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24.08.2011
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Eine freie und offene Gesellschaft ist die Grundlage für Demokratie und Zusammenhalt

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe den Eindruck gehabt und darauf gewartet, dass durch die Rede des Kollegen Bauer vielleicht ein bisschen mehr Klarheit in die Debatte gekommen wäre, warum wir uns mit diesem Antrag der Koalitionsfraktionen beschäftigen und warum das auch zum Setzpunkt der FDP geworden ist. Aber es ist nicht klarer geworden, es ist noch immer so, wie Frau Kollegin Faeser vorhin gesagt hat: Sie haben hier einen Antrag gestellt, der ein Sammelsurium von Inhalten hat, der kein Ziel und keine Richtung vorgibt, der keine Lösungen anbietet, der ein Problemaufriss ist.

Aber, Herr Kollege Greilich, es kann doch nicht die Aufgabe einer Landesregierung sein und auch nicht der sie tragenden Fraktionen, hier Problemaufrisse zu liefern. Vielleicht sollten Sie einmal dazu übergehen, Lösungsvorschläge für gewisse Probleme zu machen, dann würden wir vielleicht ein bisschen weiterkommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben hier groß mit der freien und offenen Gesellschaft angefangen und mit dem Abwägungsprozess zwischen freier und offener Gesellschaft sowie den Interessen der Sicherheit. Das ist mit Sicherheit eine spannende Diskussion, ich finde auch, es ist aller Mühe wert, darüber zu reden. Aber die Frage ist doch immer, an welchem Punkt entscheide ich mich und in welche Richtung geht die Waage? Eher für die Freiheit oder eher für die Sicherheit? – Sie geben uns in Ihrem Antrag auch keinen Hinweis darauf, was denn Ihrer Meinung nach die richtige Richtung wäre und wohin es geht. Vielmehr liefern Sie einen Problemaufriss, geben aber nicht vor, in welche Richtung Sie gehen möchten.

Wenn Sie z. B. Punkt 3 nehmen, wo es um die Telekommunikation und die Überwachung geht – also das, was wir unter dem Punkt „Vorratsdatenspeicherung“ betrachten –: Wie ist denn da die Meinung der FDP? Wie ist denn da die Meinung der CDU? Sie haben uns hier geschrieben: Zu diesen Instrumenten gehört sowohl die Auswertung von Verbindungsdaten aus der Telekommunikation für Zwecke der Gefahrenabwehr. – Ja, das ist ein interessanter Satz, Herr Kollege Greilich. Nur, wie wollen Sie ihn denn in Berlin lösen? Welchen Vorschlag machen Sie denn? Wo steht denn die FDP? Wo ist sie denn in Ihrer Koalition? – Fehlanzeige, Sie haben hier nicht gesagt, was Sie eigentlich wollen, Herr Kollege Greilich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es ist ja schon bezeichnend, wenn Sie sich einmal die Presselandschaft anschauen und sehen, in welcher Form sich CDU-Kollegen aus dem Bereich des Innern mit der Bundesjustizministerin – „duellieren“ wäre freundlich ausgedrückt – „beschäftigen“, sagte der Justizminister gerade. Aber ich zitiere mal: Union droht FDP mit Blockade. Solange die Anti-Terror-Gesetze – das ist der eine Bereich – und die Vorratsdatenspeicherung nicht vernünftig geregelt seien, blieben sämtliche Vorstellungen der Liberalen in der Rechts- und Innenpolitik liegen, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Hans-Peter Uhl. Wenn Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger es so wolle, habe man einen Stillstand der Rechtssetzung. – Nun ist Herr Kollege Uhl, um es freundlich auszudrücken, ein ganz besonderer Abgeordneter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Aber, Herr Kollege Greilich, was ich mir von Ihnen doch erhofft hätte: Sagen Sie doch einmal, für welche Richtung in der Vorratsdatenspeicherung Sie sich denn entscheiden. Entscheiden Sie sich für die Richtung von Herrn Uhl oder entscheiden Sie sich für die Richtung von Frau Leutheusser-Schnarrenberger? Das wäre doch ein Punkt gewesen, den Sie hier mal hätten erwähnen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Aber davon habe ich nichts gelesen. Und dann kommt die Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger – das Bashing geht von beiden Seiten aus – und warf ihrerseits der Union vor, diese blockiere schon jetzt. Die Verhandlungen seien kompliziert, weil sich die Union nicht bewege, kritisierte sie in der Welt am Sonntag. Die Gesetze seien Ausnahmeregelungen auf Zeit und nicht als Dauereinrichtung gedacht. Einfach pauschal weiter zu befristen sei keine differenzierte Herangehensweise, geschweige denn ein Kompromissangebot. – Gemeint sind die Anti-Terror-Gesetze.

