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16.07.2014

Jo Dreiseitel: Landesprogramm WIR ist ein weiterer wichtiger Impuls einer erfolgreichen Integrationspolitik

Vielen Dank, Herr Minister. – Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt wohl kaum einen Bereich in unserem Land, in dem während der letzten Jahre ein solcher Wandel stattgefunden hat wie bei der Integrationspolitik.

Integration steht mittlerweile nicht mehr auf Bundes- und Landesebene, sondern insbesondere auch bei den Kommunen ganz oben auf der Agenda. Da setzen wir mit unserer Integrationspolitik an; denn in den Kommunen leben die Menschen. Dort gehen die Kinder gemeinsam in den Kindergarten und in die Schule. Dort werden Kontakte geknüpft, und man lernt sich auf dieser Ebene ganz intensiv kennen.

In den Kommunen wird sichtbar, dass sich Hessen in den letzten Jahren tief greifend verändert hat. Über 25 Prozent der Hessinnen und Hessen haben einen Migrationshintergrund. Bei den bis zu 18-Jährigen beträgt der Anteil sogar 37 Prozent und bei den bis zu Sechsjährigen fast die Hälfte. Diese Menschen kommen aus allen sozialen Schichten, haben unterschiedliche Bildungsabschlüsse, Interessen und persönliche Biografien. Die gern definierte einheitliche Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund gibt es nicht. Darauf aufbauend gilt es für Hessen, eine zukunftsweisende und intelligente Integrationspolitik zu entwickeln.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb setzt das Landesprogramm WIR neue Akzente und nimmt damit eine Neubestimmung der hessischen Integrationspolitik vor. Mit dem Programm WIR gestalten wir eine aktive Integrationspartnerschaft zwischen dem Land Hessen und den Kommunen. Trotz des ambitionierten Konsolidierungskurses der Landesregierung realisieren wir ein Förderprogramm Integration mit mehr als 3 Millionen Euro für diesen Bereich.

Uns ist wichtig, dass Integration nicht nur als Projektarbeit verstanden wird, sondern sie zählt durch einen Prozess der kulturellen Öffnung zur kommunalen Regelaufgabe. Wir unterstützten diesen Prozess mit Personal, mit innovativen Projekten, die wir fördern, mit niedrigschwelliger Sprachförderung und der Qualifikation ehrenamtlicher Integrationslotsen. Diese ehrenamtlichen Integrationslotsen – heutiger Stand immerhin ca. 1.000 Frauen und Männer –,

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

überwiegend mit Migrationshintergrund, repräsentieren momentan 45 unterschiedliche Sprachen, nehmen Zugewanderte an die Hand und helfen und unterstützen. Ich möchte denen, aber auch insgesamt allen Bürgerinnen und Bürgern, die vor Ort eine hervorragende Integrationsarbeit mit realisieren, meinen allerherzlichsten Dank aussprechen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Meine Damen und Herren, mit WIR wollen wir landesweit eine kommunale Willkommens- und Anerkennungskultur etablieren, die sowohl eine Chance als auch eine große Herausforderung für die Zukunftsfähigkeit unseres Bundeslandes darstellt.

Vielfalt ist eine wichtige Voraussetzung für unseren gesell- schaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg. Unsere Gesellschaft profitiert von kultureller Vielfalt. Aus dieser Vielfalt entstehen immer wieder beachtenswerte innovative Ideen.

Vielfalt setzt sich aber auch Unterschieden und Konflikten aus. Diese gilt es offen zu benennen; denn erst die Auseinandersetzung mit diesen Widersprüchen und das kritische Reflektieren sind der Motor für gesellschaftliche Entwicklungen. Das ist mitunter sehr anstrengend, aber auch absolut notwendig.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist wichtig, Integration nicht nur auf Menschen mit Migrationshintergrund zu beschränken. Das erfordert vielmehr von allen Bürgerinnen und Bürgern eine große Veränderungsbereitschaft. Dabei gilt es, Verunsicherungen nachzugehen und sie durch konstruktiven Dialog zu überwinden.

Der Name des Programms WIR verdeutlicht bereits eine Zielsetzung. Es gilt, in einem Prozess der gemeinsamen

Identitätsfindung auch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit in unserem Bundesland zu entwickeln.

Meine Damen und Herren, es ist sehr wichtig, uns eindeutig als Einwanderungsland zu definieren und auch so zu handeln.

