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26.03.2015

Eva Goldbach: Interkommunale Zusammenarbeit stärken, freiwillige Zusammenlegung von Landkreisen ermöglichen

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Herren Kollegen und Frau Kollegin von der FDP, tatsächlich stehen in Ihrem Antrag viele richtige Aussagen. Wir sehen alle, dass die hessischen Städte, Gemeinden und Kreise neue Formen der effektiven Zusammenarbeit suchen und auch finden. Beispiele: Kreise fungieren als Servicestellen für die kreisangehörigen Gemeinden, machen beispielsweise deren Personalabrechnung und Lohnbuchhaltung, Kreise erfüllen zusammen kreisübergreifende Aufgaben wie z. B. den Ausbau des Breitbandnetzes, oder die Aufgaben von zwei oder mehreren Kommunen werden in einer gemeinsamen Verwaltung gebündelt, und es werden dennoch beide Verwaltungsstandorte erhalten. Das haben wir aktuell bei den Gemeinden Bromskirchen und Allendorf (Eder). Dort werden Mitarbeiter in beiden Verwaltungen spezialisiert, und die erledigen für die jeweils andere Verwaltung spezielle Aufgaben mit.

Wir wissen, dass in Hessen über 60 %, eher ungefähr 70 % aller Kommunen in irgendeiner Form interkommunale Zusammenarbeit betreiben. Sie werden dabei auch sehr stark vom Land Hessen unterstützt, das – Herr Bauer hat es schon erwähnt – das Kompetenzzentrum für Interkommunale Zusammenarbeit gegründet hat und unterstützt. Träger ist das Innenministerium, und – das ist wichtig – Kooperationspartner sind der Hessische Städte- und Gemeindebund, der Hessische Landkreistag und der Hessische Städtetag.

Dieses Zentrum berät die Kommunen, hilft bei der Vorbereitung und Durchführung von Infoveranstaltungen. Hier kommen wir zum Thema Bürgerwillen. Es geht um die Infoveranstaltungen, die dazu dienen, erst einmal zu ermitteln, wie der Bürgerwille überhaupt ist. Die Bürger werden eingeladen, können sich dazu äußern, ob eine Zusammenarbeit stattfinden soll, wer welche Aufgaben übertragen bekommt.

Schließlich – auch sehr wichtig – hilft dieses Zentrum bei der Beratung in Sachen Fördermittel; denn das Land Hessen fördert das in immenser Höhe. Im Moment ist es so, dass, je nach Anzahl der beteiligten Kommunen, bis zu 100.000 Euro pro Kooperation an Fördermitteln gezahlt werden. Das sind ordentliche Beträge.

Der Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit liegt ein Leitgedanke zugrunde, der in der „Rahmenvereinbarung zur Förderung der Interkommunalen Zusammenarbeit“ formuliert ist und der lautet:

Die neuen Herausforderungen werden für die hessischen Kommunen nur durch die Zusammenführung von beträchtlichen Teilen ihrer Verwaltungen in gemeinsame Dienstleistungszentren zu bewältigen sein. Das Land Hessen fördert deshalb die interkommunale Zusammenarbeit mit Zuweisungen aus dem Landesausgleichsstock.

Ich glaube, zu diesem Grundsatz haben wir in diesem Hause einen Konsens, da sind wir uns in allen Fraktionen einig. Wir sind uns aber, glaube ich, nicht ganz einig darüber, warum interkommunale Zusammenarbeit sein muss und warum es eventuell auch Zusammenschlüsse von Gemeinden geben könnte.

Herr Eckert hat eben gesagt und in seiner Pressemitteilung gerade eben veröffentlicht: Es darf keine Zusammenschlüsse aufgrund finanzieller Not geben. – Dazu muss man sagen: Betrachten wir einmal, warum so etwas überhaupt stattfindet. Wir haben gesellschaftliche Realitäten, z. B. dass aus dem ländlichen Raum, leider auch in meinem Kreis, dem Vogelsbergkreis, Menschen wegziehen. Wir werden da immer weniger. Wir haben in manchen Ortsteilen dramatisch wenige Menschen. Auch unsere Gemeinden schrumpfen, nicht alle, aber ein Teil der Gemeinden schrumpft. Das sind Realitäten, mit denen wir umgehen müssen.

