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23.07.2015
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Extremistischem Salafismus und Islamismus insbesondere präventiv entgegentreten – Zusammenarbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Präventionsinstanzen und Sicherheitsbehörden stärken

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr beeindruckt über die Art und Weise, wie über dieses sehr wichtige Thema diskutiert wird. Von allen Kolleginnen und Kollegen sind bisher die Gemeinsamkeiten betont worden. Das, was uns im Kampf gegen diese Form des Extremismus eint, das finde ich sehr positiv.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Hier geht es um Extremisten, um Menschen, die schwerste Straftaten vorhaben, die das, was wir als Grundwerte in unserem Grundgesetz vereinigt haben, bekämpfen wollen. Das wissen wir und müssen das auch über den repressiven Bereich, also über die Polizei und den Verfassungsschutz, durchsetzen. Wir müssen aber auch wissen, wenn wir den Kampf um die Köpfe der jungen Menschen nicht gewinnen, dass wir dann den Kampf über die repressiven Maßnahmen nicht gewinnen können. Deswegen ist es so wichtig, den Kampf um die Köpfe zu gewinnen und deswegen ist die Prävention so wichtig. Das haben wir alle betont. Das war eine der Tatsachen, die wir in dieser sehr spannenden Anhörung mitbekommen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Der Landtag hat sich Anfang dieses Jahres mit einer Anhörung zu diesem Thema beschäftigt. An der Stelle möchte ich auch im Namen meiner Fraktion noch einmal ausdrücklich denen danken, die als Anzuhörende anwesend waren. Sie haben uns wertvolle Informationen und nützliche Anregungen gegeben. Gerade die jüngsten schrecklichen Anschläge in Tunesien, in der Türkei und in Frankreich, die Festnahmen des unter Terrorverdacht stehenden Paares aus Oberursel, sowie die steigende Zahl junger Menschen, die nach Syrien und andere Kriegsgebiete ausreisen, zeigen, wie wichtig es ist, dass wir uns sehr intensiv mit diesem schnellwachsenden Phänomen auseinandersetzen.

Zu Beginn möchte ich ausdrücklich sagen, Kollege Merz hat es auch getan: Die überwiegende Mehrheit der Menschen mit muslimischen Glauben in Hessen ist friedlich. Sie haben mit denen, die diesen radikalen Islam predigen, nichts, aber auch gar nichts zu tun. Diese Menschen sind Teil unseres Landes und eine Bereicherung für unser Land. Ohne sie wäre Hessen nicht das, was es ist: Ein buntes, ein weltoffenes und ein tolerantes Land. – Das muss man zu Beginn einer solchen Debatte immer wieder betonen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist zwar eine Selbstverständlichkeit, aber ich glaube, es ist auch wichtig. In der Debatte um Islamismus und Salafismus darf eines auf gar keinen Fall entstehen: Ein Generalverdacht gegen Muslime in unserem Land.
Mit Sorge betrachten wir deshalb, wie vermeintliche patriotische Gruppierungen, „Verteidiger des Abendlandes“, vor dieser angeblichen Bedrohung warnen. Deswegen ist es so wichtig, der kleinen Minderheit an religiösen, gewaltbereiten Extremisten entschieden und mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegenzutreten. Das habe ich in der Debatte auch als Gemeinsamkeit wahrgenommen. Das ist auch gut, zu betonen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, das machen wir in Hessen. Wir sind sowohl im Bereich der Prävention, aber auch im Bereich der Repression unterwegs. Wir haben viele Dinge im Bereich der Prävention angesprochen. Die Kollegen Merz und Rentsch haben es angesprochen. Mit Sicherheit kann man über die eine oder andere Sache streiten. Man kann auch darüber reden, ob man in einem Bereich nicht mehr machen kann, oder man andere Dinge in dem eigenen Antrag etwas weniger stark gewertet hat. Die vorliegenden Anträge mit dem Ziel, eine gemeinsame Linie zu entwickeln, die alle Dinge im Blick hat, die in dieser hervorragenden Anhörung gesagt worden sind, an die Fachausschüsse zu überweisen, das ist der Schweiß der Edlen wert.

