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04.09.2012
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Gesetz zur Entfristung und zur Veränderung der Geltungsdauer von befristeten Rechtsvorschriften

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Justizminister würde uns einen Gefallen tun, wenn er seinen Platz einnehmen und dieser Debatte bis zum Ende lauschen würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

– Herr Kollege Dr. Blechschmidt, so weit sind wir schon. Das verlangt der Respekt gegenüber diesem Hause schon: Entweder lässt man einen Gesetzentwurf gleich vom Staatssekretär einbringen – dann braucht man nicht anwesend zu sein –,

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

oder man bringt einen Gesetzentwurf ein, und dann sollte man so fair sein, der Debatte auch zu lauschen,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Widerspruch des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

zumal ich gar nicht damit gerechnet habe, dass es eine solche kontroverse Debatte gibt. Aber der Kollege Hahn, der Minister – er ist zurzeit Zaungast –,

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

hat heute Morgen schon sehr gut vorgelegt. Er hat über die Presse erklären lassen:

Justizminister Jörg-Uwe Hahn hat ein neues Gesetz gegen zu viele Gesetze in den Landtag eingebracht.

(Lachen des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Was soll das heißen? All diese Gesetze, die wir hier behandeln – nämlich 73 an der Zahl –, verlängern wir in unterschiedlichem Ausmaß.

(Lachen der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Das ist also kein Gesetz gegen neue Gesetze.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Dann sagen Sie, Sie seien der Notar für die übrigen Minister, und so würde erfolgreich Bürokratie abgebaut.

Herr Justizminister, ich schlage vor, wir hängen alles eine Nummer tiefer und diskutieren, worum es in der Sache geht, anstatt die Dinge zu überhöhen. Wir bleiben bei den Debatten anwesend, und dann ist die Debatte auch in Ordnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich erinnere einmal daran, dass Sie gerade etwas kassieren oder ändern, was einer der Leuchttürme der Regierungsära von Roland Koch war. Ich zitiere aus der Regierungserklärung vom 22. April 1999. Damals sagte Roland Koch:

Unter Rot-Grün wurde der Glaube an Gesetze, Rechtsverordnungen und Erlasse als Allheilmittel zur Lösung unserer Probleme nicht wirklich gebrochen. Wir setzen dagegen auf die Kraft der Freiheit, die die kreativen Kräfte der Menschen zur Entfaltung bringt. … Bei neuen Gesetzen, Verordnungen und Erlassen werden wir Ihnen vorschlagen, soweit der Landtag betroffen ist, oder es selbst verantworten, soweit das Kabinett betroffen ist, dass die Bestandskraft auf jeweils fünf Jahre begrenzt wird, um damit allen Beteiligten eine Chance zu eröffnen, eine neue, auch öffentliche Debatte über die Notwendigkeit der jeweiligen Regeln zu führen, statt diese wie selbstverständlich in den Gesetzbüchern zu belassen.

Roland Koch hat das alles sehr hochgehängt. Es sollte eine öffentliche Debatte über die Notwendigkeit von Gesetzen geführt werden.

Meine Damen und Herren, wir wissen, all dies hat nie stattgefunden. Wir haben zwar die Geltungsdauer von Gesetzen verlängert, und wir haben auch Gesetze auf fünf Jahre befristet. Über das, was die grundsätzliche Idee dahinter war – nämlich zu schauen, wenn man neue Gesetze macht, inwieweit sie Wirkung entfalten, ob sie Fehlwirkungen entfalten, ob man nicht nach gewissen Jahren nachsteuern muss –, kann man durchaus nachdenken. Aber jetzt erleben wir wieder – das haben die Kollegen vor mir schon gesagt –, dass die Geltungsdauer dieser Gesetze verlängert wird und der Gesetzgeber – das ist der Hessische Landtag – eben nicht in die Lage versetzt wird, diese Gesetze zu evaluieren und zu schauen, wie sich diese Gesetze entwickelt haben. Das wäre der Grundsatz der Befristung von Gesetzen, und gerade das machen Sie leider nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in der Vergangenheit schon des Öfteren die Debatte darüber geführt, ob es sinnvoll ist, Gesetze zu befristen. Ich erinnere daran – Sie können die Protokolle nachlesen –, dass es damals schon Debatten darüber gegeben hat. Kollege Al-Wazir hat immer gesagt, dass es vollkommen unsinnig ist, Gesetze wie z. B. die hessische Kommunalverfassung, die Landkreisordnung oder Wahlrechtsgesetze mit einer Frist von fünf Jahren zu versehen. Das ist einfach unsinnig gewesen.

Mittlerweile haben Sie das auch erkannt und gehen einen Schritt in die richtige Richtung. Sie sagen, es gibt demnächst Gesetze, die keine Befristung mehr haben; es gibt Gesetze, die auf fünf Jahre befristet werden; und es wird auch Gesetze geben, die auf acht Jahre befristet werden. Von daher ist die seinerzeitige Kritik an der Fünfjahresregelung offensichtlich nach elf Jahren angekommen, und Sie vollziehen das nach, was seinerzeit schon angemerkt wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage noch einmal, wir haben es hier mit 73 Gesetzen zu tun. Es wäre aller Ehren wert, hier viele Gesetze anzusprechen. Ich will es nur an zwei Punkten machen, was die Frage der Evaluierung angeht.

Die Kollegin Dorn hat z. B. für den Bereich der Umweltpolitik gesagt, es wäre dringend notwendig, einmal über die Evaluierung des Wassergesetzes zu reden. Auch da wird einfach nur verlängert. Ich glaube, dass es aller Ehren wert wäre, hier eine Evaluierung vorzunehmen.

Im Innenausschuss haben wir es neulich mit einem Gesetzentwurf zu tun gehabt – die Kollegen erinnern sich –, was die Frage des Bestattungswesens anging. Da haben Sie auch einfach nur verlängert, obwohl es von vielen den Wunsch gibt, etwas zu verändern: die Frage anderer Bestattungsriten, z. B. auch die Bestattungsriten von Muslimen zu berücksichtigen, die Frage von Grabeinfassungen zu regeln, wie weit man den Kommunen da Gestaltungsräume eröffnet, die Frage der Friedwälder zu lösen. Auch bei der Frage der Leichenschau, die von der Polizei oder von Kriminalisten immer wieder angesprochen wird, haben wir einiges nachzuholen, weil diese Regelungen nicht richtig sind. Das lag auf dem Tablett, und wir haben schon einmal darüber geredet. Sie haben aber das Ablaufen des Gesetzes nicht dazu genutzt, zu evaluieren und die Probleme aufzuzeigen, sondern Sie haben einfach nur die Befristung verlängert.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns bei dieser Debatte im Rechts- und Integrationsausschuss darüber verständigen, wenn wir Gesetze mit Ablauffristen versehen, dass wir dann auch eine grundständige Evaluierung machen und dass der Gesetzgeber, nämlich dieses Parlament, sich dann auch mit diesen Dingen zu beschäftigen hat und schaut, wo etwaiger Änderungsbedarf ist.

Auch ich freue mich auf die Debatte im Rechts- und Integrationsausschuss. Wie gesagt, es war ein Leuchtturm von Roland Koch, und wie so viele Leuchttürme von Roland Koch ist auch dieser zumindest in Teilen zerbröselt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

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