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27.05.2015
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Einführung eines „Schutzparagrafen 112“

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass sich ausgerechnet der Kollege Wilken als Lehrmeister in Sachen staatliches Verhalten und Rechtsstaatlichkeit aufspielt, finde ich ziemlich unglaublich.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Kollege Wilken, es ist schade, dass Sie schon wieder eine Chance vertan haben, sich zu Ihrer Verantwortung bei den Blockupy-Protesten in Frankfurt zu bekennen. Diese Chance haben Sie erneut vertan.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sowie Einsatzkräfte der Rettungsdienst der Feuerwehren und des Katastrophenschutzes leisten für unsere Gesellschaft einen wichtigen und herausragenden Dienst. Dass diese Menschen, die sich beruflich, aber auch ehrenamtlich für unsere Gesellschaft einsetzen, bei ihrer Arbeit angegriffen, verletzt und beleidigt werden, ist schändlich. Das müssen wir hier gemeinsam feststellen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Wir verurteilen derartige Übergriffe entschieden. Wer Rettungskräfte und Polizeibeamte angreift, muss wissen, dass der demokratische Rechtsstaat ein derartiges Verhalten nicht hinnimmt. Diese Einsatzkräfte sind zum Schutz unseres Gemeinwesens tätig. Daher haben sie auch ein Recht darauf, von uns als Gesellschaft besonders geschützt zu werden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Aus diesem Grund hat sich die schwarz-grüne Koalition schon im Dezember 2013 darauf verständigt, eine Bundesratsinitiative zu ergreifen, wonach tätliche Angriffe auf diesen Personenkreis unter eine besondere Strafe gestellt werden. Wir haben uns auf der einen Seite darauf verständigt, für die Bürgerinnen und Bürger die Transparenz von Polizei bei Einsätzen zu verbessern – das haben wir über die Kennzeichnungspflicht erreicht –, und auf der anderen Seite haben wir gesagt, dass wir diejenigen, die das staatliche Gewaltmonopol wahrnehmen, die für uns Sicherheit, Recht und Ordnung darstellen, in besonderem Maße schützen. Das setzen wir mit der Bundesratsinitiative gerade um.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Im Jahr 2014 waren 3.200 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte bei ihrer täglichen Arbeit Übergriffen ausgesetzt. Wir mussten erleben, wie Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen werden und wie Rettungskräfte bei ihrer Arbeit behindert, bedroht und beschimpft werden. Das ist ein Zustand, den wir alle so nicht hinnehmen können. Hier muss ein deutliches Stoppschild aufgestellt werden, hier brauchen wir deutliche Signale der Gesellschaft zum Schutz dieser Menschen, die sich für diese Gesellschaft engagieren.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Natürlich wissen wir – Kollege Greilich hat das hier, finde ich, zum Teil richtig ausgeführt –, dass Strafverschärfung und neue Paragrafen alleine ein derartiges Verhalten nicht ändern. Wir wissen auch, dass zusätzliche Maßnahmen nötig sind, um Übergriffe zu verhindern und um Einsatzkräfte besser zu schützen.
Eine Vielzahl von Maßnahmen haben wir schon ergriffen. Kollege Bauer ist darauf eingegangen. Wir haben den passiven Schutz für die Beamtinnen und Beamten verbessert, wir haben die persönliche Schutzausstattung verbessert, wir haben in ballistischen Hals- und Tiefenschutz investiert, um Verletzungen zu verhindern, wir haben den Body-Cam-Einsatz neu geregelt, d.h. gewaltpräventive Maßnahmen umgesetzt, die verhindern, dass es überhaupt erst zu Gewaltausbrüchen kommt. Wir haben Kommunikations- und Deeskalationsmaßnahmen verbessert, wir haben kontinuierliche Fort- und Weiterbildung organisiert und wir haben die interkulturelle Kompetenz der Beamtinnen und Beamten gestärkt, um sie in die Lage zu versetzen, alle Bevölkerungsgruppen anzusprechen. Wir haben also nicht nur auf diese Maßnahme gesetzt – wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen vereinbart. Ich glaube, es sind gute Maßnahmen, die wir hierbei ergriffen haben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Trotz dieser Maßnahmen kommt es immer wieder zu Übergriffen. Die Hemmschwelle sinkt, die Brutalität steigt. Das ist leider die Realität, die wir feststellen müssen. Der Gipfel der Brutalität gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte waren wohl die Gewaltexzesse der Blockupy-Demonstrationen in Frankfurt – Bilder, die, glaube ich, so schnell keiner von uns vergessen wird. Ich habe derartig brutale Angriffe auf Einsatzkräfte in Hessen noch nie gesehen. Wie man Einsatzfahrzeuge der Polizei anzünden kann, in denen noch Menschen sitzen, ist für mich unbegreiflich.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der Abg. Angelika Löber (SPD))
Wie man Feuerwehrleute, die zum Einsatz fahren, mit Steinen bewerfen kann, ist für mich nicht nachzuvollziehen, und wie man Sanitäter, die ihre Arbeit machen wollen, angreift, ist für mich nicht nachvollziehbar.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Hier ist das Maß übervoll. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es handelt sich bei denen, die hierbei für uns tätig sind, auch um Menschen. Ich frage mich manchmal, ob man das betonen muss: In dieser Uniform stecken Menschen, die angegriffen werden. Das muss man hier in die Richtung von Herrn Kollegen Wilken vielleicht deutlich sagen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