Wir wollen Prävention dadurch verstärken, dass wir das Übel möglichst an der Wurzel anpacken. Wir wollen den Verkäufern der vermeintlichen einfachen Wahrheit den Nährboden für ihre demokratiefeindlichen Parolen entziehen. Wir wollen insbesondere jungen Menschen gegen den Hass von selbsternannten Predigern immun machen.

Wie die Anhörung gezeigt hat, sind Entfremdung, Identifikationskonflikte, Identifikationskrisen, Orientierungslosigkeit, Diskriminierungserlebnisse, Nichtanerkennungserfahrungen, Brüche in der Biografie, soziale Benachteiligung, Perspektivlosigkeit und der für das Erwachsenwerden typische Wunsch nach Anerkennung und Gemeinschaft wichtige Ursachen für die Radikalisierung.

Es handelt sich nicht nur, aber hauptsächlich, um Probleme, die auch im sozialen Bereich und auch bei der Integrationspolitik zu suchen sind. Einen Beleg dafür liefern die zumeist dürftigen, wir haben es schon gehört, Islamkenntnisse. Diese Gruppen sind im Rahmen des Islam unterwegs. Wenn man nachfragt, erkennt man, dass sie eigentlich über die Religion, über die sie reden, wenig Kenntnisse haben. Das war ein wichtiger Bestandteil dieser Anhörung, der sich wie ein roter Faden durch diese Anhörung gezogen hat.

Präventionsarbeit fordert deswegen sowohl den Staat als auch die Zivilgesellschaft. Zur Prävention zählen unter anderem Maßnahmen im Bereich der Bildung, der Erziehung, der Integration und des Religionsdialogs. Hier haben wir bereits einiges getan, wie ich auch versuchen werde zu erläutern.

Wir haben die finanziellen Mittel erhöht, bestehende Programme verstetigt und neue Programme aufgesetzt. So ist Hessen das erste Bundesland, in dem es ein eigenes Präventionsnetzwerk gegen Salafismus gibt. Allein im Jahr 2015 stehen hierfür 400.000 Euro für die Beratungsstelle Hessen – Religiöse Toleranz statt Extremismus zur Verfügung.
Das Violence Prevention Network ist hier schon angesprochen worden. Wir haben es so organisiert – der Innenminister wird es wohl gleich sagen –, dass wir die Extremismusphänomene auch unter dem Hessischen Kompetenzzentrum gegen Extremismus angesiedelt haben. Dort findet ein reger Austausch mit denen statt, die in diesem Bereich sehr große Erfahrungen haben.

(Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Bereits im vergangenen Jahr haben wir in dem Bereich 200.000 Euro zur Verfügung gestellt, wir haben die Mittel also verdoppelt. Wenn es Gründe gibt und bei der Auswertung und Evaluation der Projekte weitere Bedarfe entstehen, dann glaube ich, dass wir uns hier relativ schnell darauf einigen werden, für den Kampf gegen den Phänomenbereich und all das, was wir dort unternehmen müssen, um junge Menschen von dem Weg abzuhalten, zusätzlich Geld in die Hand zu nehmen. Zurzeit laufen die Programme sehr gut, das ist momentan nicht notwendig.

Bereits seit 2014 ist das VPN im Rahmen des Hessischen Präventionsnetzwerks gegen Islamismus tätig. VPN ist Ansprechpartner für betroffene Jugendliche, für Angehörige, für Schulen und Vereine und soll vorbeugend und intervenierend tätig sein. Wie hoch der Beratungsbedarf ist, zeigen schon die Zahlen; der Kollege Bauer hat es gerade erwähnt.

