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29.03.2012
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Fragwürdige Exporterfolge der Rüstungsindustrie

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe darauf gewartet und gehofft, Willi würde es noch schaffen, den Werbeblog für die Ostermarschkampagne hineinzubekommen. Aber man hat ja gesehen, es ist ihm auf den letzten Metern noch gelungen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es ist aller Ehren wert, über die Rüstungsexportpolitik der Bundesrepublik Deutschland zu diskutieren. Wir haben dazu auch einen Antrag vorgelegt.

Wir bedauern sehr, dass der Anspruch der Bundesrepublik Deutschland, eine restriktive Rüstungspolitik zu betreiben, in der Praxis nur unzureichend umgesetzt wird. Eine restriktive Rüstungspolitik sollte sich an den Zielen der Gewaltvermeidung, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung orientieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Leider müssen wir feststellen, dass es ein dramatisches Missverhältnis zwischen friedenspolitischen Zielen Deutschlands einerseits und den fragwürdigen Exporterfolgen der deutschen Rüstungsindustrie andererseits gibt. Es ist nicht ganz verwunderlich, wenn der Bericht der Bundesregierung über die Exportpolitik der konventionellen Rüstungsgüter im Jahr 2010 mit dem Logo des Wirtschaftsministers versehen ist. Dort kann man lesen: Wirtschaft, Wachstum, Wohlstand. – Meine Damen und Herren, dies ist keine gute Headline für den Bericht über wachsende Rüstungsexporte der Bundesrepublik. Falsches Ministerium, falsches Logo.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutschland liegt auf Platz drei bei den Rüstungsexporten. Das SIPRI-Institut meldet: Mit 30 Prozent werden die meisten Waffen aus den USA exportiert. Die Ausfuhr aus Russland liegt bei 24 Prozent. Deutschland zählt mit 9 % zu den großen Waffenexporteuren. Frankreich und Großbritannien liegen mit 8 bzw. 4 Prozent aller Waffenexporte hinter der Bundesrepublik Deutschland. In den letzten fünf Jahren haben die Waffenexporte um 24 Prozent zugenommen. In Deutschland sind die Waffenexporte um 37 Prozent gesteigert worden. – Meine Damen und Herren, das ist keine gute Entwicklung. In diesem Bereich sollten wir restriktiver vorgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Auf Druck der grünen Bundestagsfraktion wurden schon im Jahr 2000 die politischen Grundsätze der Bundesregierung für Rüstungsexporte deutlich verschärft. Leider müssen wir erkennen, dass diese Grundsätze keine ausreichende Bindekraft entfalten. Entgegen der Grundsätze setzen sich oft die wirtschafts- und industriepolitischen Interessen gegen die der Menschenrechtsinteressen durch.

Wurden 1997 noch Ausfuhren in Höhe von 707,4 Millionen Euro getätigt, waren es im Jahr 2010 schon Ausfuhren in Höhe von 2,1 Milliarden Euro. Darin sind die geplanten Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien noch gar nicht enthalten.

Bereits jetzt sind 70 Prozent aller Produkte der deutschen Rüstungsindustrie für den Export bestimmt. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Brasilien oder Indien sind die zahlungskräftigsten Abnehmer deutscher Rüstungsgüter. Dem wachsenden Rüstungsexport stehen eine mangelnde Transparenz und eine fehlende parlamentarische Kontrolle bei den Rüstungsexporten gegenüber, deshalb hat unsere Bundestagsfraktion im Januar dieses Jahres Eckpunkte für ein Rüstungskontrollgesetz vorgelegt.

Meine Damen und Herren, wir müssen an der Debatte um die Rüstungsexporte und auch bei den Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien sehr genau sehen, dass dieser Problembereich mangelnd transparent ist und wir dafür eine ordentlich funktionierende parlamentarische Kontrolle brauchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Zu den Zielen, die unsere Bundestagsfraktion formuliert hat, gehören beispielsweise die gesetzliche Verankerung von Rüstungsexportentscheidungen, eine verbindliche Berichtspflicht, die Federführung beim Auswärtigen Amt und nicht beim Wirtschaftsministerium, die Stärkung der Kontrollrechte des Parlaments, ein Verbot der Lizenzvergaben für Drittstaaten – Willi van Ooyen hat das gerade für die Gewehre gesagt – eine Endverbleibskontrolle, die sicherstellt, dass Waffen, die in NATO-Partnerländer beliefert werden, auch wirklich dort verbleiben und letztendlich die Einführung eines Verbandsklagerecht.