Diese Menschen schützen und ermöglichen nicht nur unsere Grundrechte, sondern diese Menschen haben selbst auch Grundrechte, nämlich das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Ich finde, solche Übergriffe sind schändlich. Ich finde, solche Übergriffe sind vollkommen inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen. Diese Übergriffe sind kriminell. Gewalt gegen Einsatzkräfte hat nichts – aber auch gar nichts – mit zivilem Ungehorsam zu tun.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Ziviler Ungehorsam nimmt bewusst Regelverstöße in Kauf. Ziviler Ungehorsam ist aber nicht gewalttätig. Das sollten diejenigen, die so etwas sagen, einmal zur Kenntnis nehmen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass Kollege van Ooyen in einer Pressemitteilung die irrige Auffassung vertritt, dass die geplante Bundesratsinitiative das Demonstrationsrecht einschränkt. Herr Kollege, Gewaltanwendung bei Demonstrationen ist schon immer verboten. Dafür braucht es diese Bundesratsinitiative nicht. Es ist Willi van Ooyen, der gesagt hat, dass Autos anzuzünden kontraproduktiv sei, und der gesagt hat, dass derjenige Sturm ernten wird, der Wind sät. Herr Kollege van Ooyen, ich kann mich nur wundern: Bis heute haben Sie sich von diesen Gewaltexzessen nicht eindeutig distanziert. Diese Gelegenheit haben Sie heute wieder verstreichen lassen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
Ich will hier noch einmal betonen: Auch die jetzigen Regelungen des Demonstrationsrechts lassen Gewalt gegen Menschen und Sachen nicht zu. Kollege van Ooyen sollte zur Kenntnis nehmen: In Art. 8 des Grundgesetzes heißt es, „alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“.
Meine Damen und Herren, es gibt unter uns – ich glaube zumindest bei der großen Mehrheit dieses Hauses – den demokratischen Konsens, dass Gewalt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung ist.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Ich glaube, dass Sie diesen demokratischen Konsens, der unter der Mehrheit im Hause herrscht, nicht teilen. Das Demonstrationsrecht ist bei uns ein hohes Gut, grundgesetzlich geschützt. Aber es sind doch gerade die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die dieses Grundrecht schützen und die Wahrung und Wahrnehmung dieses Grundrechts ermöglichen.
Bei der Bundesratsinitiative geht es auch darum, ein Bewusstsein dafür entstehen zu lassen, dass Gewalt gegenüber Menschen, die anderen in Not helfen oder anderen die Geltendmachung ihrer Grundrechte gewährleisten, ein besonderes Unrecht darstellt. Wer diese Menschen angreift, setzt sich in besonderem Maße ins Unrecht.
Die bisherige Regelung ist insoweit unzureichend, als dass ein besonderes Sanktionsmittel nur vorgesehen ist, wenn eine Polizeibeamtin oder ein Polizeibeamter während einer Vollstreckungshandlung angegriffen wird, also beispielsweise bei einer Reaktion auf eine Verkehrskontrolle oder eine Festnahme. Mit der neuen Regelung wird ermöglicht, einen tätlichen Angriff auch dann besonders zu sanktionieren, wenn er in Bezug auf den Dienst des Beamten erfolgt, der Beamte also angegriffen wird, weil er Polizeibeamter ist, weil er beim Rettungsdienst tätig ist oder weil er als Feuerwehrmann im Einsatz ist.
Meine Damen und Herren, man kann über die Regelung sicherlich kontrovers diskutieren. Aber ich glaube, eines sollte klar sein: Wir werden und müssen deutlich machen, dass wir nicht akzeptieren, dass Menschen, die für unsere Grundwerte einstehen und unsere Grundrechte verteidigen, in solch einem Maße angegriffen werden;
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
das Gewaltmonopol des Staates ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Bei uns funktioniert Rechtsdurchsetzung glücklicherweise nach rechtsstaatlichen Prinzipien. Man kann sich in vielen Ländern dieser Welt anschauen, was passiert, wenn dieses Gewaltmonopol des Staates nicht funktioniert. Chaos und das Recht des Stärkeren sind nicht das, was wir hier wollen.
Im Übrigen funktioniert dort auch Demokratie nicht, im Übrigen funktioniert dort auch Meinungsfreiheit nicht, im Übrigen funktioniert dort auch die Wahrnehmung des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit nicht. Deswegen sollten wir uns immer gewahr werden, dass es gerade Beamtinnen und Beamte der Polizei sind, die dieses Gewaltmonopol im Dienst repräsentieren und dafür Sorge tragen, dass wir unsere Grundrechte wahrnehmen können.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Vizepräsidentin Heike Habermann:
Kollege Frömmrich, Sie müssen zum Schluss kommen.
Jürgen Frömmrich:
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Wir wissen natürlich auch, dass eine derartige Regelung wie der § 112 Diskussionen auslöst. Eines ist aber klar: Wir haben mit diesem Vorstoß schon jetzt eine breite Debatte über Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Rettungskräfte ausgelöst. Diese gesellschaftliche Debatte ist dringend notwendig; denn an dem Zustand, wie wir ihn zum Teil in Frankfurt beobachten mussten, müssen wir dringend etwas ändern.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
 
Vizepräsidentin Heike Habermann:
Vielen Dank.

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