Herr Präsident, meine sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir legen Ihnen heute einen Gesetzentwurf unserer Fraktion zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vor. Damit wollen wir eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte einführen.
Das ist im Übrigen nichts Neues, sondern schon seit vielen, vielen Jahren grüne Programmlage. Aber wir haben eben auch über die Blockupy-Demonstration diskutiert; sie ist mit Sicherheit ein Auslöser dafür, dass wir jetzt erneut einen Vorstoß in diese Richtung unternehmen. Ich glaube, dass Bürgerinnen und Bürger sowie auch Demonstrantinnen und Demonstranten das Recht haben müssen, ihr Gegenüber zu erkennen, wenn sie sich ungerechtfertigt behandelt fühlen, und gegebenenfalls gegen dieses Gegenüber vorgehen zu können. Das ist Ziel und Intention unseres Antrags.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt immer wieder Beschwerden über Übergrifflichkeiten auch von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, über Regelverletzungen und anderes. Das ist auch systemimmanent und hat etwas mit großen Systemen zu tun. In großen Einheiten, in großen Systemen gibt es immer Einzelne, die sich nicht regelkonform verhalten. Genau um diese Einzelnen identifizieren und dann auch dienstrechtlich oder strafrechtlich belangen zu können, brauchen wir ein Erkennungsmerkmal, und das geht nur darüber, dass wir Beamtinnen und Beamte kennzeichnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU)
Die Regelungen, die wir Ihnen vorschlagen, bedeuten, dass wir grundsätzlich eine Kennzeichnung von Beamtinnen und Beamten haben wollen. Im Streifendienst und im normalen Dienst wird das so aussehen – das ist im Übrigen eigentlich auch schon der Regelfall –, dass Beamtinnen und Beamte ein Namensschild tragen. Bei geschlossenen Einsätzen wollen wir, dass Beamtinnen und Beamte einen anonymisierten Nummerncode tragen, über den man Rückschlüsse auf die einzelnen Personen ziehen kann.
Wir sagen in § 9 Absatz 1 auch, dass es von dieser Regel Ausnahmen geben kann, nämlich dann, wenn Maßnahmen oder Amtshandlungen dazu geeignet sind, überwiegend schutzwürdige Belange im Polizeivollzugsdienst zu beeinträchtigen – dann soll dieses Schild nicht getragen werden. Im Übrigen gilt dies für alle Sondereinsatzkommandos der Polizei sowie natürlich für verdeckte Ermittler; das ist selbstverständlich. Deswegen haben wir den Gesetzentwurf so geschrieben, wie er hier vorliegt.
Im Übrigen ist das nichts Neues.
(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))
Ich habe mich gewundert, dass Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP sich in dieser Frage sehr restriktiv, sehr negativ geäußert haben. Ich dachte schon immer, dass Sie von gestern sind, aber dass Sie von vorgestern sind, das hätte ich nicht gedacht.
(Zuruf von der CDU – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))
Ich zitiere jetzt einmal, vielleicht hören Sie einfach zu:
Im Jahre 1848 ordnete der Berliner Generalpolizeidirektor … die Nummerierung von Polizeivollzugsbeamten der Königlichen Schutzmannschaft zu Berlin an. Diese wurden auf den Zylindern getragen, die Teil der Uniform waren. Nachdem der Zylinder 1852 durch einen Helm ersetzt worden war, befand sich … eine … Nummer auf der Schulterklappe …
Meine Damen und Herren, es ist also nichts Neues. Es ist nichts, was uns vollkommen überrascht. Vielleicht sollten CDU und FDP zumindest einmal aus den 1848er Zeiten lernen und sagen: Wir brauchen in diesem Bereich eine Neuordnung.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt im Übrigen auch andere, die das schon gemacht haben.
(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))
– Wenn der Kollege Schreihals aus der ersten Reihe der CDU vielleicht einmal zuhören würde, dann – –
Vizepräsident Frank Lortz:
Abg. Frömmrich, es gibt keinen „Kollegen Schreihals“. Das wissen Sie. Ich weiß nicht, wenn Sie gemeint haben, aber diesen Abgeordneten haben wir hier im Hause nicht. Ich darf Sie doch bitten, dass Sie das formal korrekt machen. Wir haben hier nur Kollegen, die vernünftige Namen haben. – Bitte, Sie haben das Wort.
