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29.04.2015

Eva Goldbach: Freiheit im Internet mit Datenschutz sichern

Stellen Sie sich vor, was in diesen 30.000 Jahren, seit unser Freund seine Bilder an die Höhlenwände gemalt hat, an Daten zusammengekommen ist, die die Menschheit produziert hat. Das ist genau die Datenmenge, die allein im Jahr 2015 neu gespeichert werden wird. Damit kann man sich ein Bild machen, was das für Mengen sind und wie viel mehr das heutzutage ist als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit.

Es ist unstrittig, dass die Daten, die heute gespeichert werden, und ein Großteil davon im Internet, geschützt werden müssen. Es ist auch unstrittig, dass dem Staat dabei eine immense Funktion zukommt. Wir stellen auch immer wieder die Frage, wieweit die Eigenverantwortung der Nutzerinnen und Nutzer im Internet geht, um ihre eigenen Daten zu schützen.

Eigentlich hat die mündige Bürgerin und der mündige Bürger das Recht, im Internet so viel zur Verfügung zu stellen, wie sie oder er möchte. Die Anbieter müssen aber auch gesetzlich dazu verpflichtet werden, von sich aus den höchstmöglichen Datenschutz zu gewähren. Die Nutzer müssen Abweichungen von dem höchstmöglichen Datenschutz ausdrücklich zustimmen und nicht umgekehrt.

Eine besondere Aufgabe – das sagte die Kollegin schon, das finde ich völlig richtig – kommt dabei auf uns zu, die Kinder und Jugendlichen zu schützen, wenn sie sich im Internet bewegen. Ein Großteil dieses Schutzes besteht in der Präventionsarbeit, also Aufklärung und Medienkompetenz. Konkret heißt das: Wenn unsere Kinder und Jugendlichen am Computer sitzen, im Internet surfen und irgendwelche Spiele spielen, dann müssen wir erreichen, dass sie nicht nur das sehen, was gerade vor ihnen auf dem Bildschirm erscheint, sondern sie müssen auch wissen, dass sie vielleicht die Rechte der Fotos, die sie gerade auf Instagram eingestellt haben, verlieren. Sie müssen wissen, dass jede ihrer Suchanfragen gespeichert wird und sie später passgenau Werbeangebote von den Anbietern bekommen.

Es gibt im Übrigen Programme, wie beispielsweise die Freeware CyberGhost, die das Surfverhalten komplett verschlüsselt und anonymisiert. Das wissen aber die wenigsten. Solche Dinge müssen wir unseren Kindern beibringen.

Ich möchte einmal zwei drastische Beispiele anführen, in denen die Persönlichkeitsrechte von Kindern und Jugendlichen ganz besonders stark eingeschränkt werden. Es gibt eine neue Barbie – Barbie kennen wir alle, die gab es schon, als ich noch Kind war. Ich durfte als Kind nicht damit spielen, weil sie nicht pädagogisch wertvoll war, aber ich habe dann bei meiner Freundin mit Barbies gespielt.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg)

Also, meine Töchter haben auch mit diesem Damen gespielt. Die sind zwar scheußlich gewesen, aber harmlos, wirklich harmlos. Jetzt aber hat Mattel etwas ganz Neues herausgebracht, und zwar eine Barbie, die heißt Hello Barbie. Die ist über Wi-Fi verbunden und kann die Gespräche mit Kindern aufzeichnen. Das heißt, diese Puppe antwortet den Kindern, spricht mit ihnen, und was die Kinder sagen, wird aufgezeichnet. Die Idee dahinter ist, dass die Puppe sich daran erinnern soll, was die Kinder ihr erzählt haben und ein Algorithmus entscheidet dann, welche Antwort wiederum die Barbie darauf gibt. Das ganz Dolle daran ist, dass die Kontrolle der Daten bei den Eltern liegen soll. Das heißt, die Eltern können später abrufen, welche Gespräche ihre Kinder mit der Puppe geführt haben.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

– Genau. –

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Das muss man sich einmal vorstellen. Das heißt, dann müssen wir überlegen, wie der Staat eingreift, um die Kinder vor ihren Eltern zu schützen. Solche Dinge bietet uns die Spielzeugindustrie an. Das ist unerhört.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein anderes Beispiel heißt nicht Hello, sondern Hallo und kommt von Facebook. Und zwar haben die eine neue Telefon-App. Mit der versuchen sie, an unsere Telefondaten heranzukommen, was so eigentlich nicht möglich ist. Und zwar fordern sie vor der Installation – das geht nur auf Android-Geräten – sehr viele Berechtigungen ein. Das kennen wir alle: Wenn wir eine neue App einrichten, kommen Berechtigungen, wo man meistens einfach drüberklickt. Man muss z. B. der Aufnahme von Bildern und Videos zustimmen, Audio aufnehmen, Dateien ohne Benachrichtigungen herunterladen.

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Löber zu?

Eva Goldbach:

Ja, bitte!