So sehen auch die realen Zahlen aus. Deutschland schrumpft und altert in einem schnelleren Tempo, als das in anderen Industrieländern der Fall ist. Deutschland ist das zweitälteste Land der Welt. Dabei stehen wir erst am Anfang der Auswirkungen einer immer älter werdenden Gesellschaft. Wir haben die geringste Geburtenrate in Europa. Gleichzeitig fehlen dem hessischen Arbeitsmarkt in den nächsten 15 Jahren bis zu 600.000 Fachkräfte.

Wenn wir diesen demografischen Wandel bewältigen wol- len und unseren wirtschaftlichen Erfolg und unsere Lebensqualität sichern wollen, sind wir auf Zuwanderung, auf Integration und auf gleichberechtigte Teilhabe aller angewiesen. Das heißt: Wir müssen ausgehen von den tatsächlichen besonderen Bedürfnissen Zugewanderter, aber auch von den Bedürfnissen der aufnehmenden Gesellschaft.

In vielen Gesprächen mit unseren Kommunen hat sich her- ausgestellt, dass das Programm WIR exakt den Bedarf vor Ort trifft.

Ein deutlicher Beweis dafür ist auch, dass 32 der insgesamt 33 kreisfreien Städte, Sonderstatusstädten und Landkreise zugesichert haben, dass sie in diesem und im nächsten Jahr WIR-Koordinatorinnen und -Koordinatoren mit unserer Unterstützung einstellen wollen. Schon in diesem Jahr nehmen 26 Städte und Landkreise dieses Angebot wahr. Wir subventionieren die Stellen mit bis zu 50.000 Euro.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist eine ganz wesentliche Unterstützung des geplanten Aufbaus einer Willkommens- und Anerkennungskultur in der Fläche. Wir werden dabei auf die konkreten Bedingungen vor Ort abstellen und sie mit berücksichtigen.

In einer aktiven Integrationspartnerschaft wird die Zusammenarbeit des Landes und der Kommunen ausgebaut. Wir beschränken uns nicht nur auf die Weitergabe von Fördermitteln, sondern werden im engen Schulterschluss mit den Kommunen in Beratung und fachlicher Begleitung gemeinsam eine zukunftsweisende Integrationsarbeit des Landes Hessen voranbringen.

Gerade Menschen, die in Deutschland zugewandert sind, benötigen eine Orientierungshilfe. Deshalb ist es lobenswert, wenn die Stadt Wiesbaden ein Informationsnetzwerk aufbaut, damit sich die Zugewanderten so schnell wie möglich in der neuen Heimat Wiesbaden zurechtfinden.

Die aktive Integrationspartnerschaft bezieht sich aber nicht nur auf das Verhältnis von Land und Kommune. Wir stehen auch in einem direkten Dialog mit Vereinen und Verbänden. So verfolgt z. B. der Landkreis Offenbach mit unserer Unterstützung das Ziel, die Feuerwehr und die Rettungsdienste interkulturell zu öffnen und damit den Zugewanderten auch ein Willkommensangebot zu erschließen.

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Ich muss Sie an die Redezeit der Fraktionen erinnern, Herr Staatssekretär.

Jo Dreiseitel, Staatssekretär im Ministerium für Soziales und Integration:

Ich bin gleich fertig. – Meine Damen und Herren, Integration geht uns alle an. Jede und jeder muss dabei ihren und seinen Beitrag leisten. Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima der gegenseitigen Wertschätzung und des Respekts, um auch unseren Wirtschaftsstandort Hessen zukunftsfähig zu machen. Nur so bewahren wir den sozialen Frieden und tragen zur Verhinderung von Parallelgesellschaften bei. Daher unternehmen wir auch auf der Bundesebene alles, damit die Öffnung in Richtung Integrationskurse für Asylbewerber und Flüchtlinge erfolgt.

Meine Damen und Herren, abschließend stelle ich fest: Die Handwerkskammer Wiesbaden hat recht, wenn sie mit dem Slogan „Bei uns im Handwerk kommt es nicht darauf an, woher Du kommst, sondern wohin Du willst!“ wirbt. Die Integrationspolitik der Landesregierung mit ihren sehr ehrgeizigen Arbeitszielen ist dann erfolgreich, wenn immer mehr Bürgerinnen und Bürger davon überzeugt sind, dass nicht nur die Herkunft zählt, sondern vor allem eine gemeinsame Zukunft aller Menschen in Hessen. Lassen Sie uns bitte fraktionsübergreifend an diesem Ziel gemeinsam arbeiten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Dreiseitel.