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10.03.2016

Eva Goldbach: Änderung der Vorschriften über die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen und anderen ausländischen Personen

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie wissen, hat der Vogelsbergkreis im Jahr 2014 beschlossen, eine Normenkontrollklage gegen das Land Hessen einzureichen, um die volle Kostenübernahme der Unterbringungskosten für Flüchtlinge zu erreichen. Ich habe mich damals im Vogelsbergkreis dagegen ausgesprochen und dafür auch Kritik geerntet.

Aber heute kann ich sagen, dass das richtig war, und zwar aus verschiedenen Gründen: Einmal, weil es unklar war, ob diese Klage überhaupt Erfolg haben würde, aber den Vogelsbergkreis zunächst einmal Geld gekostet hat. Der Kreis hat dann seine Klage auch zurückgezogen. Zum Zweiten, weil das Land Hessen zu diesem Zeitpunkt bereits angekündigt hatte, mit den kommunalen Spitzenverbänden weitere Verhandlungen über eine Erhöhung der Pauschalen zu führen.
(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))
Für Verhandlungen ist es nicht gerade förderlich, wenn einer der Partner am Verhandlungstisch gegen einen anderen klagt. Aber der wichtigste Grund ist: Ich bin der Meinung, dass in einer so wichtigen Frage wie der Integration und Unterbringung von Flüchtlingen eine einvernehmliche Lösung zwischen Land und Kommunen bzw. den Kommunalen Spitzenverbänden der einzig richtige Weg sein kann. Gerade da sollten wir uns nicht an überflüssigen Fronten gegenseitig bekämpfen, sondern zur Bewältigung dieser großen gesellschaftlichen Aufgabe zusammenarbeiten.
Jetzt liegt uns ein Gesetzentwurf vor. Er bietet eine sehr gute Lösung für die Finanzierung der Unterbringungen in den Kommunen. Es freut mich und uns besonders, dass es ein gemeinsamer Gesetzentwurf von CDU, SPD und GRÜNEN ist und dass die anderen Fraktionen angekündigt haben, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Das ist der Sache angemessen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Wir haben im Vergleich mit den anderen Bundesländern fast die höchsten Zuweisungen an die Kommunen. Nur Bayern liegt höher. Das ist allerdings nicht direkt vergleichbar, weil Bayern ein anderes System hat, dort erfolgt die Aufgabenerledigung und Kostenkontrolle auf einer anderen staatlichen Ebene, dort errichten und betreiben die Regierungsbezirke Gemeinschaftsunterkünfte. Wir Hessen liegen wirklich sehr weit vorne mit der Finanzierung unserer Kommunen.
Mit der finanziellen Ausstattung ist es aber nicht getan. Das ist der wesentliche Punkt, und das haben meine Vorredner auch gesagt. In den Kommunen fängt die Arbeit erst an, wenn die Flüchtlinge dorthin kommen. Wir wissen, was dann passiert. Es kommen Menschen dorthin, die uns in den Städten und Gemeinden aufgrund ihrer Sprache und Kultur erst einmal fremd sind. Umgekehrt sind auch wir ihnen durch unsere Kultur, Sprache und Lebensweise fremd. Das sorgt erst einmal für Verunsicherung auf beiden Seiten. Da hilft das gegenseitige Kennenlernen, nämlich zu sehen, wie die anderen leben und denken. Dann wollen wir langsam zusammenwachsen: wir, die schon länger hier leben, und die, die neu dazukommen. Wir wollen gemeinsam eine neue Gesellschaft bilden.
Diese Gesellschaft wird sich verändern. Sie wird nicht so bleiben wie bisher. Aber es ist auch klar: Diese Gesellschaft wird weiterhin auf den Grundfesten stehen, auf denen sie jetzt steht, nämlich auf unserem Grundgesetz und Wertesystem.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Für uns Politiker bleibt das eine große Aufgabe, und zwar ganz besonders nach dem Ergebnis der Kommunalwahl. Wir sollten nicht nur sagen „Wir schaffen das“ – da sind wir ganz auf der Seite der Kanzlerin –, sondern wir sollten auch sagen, wie wir das schaffen. Wir müssen den Menschen immer wieder erklären, warum es richtig ist, die hier ankommenden Flüchtlinge zu integrieren. Wir müssen ihnen sagen, dass wir in der Vergangenheit Fehler gemacht haben und dass wir Gastarbeiter als Gäste behandelt haben, obwohl sie schon längst Mitglieder unserer Gesellschaft waren. Wir sollten diese Fehler nicht wieder machen und sollten sagen: Unsere Gesellschaft braucht auch Zuwanderung. Zahlenmäßig gesehen sind wir ein Auswanderungs- und kein Einwanderungsland.
Wir können alle Menschen, die herkommen, nur begrüßen – weil wir sie brauchen. Wir haben eine Überalterung. Das wissen wir alles. Flüchtlinge sollen nicht die Reservearmee für unseren Arbeitsmarkt sein; aber unsere Gesellschaft kann nur weiter bestehen und sich weiterentwickeln, wenn Menschen aus anderen Ländern zu uns kommen. Ich bin fest davon überzeugt: Wenn wir es schaffen, zusammen mit allen demokratischen Parteien, mit den Kommunen, dem Bund und dem Land an dieser Aufgabe so zu arbeiten, wie wir das angefangen haben, dann werden wir diese große Aufgabe auch bewältigen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Vizepräsident Frank Lortz:
Vielen Dank.