Weitere Angebote sind Workshops für Schüler zu interreligiösem und kulturellem Dialog. Die politische Bildung spielt eine Rolle, Toleranz und Demokratiefähigkeit. Es gibt Informations- und Sensibilisierungsveranstaltungen, Fortbildungen, Veranstaltungen zur Früherkennung und Stärkung der Handlungskompetenzen von Menschen, die mit gefährlichen Jugendlichen und Heranwachsenden im Kontakt sind, Antigewalttrainings, Kompetenztrainings im Bereich des Jugendstrafvollzugs und der Ausstiegshilfen. Wir sind schon in vielen Bereichen unterwegs. Gleichwohl kann man immer darüber streiten, ob da nicht noch mehr notwendig ist.

Städte und Gemeinden werden informiert, Schulen werden angesprochen, Multiplikatoren werden angesprochen, wichtige Informationen zum Umgang mit extremistischem Salafismus werden vermittelt. Auch die polizeiliche Jugendarbeit, die Jugendkoordinatoren – der Kollege Merz hat es angesprochen – sind in dem Bereich aufgestellt. Die Häuser des Jugendrechts – ein weiteres ist in diesem Jahr an den Start gegangen – sind in dem Bereich tätig.
Meine Damen und Herren, wir sind in diesem Bereich, was die Präventionsarbeit angeht, also auf einem guten Weg. Gleichwohl ist das Bessere immer der Feind des Guten. Aber lassen Sie uns darüber reden, und wenn das in dem Rahmen stattfindet, wie es heute passiert ist, dann ist es aller Ehren wert, das zu tun.

Zudem fördern wir außerschulische Jugendarbeit; Kollege Merz hat das ein bisschen kritisch angemerkt. Schauen Sie sich z. B. den Bereich Sport an, die Jugendfeuerwehren, die Aktionsprogramme zur Stärkung der Partizipation und Teilhabe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Es gibt ja Dinge, die auf dem Weg sind.

Dies alles ermöglicht jungen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und bietet ihnen neue Lebens- und Erfahrungschancen. Wenn wir die Anhörung ernst nehmen, dann stellen wir fest, dass genau das der Bereich ist, in dem wir arbeiten müssen. Wir müssen den jungen Menschen Erfolgserlebnisse, Teilhabeerlebnisse ermöglichen. Sie müssen das Gefühl haben, dass sie mitten in der Gesellschaft sind und nicht nur nebenan stehen. Daran müssen wir arbeiten, und da sind wir auf dem Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir fördern den Erwerb der deutschen Sprache. Das muss man, glaube ich, in einem solchen Kontext nicht betonen; denn die Kenntnis der deutschen Sprache ist unerlässliche Voraussetzung für gelungene Integration, für Partizipation und für Teilhabe.

Die Anhörung hat auch gezeigt, dass der Dialog, der Austausch mit muslimischen Bürgerinnen und Bürgern wichtig ist. Ich will hier nur erwähnen, dass, bevor das Violence Prevention Network eingerichtet wurde, das Innenministerium und diejenigen, die in dem Bereich Verantwortung tragen, diesen Dialog

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Jürgen Frömmrich:

bereits geführt haben. – Vielen Dank, Frau Präsidentin, ich komme sofort zum Schluss.

Es wäre mit Sicherheit noch viel zu Deeskalierungs- und Deradikalisierungsmaßnahmen, zum Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung zu sagen. Eins ist aber wichtig: Neben den Programmen, die wir Politiker „stricken“, den Dingen, die wir im Bereich der Strafverfolgung und auch der Prävention machen, müssen wir die Zivilgesellschaft in diesem Land unterstützen

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Bitte letzter Satz.

Jürgen Frömmrich:

und sie beim Kampf gegen Extremismus, gegen Salafismus mitnehmen. Das sollten wir gemeinsam tun, und diese Debatte ist ein guter Anfang dafür. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

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