Auf der anderen Seite haben wir gewaltige Herausforderungen an die Kommunalverwaltung. Überlegen Sie einmal, was es bedeutet, nach europarechtlichen Vorschriften eine Ausschreibung zu machen, ein Ausschreibungsverfahren. Eine kleine Gemeinde kann das kaum noch leisten. Das sind die Gründe, warum wir verstärkt interkommunale Zusammenarbeit brauchen und vielleicht auch Verlagerungen von verschiedenen Aufgaben oder die Einrichtung von Servicestellen auf Kreisebene für kreisangehörige Gemeinden. Das sind die richtigen Gründe dafür.

Auch nicht ganz richtig finde ich die Begründung von Herrn Hahn, die er vorhin genannt hat, das Land könne dabei Geld sparen. Das mag ein Effekt sein, wenn sich Kreise zusammenschließen würden. Aber das darf nicht unsere Motivation sein. Dann würden wir sehr in das Selbstverwaltungsrecht der Kreise eingreifen.

(Zuruf des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Wir können doch nicht sagen, wir machen eine Gebietskörperschaftsreform, um dem Land Hessen Geld zu sparen. Nein, ganz klar, die Initiative geht von den Kommunen aus. Sie muss von den Kommunen ausgehen, aber wir werden sie in jedem Fall unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte auf Ihre konkrete Anregung eingehen, Kreise zusammenzuschließen. Das hätte Vorteile und Nachteile. Vorteile wären sicherlich die Abfederung des demografischen Wandels, was ich eben schon beschrieben habe, die Sicherung der Daseinsvorsorge. Man könnte vorhandene Strukturen an diese Bevölkerungsentwicklung anpassen. Die Aufgabenbewältigung könnte schneller, besser, effizienter erfolgen, und wir haben bei den Landkreisen im Gegensatz zu den Gemeinden eine nicht so starke Identifikation der Bevölkerung mit dieser kommunalen Einheit, mit dem Kreis.

Die Nachteile wären allerdings: Es könnte ein Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie sein, und eigentlich wollen wir bürgernahe Administrativstrukturen. Das heißt, wir wollen bürgernahe Verwaltungen, also auch räumlich nahe Verwaltungen. Je größer die Kreise werden, desto schwieriger wird das. Wir wollen auch eine Verbundenheit der Bevölkerung mit den Kreisen, auch wenn sie nicht so eng ist wie die mit den Gemeinden, wie eben beschrieben.

Die Demokratiefunktion, sich also ehrenamtlich in den Kreisen zu engagieren, hängt auch ein bisschen mit Räumlichkeit zusammen; denn es ist schwierig – wieder am Beispiel Vogelsberg –, wenn man 40 km von einem Ende des Kreises bis zur Kreistagssitzung fahren muss. Wenn die Kreise noch viel größer werden, dann ist das im Ehrenamt abends fast nicht mehr zu schaffen. Dann wird es schwierig.

Es gibt also Vorteile, es gibt Nachteile. Herr Hahn ist vorhin schon auf die gesetzliche Lage eingegangen. Ich fand richtig, was Sie gesagt haben: dass wir in § 16 der HGO die Möglichkeit haben, dass auf Initiative der Gemeinden die Gemeindegrenzen geändert, Gemeinden aufgelöst oder neu gebildet werden können, und dass wir in der HKO für die hessischen Landkreise diese Möglichkeit nicht haben, sondern dass darin steht: Für die Neubildung oder Auflösung eines Landkreises bedarf es eines Gesetzes. – Wenn wirklich einmal zwei Landkreise kommen – es gehören zwei dazu, nicht nur einer –, die sagen, sie wollen sich zusammentun,

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

dann wären die Hessische Landesregierung und die Koalitionsparteien bestimmt die Letzten, die das nicht unterstützten. Aber dann kann man für diesen Fall auch eine gesetzliche Regelung schaffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben als Grundsatz: Wir wollen den Kommunen Zusammenschlüsse ermöglichen, wir wollen sie aber keinesfalls von oben verordnen. Wir wollen weiterhin die interkommunale Zusammenarbeit und Veränderungen bei den Gebietskörperschaften, die sich aus dem Willen der Gebietskörperschaften heraus entwickeln, nicht aufhalten, sondern unterstützen. Wir können die Kreise nicht suchen – das wurde heute auch schon gesagt –, und Kostenersparnis darf auch nicht das Argument sein.

Ich denke, wir werden im Innenausschuss noch einmal darüber reden. Ich glaube, dass wir bei diesem Thema eine fraktionsübergreifende, konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle unserer hessischen Kommunen hinbekommen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Frau Kollegin Goldbach.

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