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12.10.2016

Eva Goldbach: Interkommunale Zusammenarbeit und freiwillige Gemeindefusionen weisen den Weg in die Zukunft

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne einmal mit der Überschrift eines Berichts in einer hessische Lokalzeitung. Sie ist erst vier Tage alt. Die Überschrift lautet:

Ein unmoralisches Angebot

Das wurde von der Zeitung sehr bewusst provokant gewählt. Aber es geht in diesem Beitrag nicht um das Thema des gleichnamigen Films. Da verkauft ein Ehemann seine Ehefrau. Nein, es geht um das spannende Thema interkommunale Zusammenarbeit.

Provokant ist allerdings schon das, was in dem Bericht steht. Da hat es nämlich ein Bürgermeister gewagt – er ist Bürgermeister einer Kommune mit 14.000 Einwohnern –, den umliegenden kleineren Gemeinden anzubieten, sich zu einer Großgemeinde zusammenzuschließen. Die Reaktion darauf war Empörung. Die Bürgerinnen und Bürger der kleinen Gemeinden wollen nicht zu einer Großgemeinde gehören. Sie wollen lieber eigenständig bleiben.

Sie weisen darauf hin, dass es schon viele andere Formen der interkommunalen Zusammenarbeit gibt. Sie betonen aber auch – ich zitiere jetzt einen der Bürgermeister dieser kleinen Kommunen –:

Ein offener und konstruktiver Dialog bei der ganzen Thematik kann nur von Vorteil sein.

Warum zitiere ich das hier? – Wir sehen, es gibt da Diskussionen. Es gibt einen Austausch. Es wird auf kommunaler Ebene laut, offen und kontrovers darüber diskutiert, wie Kommunen zusammenarbeiten können und ob sie sich zusammenschließen sollen, können oder wollen.

Das Wichtige für uns ist: Diese Überlegungen und diese Debatten finden in den Gemeinden, in den Städten und auch in den Landkreisen statt. Wir bestimmen da gar nichts. Das Land Hessen unterstützt. Die Entwicklungen finden vor Ort statt.

Herr Kollege Eckert, ich finde es schon erstaunlich, was Sie der Landesregierung und der Mitgliedern der Regierungsfraktionen an Kompetenzen zutrauen. Wir können die Bevölkerungsentwicklung nicht maßgeblich beeinflussen. Wir können keine Wohnorte zwangsweise bestimmen und dadurch demografische Veränderungen verhindern oder beeinflussen.

Das muss man einmal so klar feststellen: Es gibt Entwicklungen, die passieren einfach. Das ist eben die zunehmende Alterung der Bevölkerung. Die Einwohnerzahlen verändern sich. Es ist nicht so, dass alle Dörfer aussterben. In manchen Dörfern nimmt die Zahl der Bevölkerung ab. In manchen nimmt sie aber auch zu oder ist zumindest stabil.

Diese Veränderungen bewirken, dass die Infrastruktur angepasst werden muss. Die Kommunen müssen sich überlegen, wie sie ihre Aufgaben erfüllen können und wie sie den Anforderungen der Bevölkerung gerecht werden können. Denn die Menschen wollen weiterhin, dass es die Feuerwehr gibt. Sie wollen, dass Schulen und Kindergärten da sind. Es soll auch ein Bauhof und vielleicht eine Stadtgärtnerei da sein.

All diese Leistungen müssen die Kommunen weiterhin erbringen. Daraus entsteht die Überlegung: Vielleicht können wir durch Zusammenarbeit diese Aufgaben besser erfüllen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich möchte einmal ein paar Beispiele nennen, bei denen so etwas gut funktioniert. Das Kassenwesen und die Finanzverwaltung, das klingt ein bisschen langweilig. Das ist aber für die Kommunen ganz wichtig. Das sind wirklich klassische Verwaltungsaufgaben. Da haben sich schon 15 Kommunen zusammengetan.

Dann haben wir die touristischen Angebote. Das betrifft insbesondere den ländlichen Raum. Der ländliche Raum mit seinen touristischen Regionen befindet sich auch in einem internationalen Wettbewerb. Wir müssen uns behaupten. Wir müssen uns bekannt machen.

Die ländlichen Regionen wollen ein Image entwickeln. Sie wollen eine selbstbewusste Marke sein, die wahrnehmbar ist. Auch dabei hilft die interkommunale Zusammenarbeit. Das wurde schon in sechs Projekten geschafft. Beispielsweise geschah dies in Rotenburg. Dann gibt es die touristische Arbeitsgemeinschaft Märchenland. Das ist ein schöner Begriff. Es gibt das hessische Kegelspiel. Es gibt das Rotkäppchenland.