Herr Kollege Greilich, es wäre schon interessant gewesen, wenn Sie hier einmal erläutert hätten, warum Sie sich sozusagen in Richtung von Herrn Uhl und der CSU bewegen und nicht in die Richtung von Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die ganz deutlich gesagt hat, man müsse einen solchen Themenkomplex, bevor man ihn wieder zum Gesetz macht, einmal evaluieren und nachschauen, was er eigentlich gebracht und wie er eigentlich gewirkt habe, welche Dinge richtig und welche falsch gewesen seien.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie schwierig dieser Prozess, was die Anti-Terror-Gesetze angeht, im Bundestag seinerzeit auch für die GRÜNEN war. „Otto-Katalog“ hieß das Ganze. Das war natürlich ein schwieriger Prozess. Aber in dieser Gefahrenlage war es doch so, dass man gesagt hat: Wir wollen Instrumente schaffen – weil Schily das sehr vehement gefordert hatte –, aber wir schreiben eine Befristung in dieses Gesetz und schauen dann mal nach, wenn es ausgelaufen ist, welche Wirkungen eigentlich entfaltet worden sind und wie dieses Gesetz gewirkt hat. – Da wäre es schon einmal interessant gewesen, Herr Kollege Greilich, wenn Sie hier schon Ihren Setzpunkt haben, wenn Sie uns mal erläutern, warum Sie in die eine Richtung gegangen und nicht der Auffassung von Frau Leutheusser-Schnarrenberger gefolgt sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Fehlanzeige, muss ich sagen. Sie glauben noch nicht einmal der Arbeit Ihrer eigenen Kolleginnen und Kollegen im Hessischen Landtag. In der Kleinen Anfrage, Drucks. 18/4163, bitten die Kollegen Dr. Blechschmidt, Herr von Zech und Sie selber die Landesregierung um Auskunft zur Evaluation von Sicherheits- und Antiterrorgesetzen.

Dazu gibt es Antworten der Landesregierung, wie gewisse Gesetze gewirkt haben, wie die Strafgesetzbuchänderungen und anderes. Dort stehen Sätze wie dieser:

Dem Hessischen Landeskriminalamt sind für Hessen keine Ermittlungsverfahren bekannt, die aufgrund der Vorschrift des § 91 n. F. StGB geführt wurden bzw. werden.

Haha, interessanter Hinweis: keine Verfahren bekannt.

Über die Gesamtzahl der jeweiligen Verfahren kann daher keine verlässliche Aussage getroffen werden.

Diese Antwort auf die Kleine Anfrage liest sich nach dem Motto: Wissen wir nicht, haben wir keine Ahnung, können wir keine Auskunft darüber geben, wie es gewirkt hat und wie es insgesamt angekommen ist.

Herr Kollege Greilich, diese Kleine Anfrage ist doch der Beweis dafür, dass man Gesetze evaluiert und dann entscheidet, ob man sie noch weiter braucht. Gesetze sind nicht Selbstzweck, sondern werden gemacht, damit sie Wirkungen entfalten. Diese Antwort sind Sie hier schuldig geblieben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, der ehemalige Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland – Herr Kollege Honka hat es vorhin bei Facebook der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt – hat schon recht, wenn er heute im Interview mit der FAZ sagt: Innen- und außenpolitisch hat diese Regierung keinen Kompass. – Sie sind der lebende Beweis dafür, dass Sie in der Innenpolitik keinen Kompass haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Widerspruch von der CDU)

Das Bashing geht weiter. Ich will Ihnen ein bisschen aus dem Sammelsurium von Artikeln dazu vorlesen. Wenn Sie ein bisschen Quellenstudium dazu betrieben haben, stellen Sie fest, es ist sehr amüsant, was der eine Partner über den anderen sagt. Vielleicht ist es ein Hinweis darauf, wie sehr Sie sich auseinandergelebt haben, wenn man sich so tituliert. Im persönlichen Bereich wäre man schon beim Scheidungsrichter, bei Ihnen versucht man es, in Anträge zu gießen, damit man es nicht so merkt. Ich zitiere, was Herr Krings und Herr Bosbach über die FPD und Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger sagen: Die Haltung der FDP sorgt beim Koalitionspartner für erhitzte Gemüter.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Der Fraktionsvize Krings von der CDU warf der Justizministerin Realitätsverlust vor.

(Unruhe)

– Man merkt, dass es zündelt. – Das Problem ist ja, dass Sie es nachher im Koalitionsausschuss wieder zusammenbinden müssen. Aber das ist nicht unser Problem.

Frau Leutheusser-Schnarrenberger solle – jetzt kommt eine Bemerkung, die Sie sich auf der Zunge zergehen lassen müssen – ihren grundrechtlichen Phantomschmerz in den Griff bekommen.

Herr Kollege Greilich, das ist nicht nur eine Unverschämtheit, sondern es bedeutet, wenn man einen Phantomschmerz hat, dass man etwas weggeschnitten hat. In diesem Fall sind es Bürger- und Freiheitsrechte. Sie stellen sich hin und wollen uns Nachhilfe in Bürger- und Freiheitsrechten geben und werden von Ihrem eigenen Koalitionspartner in dieser Art und Weise beschimpft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Herr Kollege, die Redezeit ist abgelaufen.

Jürgen Frömmrich:

Ich könnte das Spielchen noch eine Weile fortführen, genug Material gibt es. Bei der Sicherheitsverwahrung ist es beispielsweise das gleiche Problem. Sie bringen einen Antrag ein, der Probleme aufreißt. Sie bringen einen Antrag ein, der keine Lösungen gibt. In vielen Bereichen stimmt es noch nicht einmal mit dem überein, was der amtierende Innenminister sagt. Wenn Sie sich die Verlautbarungen von Herrn Rhein nach der Innenministerkonferenz ansehen, passt es nicht zusammen mit dem, was Sie hier sagen. Sie passen also in diesen Problembereichen nicht zusammen. Sie geben keine Antworten, Sie machen Problemaufrisse. Regierung und Regierungskoalitionen sind dafür zuständig, Lösungsvorschläge zu machen, die sind Sie uns in der Debatte schuldig geblieben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

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