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22.05.2014
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle haben in den Debatten, die wir um den Komplex NSU geführt haben, immer wieder betont, dass diese schrecklichen Morde für uns alle unfassbar sind, dass wir ihre Aufklärung den Opfern, aber auch deren Angehörigen schuldig sind und dass das unsägliche Leid, das durch die NSU-Terroristen über die Familien der Opfer gebracht worden ist, nicht wiedergutzumachen ist. Holger Bellino hat es schon gesagt: Diese Morde sind eine Schande für unser Land. Das muss man auch in den Debatten immer wieder festhalten – bei all den Differenzen, die wir auch heute hier austragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Wer hätte gedacht, dass 70 Jahre nach dem Ende der Nazidiktatur rechtsextreme Terroristen eine Blutspur durch ganz Deutschland ziehen würden? Das macht uns natürlich betroffen. Das muss uns natürlich dazu bewegen, uns darüber Gedanken zu machen, wie wir diesen Komplex aufarbeiten und wie wir die notwendigen Schlussfolgerungen daraus ziehen. Ich habe es beim letzten Mal schon gesagt: Wir können trotz des Einsatzes aller unserer politischen Mitteln den Familien ihre Opfer nicht zurückgeben. Aber wir sollten das tun, was wir tun können: Wir sollten die notwendigen Konsequenzen ziehen, um sicherzustellen, dass so etwas in Deutschland möglichst nicht wieder passieren kann. Das ist unsere Aufgabe, und die sollten wir wahrnehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Der Bundestag hat mit der hervorragenden Arbeit eines Untersuchungsausschusses und, wie ich finde, in einzigartiger Weise – es ist parteiübergreifend und sehr konstruktiv zusammengearbeitet worden – gezeigt, dass eine Aufklärung so funktionieren kann. Kollegin Faeser, ich und andere Kollegen aus diesem Hause waren mehrfach in Berlin und haben an Zeugenvernehmungen teilgenommen, insbesondere an der Vernehmung hessischer Zeugen. Daher können wir uns ein eigenes Bild darüber machen, wie intensiv die Arbeit des Untersuchungsausschusses gewesen ist.

Wir haben uns auch hier im Hessischen Landtag mehrfach mit dem Thema beschäftigt. Wir haben uns im Innenausschuss auf der Grundlage von Berichtsanträgen und Dringlichen Berichtsanträgen mehrfach damit befasst. Wir haben uns natürlich auch in der Parlamentarischen Kontrollkommission für den Verfassungsschutz intensiv mit dieser Angelegenheit befasst.

Unser gemeinsames Anliegen ist, dass wir die notwendigen Schlussfolgerungen aus dem NSU-Komplex ziehen und die offenen Fragen, die es durchaus gibt – Frau Faeser hat zwei dieser Fragen angesprochen –, und die offenen Sachverhalte klären.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss in Berlin hat viel Arbeit investiert. Er hat uns 50 Handlungsempfehlungen hinterlassen, aus denen wir sehr genau entnehmen können, was gerade in der Arbeit der Verfassungsschutzbehörden und der Sicherheitsbehörden des Bundes, aber auch der Länder schiefgelaufen ist. Wo hat die Zusammenarbeit nicht funktioniert? Wo haben Abstimmungsprozesse nicht funktioniert? Ich erinnere die Frau Kollegin Faeser daran, dass wir dabei waren, als die Frage erläutert worden ist, warum die Ermittlungen eigentlich nicht beim BKA konzentriert worden sind. Ich weiß aufgrund der Teilnahme an der damaligen Sitzung, dass über diese Frage auf der Zugspitze entschieden worden ist. Ich finde, wir sollten uns jetzt daranmachen, die Handlungsempfehlungen des Deutschen Bundestages auch hier in Hessen umzusetzen, damit wir sicherstellen, dass so etwas nicht wieder passieren kann. Der Bundestag hat das, was er beschlossen hat, in der neuen Legislaturperiode noch einmal bekräftigt. Die Frage, die wir jetzt zu beantworten haben, lautet: Was haben wir in Hessen noch zu erledigen, und wie sollen diese Aufgaben in Hessen erledigt werden?

Wir haben mit der SPD-Fraktion mehrfach Gespräche geführt. Wir haben auch mit dem Kollegen Schaus von der Linkspartei Gespräche geführt. Frau Kollegin Faeser, ich fand, dass die Gespräche, die wir geführt haben, sehr konstruktiv waren und dass wir auf allen Seiten gemerkt haben, dass da Bewegung drin ist. Wir haben versucht, aufeinander zuzugehen. Ich erinnere an den Schriftwechsel der Kollegen Boddenberg und Wagner mit Herrn Schäfer-Gümbel, in dem verschiedene Vorschläge gemacht worden sind.

Die Expertenkommission ist ein Baustein, den wir vorgeschlagen haben, weil wir sagen, dass wir die Handlungsempfehlungen aufnehmen wollen. Wir haben gesagt, den anderen Teil könnte die Parlamentarische Kontrollkommission übernehmen. Sie heißt nicht nur so, sondern sie ist auch die Kontrollkommission unseres Parlaments.

Wir haben uns in dieser Frage mehrfach auf die SPD zubewegt. Frau Kollegin Faeser, Sie haben andere Vorschläge gemacht. Das ist legitim. Sie haben die Einrichtung eines Sonderausschusses vorgeschlagen. Sie haben gefragt: Wie wäre es mit einer Enquetekommission? Sie haben jetzt einen Untersuchungsausschuss ins Spiel gebracht und beantragt. Das ist ein Minderheitenrecht in diesem Parlament.

Ich möchte in der Diskussion aber um eines bitten: Ich bitte darum, es nicht so darzustellen, dass der, der Ihrem Vorschlag, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, nicht zustimmt, die Aufklärung dieser Taten verhindern will. Wir streiten nämlich nur darum, wie wir es am besten machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dieser Vorwurf, Frau Kollegin Faeser, würde viele treffen. Die Kollegen in Hamburg haben sich z. B. dafür entschieden, keinen Untersuchungsausschuss einzurichten. Sie werden doch wohl Ihrem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz nicht vorwerfen, dass er eine Aufklärung verhindern wolle. In Baden-Württemberg haben SPD und GRÜNE keinen Untersuchungsausschuss eingerichtet, obwohl die GRÜNEN das gern gehabt hätten, sondern sie haben eine Enquetekommission eingerichtet. In Nordrhein-Westfalen ist es zu einem Mordfall und zu zwei schrecklichen Anschlägen gekommen, wo noch viele Dinge im Unklaren sind. Trotzdem haben sich die nordrhein-westfälische Landesregierung und der Landtag bisher dafür entschieden, keinen Untersuchungsausschuss einzurichten. Ich finde, wir sollten in der Diskussion trotz unterschiedlicher Herangehensweisen dem anderen nicht unterstellen, dass er an einer Aufklärung nicht interessiert sei. Das fände ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Liebe Frau Kollegin Faeser, meine Damen und Herren, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist ein Minderheitenrecht. Wir werden in dem Ausschuss, der jetzt eingerichtet wird, nach Kräften mitarbeiten. Wir glauben nicht, dass er das geeignete parlamentarische Mittel ist, aber wir werden uns an der Arbeit dieses Ausschusses beteiligen, weil wir das den Opfern schuldig sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

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