Diese Vorschläge für ein Rüstungsexportgesetz werden dazu führen, dass in diesem Bereich restriktiver und zurückhaltender bei den Exporten in Drittländer vorgegangen wird. Wir finden es wichtig, dass wir in diesem Bereich restriktiver und zurückhaltender vorgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegensatz zu den LINKEN sind wir aber nicht für eine generelle Einstellung der Exporte.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Frau Kollegin Wissler, vielleicht verhindert vertiefte Sachkenntnis auch die muntere Debatte. – Herr van Ooyen, wenn Sie einmal in den Anhang 7 des Berichts der Bundesregierung sehen, können Sie entnehmen, dass es durchaus Lieferungen gibt, die unter diesen Bereich der Rüstungsexporte fallen, die aber für humanitäre Zwecke oder für VN-Missionen dienen. Frau Kollegin Wissler, einige Beispiele, auch für Sie: Minenräumgeräte, die nach Afghanistan und nach Jordanien gehen. Frau Kollegin Wissler, wollen Sie das in der Tat verbieten?

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Geländewagen mit Sonderschutz an Hilfsorganisationen oder Botschaften in Jordanien, Kenia oder Aserbaidschan: Wollen Sie das wirklich verhindern, Frau Kollegin Wissler?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lkw-Teile für den Katastrophenschutz nach Haiti: Frau Kollegin Wissler, wollen Sie das wirklich verhindern? Teile von Maschinenpistolen für VN-Missionen, also für UN-Missionen, nach Kambodscha und in den Libanon: Wollen Sie in der Tat verhindern, dass diese Institutionen, die im Auftrag internationaler Organisationen tätig sind, mit solchen Gütern, die sie schützen, nicht mehr beliefert werden? Frau Kollegin Wissler, wir glauben, nein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der LINKEN)

Um Aspekten der Menschrechte mehr Gewicht zu verleihen und der Gefahr innerstattlicher Repression zu begegnen, sollten die gemeinsamen Standpunkte der EU zu Waffenexporten im Außenwirtschaftsgesetz und im Kriegswaffenkontrollgesetz verankert werden. Dazu gehören erstens die Einhaltung internationaler Verpflichtungen, zweitens die Achtung der Menschenrecht und des humanitären Völkerrechts, drittens die Berücksichtigung der inneren Lage im Endbestimmungsland, viertens die Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der jeweiligen Religion, die Sicherung der nationalen Sicherheit der Mitgliedsstaaten sowie befreundeter Länder, sechstens Bewertung des Verhaltens des Käuferlandes gegenüber der internationalen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung der Art der von ihm eingegangenen Bündnisse und der Einhaltung des Völkerrechts, siebtens Verminderung des Risikos der Abzweigung von Militärtechnologie oder Militärgütern im Kaufland oder der Wiederausfuhr von Militärgütern unter unerwünschten Bedingungen und achtens die Vereinbarkeit der Handelsaktivitäten mit der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Empfängerlandes.

Das sind gute grundsätzliche Standpunkte, die von der EU formuliert worden sind. Andere europäische Länder, wie Großbritannien, Schweden, Dänemark, Tschechien und Österreich, haben diese gemeinsamen Standpunkte bereits in nationales Recht übernommen. Die Rüstungsexportrichtlinien und die gemeinsamen Standpunkte der EU enthalten viele gute Kriterien für eine restriktive Exportpolitik. Wir sollten diese Normen auch bei uns gesetzlich verankern. Es würde auch der Bundesrepublik Deutschland gut anstehen, die EU-Standpunkte in nationales Recht zu überführen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass man, wenn man in diesem Bereich restriktiver vorgehen will, wenn man die Exporte beschränken will, natürlich auch Strategien entwickeln muss, wie man den Firmen hilft – um dort die Arbeitsplätze zu erhalten –, die zurzeit von diesen Exporten abhängig sind. Ich denke, da brauchen wir besondere Anstrengungen im Bereich der Konversion, insbesondere Beratungsleistungen durch den Staat, wie man Güter entwickelt und produziert, die man erfolgreich am Weltmarkt platzieren kann.

Meine Damen und Herren, das, was ich hier vorgestellt habe, das, was im Deutschen Bundestag in der Debatte ist – vorgelegt durch unsere Fraktion –, nämlich eine gesetzliche Verankerung, ist der richtige Weg. Wir sollten uns einig sein, dass man in diesem Bereich restriktiv vorgeht und ihn nicht in dem Maß ausweitet, wie das in den letzten Jahren geschehen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

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