Wir sehen, da passiert viel. In den Regionen überlegt man sich Begriffe und Marken. Sie arbeiten zusammen und entwickeln das gemeinsam. Bei all diesen Kooperationen unterstützt das Land Hessen.

Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist gerade wiederum für den ländlichen Raum eine Chance. Denn wir können dadurch mehr Arbeit im ländlichen Raum halten. Wir können die Arbeit sogar verlagern. Der Informationsaustausch funktioniert über das Breitbandkabel gut. Die Anforderung lautet also: Es muss das Breitbandkabel flächendeckend in ganz Hessen geben.

Es gibt dazu wiederum zehn Projekte, in denen die Landkreise zusammenarbeiten. Es gibt auch einen Zusammenschluss der Gemeinden und der Landkreise, die gemeinsam ihre Breitbandnetze bauen oder ausbauen. Auch das geschieht wieder mit großer Unterstützung und finanzieller Förderung durch das Land Hessen.

Gerade dazu muss ich sagen, dass das wirklich eine Investition in die Zukunftsfähigkeit ist. Die Menschen in den Gemeinden machen sich auf und sagen: Wir wollen das. Wir sehen, dass wir für unsere Zukunft das Breitbandkabel brauchen. Wir müssen das haben. – Das Land Hessen unterstützt das. Es fördert das finanziell. So werden wir es schaffen, Hessen flächendeckend zukunftsfähig zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich möchte noch etwas zum Gemeindeverwaltungsverband im Vogelsberg sagen. Ich komme aus dem Vogelsberg. Es geht dabei nicht nur um Kostenersparnis. Darum geht es auch. Das ist ein Argument. Aber die Bürgermeister dort haben uns erklärt, dass es noch ein paar andere Vorteile gibt.

Es geht nämlich auch darum: Wenn sich vier Gemeinden zusammenschließen und ihre Verwaltung gemeinsam erledigen oder erledigen lassen, dann heißt das, dass sie mehr qualifiziertes Fachpersonal haben. Das heißt, sie können es sich leisten, einzelne Verwaltungsfachleute viel tiefergehend zu qualifizieren, als wenn es wenige gibt, die alle Aufgaben erledigen müssen. Davon haben wir dann welche in jeder Gemeinde.

Das wiederum führt dazu, dass die Leute auch höher bewertete Stellen bekommen können. Das ist also tatsächlich für Verwaltungsleute, Angestellte und Beamte im ländlichen Raum eine Chance, auf höher qualifizierte und bewertete Stellen zu kommen. Das haben uns die Bürgermeister dort als wesentlichen Vorteil genannt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Eines wurde auch noch klar: Die Entwicklung bei der interkommunalen Zusammenarbeit, also der Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden, den Städten und den Landkreisen, ist auch ein bisschen eine Generationenfrage. Bei den Bürgermeisterinnen oder den Bürgermeistern – in der Vergangenheit waren es meistens Männer – gab es dieses Kirchturmdenken nach den Motto: Ich bin hier der König in meiner kleinen Gemeinde.

Das ist bei den neuen Bürgermeistern anders. Sie handeln zwar immer noch klar zum Wohl ihrer Gemeinde. Aber sie schauen über den Tellerrand hinaus. Sie schauen, wie sie in Kooperation mit den anderen Gemeinden viele Ziele und Aufgaben besser erfüllen können, als wenn sie das alles ganz alleine machen würden. Ich glaube, wir werden da noch viele und gute Beispiele der interkommunalen Zusammenarbeit erleben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Michael Boddenberg und Judith Lannert (CDU))

Zum Schluss möchte ich noch einmal die Zahlen hinsichtlich der Förderung durch das Land Hessen nennen. Wir haben das Kompetenzzentrum für Interkommunale Zusammenarbeit, das die Kommunen bei ihren Zusammenschlüssen bzw. beim Zusammenarbeiten organisatorisch berät.

Es gibt aber auch sehr viele finanzielle Zuwendungen. Insgesamt werden mittlerweile 193 Kooperationen mit einer Gesamtsumme von 13,5 Millionen € gefördert. Ich denke, die Herausforderungen, die sich Städten, Gemeinden und Kreisen stellen, werden sich weiter verändern. Auch die Bevölkerungsentwicklung wird sich verändern. Unsere Kommunen werden darauf reagieren. Unsere Aufgabe als Land Hessen ist es, die Kommunen dabei weiterhin zu beraten und zu unterstützen, ihnen aber keinesfalls Vorschriften zu machen. Das ist der richtige Weg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

 

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