– Bitte, Frau Löber.

Angelika Löber (SPD):

Entschuldigen Sie bitte, es waren doch weit über 200 Fragen in der großen Anfrage, und auch sehr umfangreiche Antworten. Aufgrund Ihrer Rede erschließt sich mir im Moment nicht, ob Sie sich überhaupt mit den Fragen und Antworten beschäftigt haben.

(Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eva Goldbach:

Ich darf noch ein kleines bisschen um Geduld bitten. Ich komme gleich zu den Antworten und den Maßnahmen, die die Landesregierung beschreibt. Ich finde aber, das ist ein so immens wichtiges Thema, dass man sich veranschaulichen muss, von was wir hier sprechen. Das kann man gar nicht genug tun, weswegen ich das hier mache und etwa die Hälfte meiner Redezeit dafür verwende. Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden.

(Zuruf von der CDU)

Zurück zu meinem zweiten Beispiel. Diese App versucht also – und es gelingt ihr auch, wenn man dort zustimmt –, auf die Kontakte und Telefondaten zuzugreifen, auch auf solche, die überhaupt nicht freigegeben sind. Das wirklich Fiese dabei ist, dass wenn man sich die Lizenzvereinbarung durchsehen will, man minutenlang im Höchsttempo scrollen muss. Kein Mensch kann mir erzählen, dass das irgendjemand liest.

Und genau da greift eben auch Gesetzgebung ein, weil sie dann vorschreibt, dass dies verständlich und in einer angemessenen Zeit zu bewältigen sein muss, solche Datenschutzhinweise zu lesen und auch zu verstehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte der zuständigen Ministerin ausdrücklich für diese sehr umfangreichen Antworten danken. Ich muss sagen, ich selbst war auch erfreut darüber, wie viele Maßnahmen da getroffen werden.

Ich möchte noch einmal besonders auf den Jugendmedienschutz eingehen. Dazu habe ich eben noch Beispiele beschrieben. Das Kultusministerium hat hier sehr viele Aktivitäten, beispielsweise ein Unterstützungssystem für Schulen durch einen Landeskoordinator, es gibt in jedem Staatlichen Schulamt Ansprechpartner. Im vergangenen Schuljahr ist ein neues Programm mit mehrtätigen Fortbildungsreihen gestartet, das die Lehrkräfte bzw. die Lehrer fortbildet, und zwar zu Jugendmedienschutzberatern und -beraterinnen. Diese sind wiederum Multiplikatoren und verbreiten das weiter in ihre Schulen.

Darüber hinaus gibt es die Medieninitiative Schule@Zukunft, in der auch noch weitere Fortbildungsangebote enthalten sind und die durch das Landesschulamt entwickelt und angeboten werden. Außerdem werden jedes Jahr Fortbildungen für die Lehrkräfte angeboten. Auf dem hessischen Bildungsserver wird eine Website gepflegt, die sich an Lehrkräfte sowie an die Schülerinnen und Schüler richtet und immer aktuelle Informationen, Links zu Beratungsstellen und zu Seiten anderen Beratungsstellen enthält. Dort gibt es ein umfassendes Angebot, mit dem man zu allen Informationen, die es gibt – nicht nur die Hilfsangebote des Kultusministeriums selbst oder der Staatlichen Schulämter –, weitergeleitet wird. Das ist sehr umfangreich und gut.

Ende des vergangenen Jahres ist noch ein Informationspaket zum Jugendmedienschutz an alle hessischen Schulen verschickt worden. Darin sind auch noch einmal alle Maßnahmen und Ansprechpartner aufgeführt. Auch gibt es noch einmal eine Handreichung zum Jugendmedienschutz für Lehrkräfte – diese ist gerade in Arbeit und wird noch in diesem Schuljahr erscheinen. Darin sind ganz explizit noch einmal die wichtigen Sachen aufgeführt, nämlich Umgang mit sozialen Netzwerken im schulischen Kontext, Cyber-Mobbing, Handys an Schulen und Unterrichtsmaterialien für die Lehrkräfte.

Meine Redezeit läuft ab. Ich kann gar nicht alles aufführen, was allein im Bereich des Kultusministeriums, also im Bereich der Schulen gemacht wird. Aber gerade das ist, wie ich finde, ein besonders wichtiger Punkt; denn über die Schulen kommen wir an die Jugendlichen und an die Kinder heran und können sie frühzeitig informieren. Das ist die eine Seite, der eine wichtige Angriffspunkt. Der andere besteht nach wie vor in den gesetzlichen Vorschriften. Da haben wir nur beschränkte Gesetzgebungskompetenz. Wir werden uns aber auch weiterhin dafür einsetzen, ebenso wie unsere Ministerinnen und Minister, damit der Bund weiter an einer Rechtsprechung arbeitet, die den Datenschutz noch verbessert und vor allem – verpflichtend für die Anbieter – anwenderfreundliche Angebote enthält. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Frau Kollegin Goldbach.