Kollegen von der SPD auf 0,5 %. Das haben Sie alles abgelehnt – ich werde gleich noch darauf eingehen –, obwohl Sie das auch schon einmal anders gesehen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das eigentliche Problem ist nicht die einfach-gesetzliche Regelung. Das eigentliche Problem, warum in Hessen noch keine Volksbegehren und Volksentscheide durchgeführt und letztendlich auch umgesetzt wurden, ist die Hürde in der Verfassung. Ich glaube, dass wir gemeinsam darangehen müssen, diese Hürde zu senken, damit auch in Hessen, wie in anderen Bundesländern im Übrigen, Volksgesetzgebung und Bürgerbeteiligung, Volksbegehren und Volksentscheide endlich durchgeführt werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Es reicht eben nicht, den Anlauf zu verlängern, ohne die richtige Hürde zu senken. Das hat der Kollege Dr. Jürgens schon in der ersten Lesung zu dem Gesetzentwurf gesagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Im Übrigen haben alle Anzuhörenden – ich betone noch einmal: alle Anzuhörenden – in der Anhörung des Innenausschusses genau das gesagt. Die Experten haben Ihre Vorstellungen für vollkommen unzureichend gehalten und haben gesagt, dass die eigentliche Problematik der Passus in der Verfassung ist.

Ich will Ihnen kurz zitieren, was der Verein Mehr Demokratie zu diesem Punkt gesagt hat:

Der vorliegende Gesetzentwurf von CDU und FDP bringt aus Sicht von Mehr Demokratie e. V. Hessen keine echte Verbesserung der unbefriedigenden Rechtslage zu Volksbegehren und Volksentscheid. Der Gesetzentwurf reduziert das Problem der demokratischen Defizite in Hessen auf Randkriterien und blendet die tiefen Ursachen und Zusammenhänge aus. … Er bleibt weit hinter den Notwendigkeiten der gesetzlichen Anpassung an die Ansprüche der Bürger auf politische Teilhabe zurück.

Vollkommen richtig analysiert vom Verein Mehr Demokratie e. V.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will auch kurz auf das eingehen, was der Kollege Bauer hier angesprochen hat, was die Frage der Hürde angeht. Wir haben vorgeschlagen, die Hürde auf 1 % zu senken, und wir haben vorgeschlagen, dass wir eigentlich die Verfassung ändern müssten. Wir haben dazu einen Gesetzentwurf eingebracht, den Sie leider abgelehnt haben. Ich frage mich, warum Sie hier mit Verve etwas vortragen, was Sie z. B. im Jahr 2007 noch anders gesehen haben. Seinerzeit hat Frau Kollegin Zeimetz-Lorz, ehemalige innenpolitische Sprecherin, in der Debatte gesagt:

Ich kann nur das wiederholen, was ich bereits in der ersten Lesung gesagt habe: Der Gesetzentwurf

– also unserer damals –

mag zwar gut gemeint sein, ist aber nicht mehr als weiße Salbe. An dieser Einschätzung hat sich auch nach der Anhörung nichts geändert, denn er löst das Problem nicht. Die CDU-Fraktion bleibt auch bei der Einschätzung, dass es sinnvoller ist, dieses Gesetzeswerk im Kontext mit Art. 124 der Hessischen Verfassung zu betrachten, nicht isoliert.

Frau Zeimetz-Lorz sagt weiter:

Im Kontext einer Änderung der Hessischen Verfassung können wir auch gerne darüber reden, das Zulassungsquorum von 3 % auf 1 % abzusenken. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, ich sehe darin keinen Sinn, wenn wir nicht zugleich Art. 124 der Hessischen Verfassung ändern.

Recht hat Frau Kollegin Zeimetz-Lorz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich frage mich in der Tat, wo eigentlich Ihre Änderung dieser Meinung hergekommen ist. Der jetzige Wirtschaftsminister Posch hat in der gleichen Debatte seinerzeit genau das Gleiche gesagt. Ich erinnere daran, dass wir damals die Verfassungsenquetekommission hatten, die sich mit dieser Problematik befasst hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Erfahrungen in allen anderen Bundesländern zeigen genau, dass das nicht eintritt, was Sie hier gerade an die Wand gemalt haben: dass einzelne Interessengruppen dadurch die Gesetzgebung bestimmen, dass sie mit viel Geld und mit viel Öffentlichkeitsarbeit für gewisse Ziele streiten. Schauen Sie sich das Volksbegehren zum Nichtraucherschutz in Bayern an.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche und Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Da ist genau das Gegenteil passiert. Da ist mit sehr viel Geld der Zigarettenindustrie gegen das Volksbegehren geworben worden, und die Bürgerinnen und Bürger in Bayern haben sich trotzdem für ein ordentliches Rauchverbot eingesetzt. Ihre Argumente laufen einfach ins Leere.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Von daher sage ich, um im Bilde zu bleiben und Frau Kollegin Zeimetz-Lorz noch einmal zu zitieren: Das, was Sie hier machen, ist wirklich weiße Salbe, das ist Placebopolitik. Sie versuchen, gerade in Richtung der FDP, ein Thema zu besetzen, und wollen sich das Mäntelchen der Partei umhängen, die auch Volksbegehren und plebiszitäre Elemente unterstützt, ohne wirklich an den Grund dessen zu gehen, was das Problem ist, nämlich die Änderung der Hessischen Verfassung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr Gesetzentwurf geht nicht weit genug, Ihr Gesetzentwurf ist weiße Salbe. Deswegen werden wir Ihren Gesetzentwurf auch ablehnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

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