(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Jürgen Frömmrich:
Das ist richtig; ich nehme das ausdrücklich zurück. – Meine Damen und Herren, wenn der Lautsprecher in der ersten Reihe zuhörte, dann würde ich Ihnen jetzt sagen, dass im Jahre 1978 – –
Vizepräsident Frank Lortz:
Herr Kollege Frömmrich, Sie wollen mich doch nicht ärgern? – Gut, dann nehme ich die Entschuldigung an, und Sie können weiter sprechen. Bitte sehr.
Jürgen Frömmrich:
Danke schön. – Im Jahre 1978 forderte dann die FDP im Abgeordnetenhaus von Berlin eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Im Übrigen hat das Bundesland Brandenburg als erstes Bundesland gesetzlich eine Kennzeichnungspflicht von Polizisten geregelt. Man höre und staune, der Gesetzentwurf war ursprünglich von der CDU eingebracht worden und hatte dann eine breite Mehrheit des Hauses.
(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))
Sie sehen also, es gibt über die Parteien hinweg durchaus die Möglichkeit, sich auf eine Kennzeichnungspflicht für Beamtinnen und Beamte zu einigen. Wir laden Sie ein, bei unserem Gesetzentwurf mitzumachen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))
Vielleicht noch ein Beispiel, um den lieben Kollegen Beuth zu überzeugen.
(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Einer der großen Kritiker war der ehemalige Oppositionsführer im Berliner Abgeordnetenhaus, der heutige Innensenator Henkel. Den zitiere ich, wenn ich darf, aus der taz:
Es ist zwei Jahre her, dass die silberfarbenen Kunststoffschildchen an Berlins Polizisten … [kenntlich machen].
Dann wird gefragt, wie sich das dann nach der Einführung bewährt habe, und dann sagt der heutige Innensenator:
Die Befürchtungen haben sich in keinem einzigen Punkt bestätigt.
Das sagt ein CDU-Senator; vielleicht nehmen Sie das einfach einmal zur Kenntnis, Herr Kollege Beuth.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Sie der taz nicht glauben, weil sie vielleicht etwas zu links ist, dann glauben Sie vielleicht dem Tagesspiegel. Dort wird der Innensenator auch zitiert:
Nun räumt Innensenator Frank Henkel (CDU) ein: Er habe „keine Erkenntnisse“ zu etwaigen Übergriffen oder Bedrohungen gegen Polizisten.
Das, was Sie als Problem an die Wand malen, existiert in der Realität nicht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nun haben wir bei der Formulierung unseres Gesetzentwurfs die Einwände, die es durchaus gibt, natürlich sehr ernst genommen. Die Polizeigewerkschaften und andere haben in der Diskussion mit uns immer gesagt, dass sie die Befürchtung hätten, dass gerade bei Einsätzen wie gegen die Organisierte Kriminalität oder Rockerbanden unter Umständen einzelne Polizeibeamte von Übergriffen bedroht seien, nach dem Motto: „Wir wissen, wo du wohnst; wir kennen deine Familie und anderes“.
Genau aus diesem Grund nehmen wir diese Befürchtungen ernst und sagen: Wir wollen, dass in solchen Einsätzen eben keine Klarnamen, sondern anonymisierte Nummern getragen werden, über die keine Rückschlüsse auf die Personen gemacht werden können. Das ist unser Auftrag, und das sind wir den Beamtinnen und Beamten schuldig, damit sie in ihrer Freizeit und damit ihre Familien nicht gefährdet werden. Das haben wir in unserem Gesetzentwurf sehr genau formuliert.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie sehen also, dass wir ein Problem aufgegriffen haben, das immer wieder aufploppt. Ich glaube, es ist auch gerechtfertigt, dass Bürgerinnen und Bürger von der Politik immer wieder fordern, dass wir eine Kennzeichnungspflicht einführen, damit sie gegen etwaige ungerechte Behandlungen vorgehen können.
Wir haben die Einwände von Gewerkschaften, Polizistinnen und Polizisten ernst genommen. Wir haben es so geregelt, dass Repressalien ausgeschlossen sind. Ich glaube, dass es ein guter Vorschlag ist. Wir laden Sie ein, mitzumachen. Machen Sie mit, dann bekommen wir schnell ein gutes Gesetz. Das ist im Interesse von Offenheit und Transparenz; das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern, glaube ich, auch schuldig. – Vielen Dank.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Frank Lortz:
Vielen Dank, Kollege Frömmrich.