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31.01.2013
Portraitfoto von Jürgen Frömmrich vor grauem Hintergrund.

Jürgen Frömmrich: Bericht des Untersuchungsausschusses 18/2

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war ein Beispiel dafür, wie sehr die Politik in diesem Lande auf den Hund gekommen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Lebhafte Zurufe von der CDU)

Die Partei in diesem Hause, die sich „bürgerlich“ tituliert, aber keine einzige der bürgerlichen Tugenden hier an den Tag legt, sollte sich für den Redebeitrag des Kollegen Bellino schämen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Bellino, es ist geradezu grotesk, wie Sie mit Entscheidungen unserer höchsten Gerichte in diesem Landtag umgehen. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat Ihnen in seinem Urteil ganz deutlich untersagt, die Stelle zu besetzen, bevor Sie die Beurteilungslücken geschlossen haben. Er hat ausdrücklich gesagt, dass die Entscheidung rechtswidrig war, weil der unterlegene Bewerber Ritter um Nuancen bessere Beurteilungen hatte als der, den Sie Herrn Ritter vorgezogen haben. So gehen Sie mit Entscheidungen oberster Gerichte um.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Gerade der ehemalige Justizminister Wagner sollte sich dafür schämen, wie der Geschäftsführer seiner Fraktion mit solchen Urteilen umgeht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Es war ja nicht der erste Versuch; es gab ja insgesamt drei Versuche. Der erste Versuch dieses Ministerpräsidenten, seinen Parteifreund aus Gießen auf den Stuhl des Präsidenten der Bereitschaftspolizei zu hieven, ist gescheitert, weil Herr Ritter Lunte gerochen und gesagt hat, auch er bewerbe sich um diese Stelle. Der zweite Versuch ist seinerzeit vom Verwaltungsgerichtshof in Kassel gestoppt worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat ganz klar gesagt, dass Herr Ritter um Nuancen besser beurteilt worden sei und dass die Beurteilungslücken geschlossen werden müssen. Sie haben diesem Urteil einfach nicht zur Umsetzung verholfen.

Herr Kollege Bellino, wie gehen Sie eigentlich mit einem damals amtierenden Vizepräsidenten bei der hessischen Polizei um, wenn Sie ihn in dieser Art und Weise hier im Haus so diskreditieren? Das ist erbärmlich, Herr Kollege.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Das sagt auch etwas über das Zustandekommen von Entscheidungen und die Art und Weise von Auswahlverfahren aus, die dieser Ministerpräsident als ehemaliger Innenminister getroffen und geführt hat. Der Ministerpräsident hat als Innenminister den Mann, den Sie hier andauernd diskreditieren, zum Vizepräsidenten der Bereitschaftspolizei in Hessen gemacht. Wie reden Sie eigentlich über Auswahlentscheidungen Ihres Ministerpräsidenten? Es ist absurd.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Der Ministerpräsident hat nach dem VGH-Urteil die Fachabteilung geradezu handstreichartig nicht mehr eingebunden. Seinerzeit hatte Frau Staatssekretärin Scheibelhuber sogar ein neues Auswahlverfahren, eine neue Ausschreibung vorbereitet. All das ist eingestampft worden, weil Herr Bouffier, Staatssekretär Rhein und Frau Gätcke das Verfahren an sich gezogen haben. Seit diesem Tag gibt es interessanterweise kein Blatt Papier mehr über das Auswahlverfahren. Das sollte Ihnen doch einmal zu denken geben. Mit „papierlosem Büro“ meinen wir deutlich etwas anderes, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und den LINKEN)

Im dritten Verfahren haben Sie endlich durchgesetzt, was Sie erreichen wollten. Da haben Sie den Parteifreund des Herrn Ministerpräsidenten Bouffier aus Gießen auf diese Stelle gehievt. Die Verantwortung dafür hat der Ministerpräsident ausdrücklich übernommen. Er hat gesagt, er sei Herr des Verfahrens gewesen. Herr Ministerpräsident, wenn Sie politischen Anstand hätten, dann würden Sie angesichts dessen, was in der Zusammenfassung des Gutachtens von Prof. Pechstein steht, Ihren Hut nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ich will Ihnen nur ein paar Kostproben von dem geben, was der vom Ausschuss einstimmig benannte Prof. Pechstein, ein ausgewiesener Beamtenrechtler, aufgeschrieben hat. Erstens:

Die unzulässige Dokumentation des zweiten Auswahlverfahrens verletzt den Bewerber Ritter in seinen verfassungsrechtlichen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz.

Das ist nicht nur ein Rechtsbruch, sondern sogar ein Verfassungsbruch, begangen von einem Verfassungsminister, dessen Auftrag es ist, die Verfassung zu schützen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Zu der Rücknahme, die Herr Rhein entgegengenommen hat – das ist schließlich die Geschichte von Herrn Rhein; es gibt auch nur einen Beleg darüber, nämlich seinen eigenen Erinnerungsvermerk; ansonsten gibt es keinerlei Belege dafür –, sagte der Gutachter:

Für eine Rücknahme der Bewerbung Ritters im Gespräch mit Staatssekretär Rhein fehlt es an jedem Anhaltspunkt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es fehlt an jedem Anhaltspunkt. Dass das Verfahren nicht ordentlich dokumentiert worden ist, ist auch ein Verfassungsverstoß; denn die Besetzung beamtenrechtlicher Stellen leitet sich ausdrücklich aus der Verfassung, aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, ab. Dieser Minister ist als Innenminister für den Schutz der Verfassung zuständig, nicht für ihren Bruch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Dann sagt der Gutachter:

Der fehlende Versuch einer Schließung der Beurteilungslücken

– darüber haben wir eben diskutiert –

verletzt geltendes Recht, da bei gleicher Beurteilung zunächst weitere leistungsbezogene Kriterien geprüft werden müssen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Es verletzt geltendes Recht. Dann sagt dieser Gutachter:

Mit der Ernennung Langeckers am Tag nach der Kabinettsentscheidung wurde die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Wartefrist nach der Auswahlentscheidung nicht eingehalten und damit der Rechtsschutz des Bewerbers Ritter verletzt.

Der Rechtsschutz wurde ihm beschnitten. Sein Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz wurde ihm vom Innenminister, dem heutigen Ministerpräsidenten, beschnitten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wenn man die Messlatte, die dieser Ministerpräsident in der Zeit, als er noch in der Opposition war, an das Handeln anderer angelegt hatte, einmal an ihn selbst anlegen würde,

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

käme heraus, dass er schon am Tage nach dieser Debatte zurücktreten müsste.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ich beschreibe Ihnen einmal kurz die Messlatte, die der frühere Innenminister und heutige Ministerpräsident an das Handeln anderer angelegt hat, und die Art und Weise, wie er Untersuchungsausschüsse betrieben hat. In der 14. Wahlperiode ging es in einem Untersuchungsausschuss um das Reiten eines Dienstpferds. Da sagt dieser Ministerpräsident in der Begründung – das ist die Geschichte mit den Pferdebewegungsbüchern –:

Ich halte es nicht für normal, dass bei Polizeibehörden während eines laufenden Vorermittlungsverfahrens Unterlagen wochenlang verschwinden.

Pferdebewegungsbücher: Das hat er dazu gesagt.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Zu dem zweiten Bewerbungsverfahren gibt es überhaupt kein Blatt Papier. Herr Ministerpräsident, was sagen Sie eigentlich dazu? Es gibt kein einziges Blatt, keine einzige Zeile.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Gestern Abend gab es noch ein Beispiel dafür. Der Herr Ministerpräsident hat beim hessischen Handwerk gesagt, er trete für einen starken Staat ein; dafür sei er bekannt. Er steht für einen starken Staat; das wissen wir. Er steht auch für Law and Order; das wissen wir ebenfalls. Nur wenn es um seine Verantwortung geht, wenn er die Rechte anderer verletzt und gegen das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verstößt, bedeuten ihm Law and Order und ein starker Staat offensichtlich nichts mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Herr Ministerpräsident und ehemaliger Innenminister, wenn Sie politischen Anstand hätten, würden Sie daraus Ihre Konsequenzen ziehen und zurücktreten.

(Zuruf der Abg. Peter Beuth (CDU)und Ismail Tipi (CDU))

Das, was Sie immer von anderen gefordert haben, sollten Sie selbst machen und den politischen Anstand in Hessen wieder etwas mehr zur Geltung bringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Da Sie das aber wahrscheinlich nicht machen werden, kann ich Ihnen nur sagen: Das wird am 22. September hoffentlich der Wähler in Hessen erledigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Kollege Frömmrich.

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