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16.12.2015

Eva Goldbach: Änderung der Hessischen Gemeindeordnung

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben den Gesetzentwurf der LINKEN hier schon einmal beraten. Dann haben wir ihn in den Ausschuss verwiesen. Dort haben wir gemeinsam beschlossen, uns die Anhörungsunterlagen aus dem Jahr 2003 nochmals vorlegen zu lassen. Wir haben sie nochmals durchgelesen. Ich möchte kurz erwähnen, was die Kommunalen Spitzenverbände dazu gesagt haben.
Der Hessische Städte- und Gemeindebund sagt: Die ausdrückliche Normierung eines Anspruchs ist nicht nötig. Der Hessische Landkreistag stimmt aus dem Grund der Chancengleichheit einem solchen Gesetzentwurf grundsätzlich zu, sagt aber auch, ich zitiere: „dass es in den Kreisen schon jetzt“ – 2003 – „übliche Praxis ist, den behinderten Kommunalpolitikerinnen und -politikern die … anfallenden und durch die Behinderung verursachten Mehrkosten zu ersetzen“.
(Unruhe)
Deshalb würde der Hessische Landkreistag eine gesetzliche Regelung nur als „Klarstellung“ betrachten.
Der Städtetag hebt hervor – ich zitiere wiederum –: „dass wir es für nicht richtig halten, Behindertenpolitik im Rahmen des Kommunalverfassungsrechts zu gestalten, zumal dies zu kurz greifen würde“.
Halten wir fest: Grundsätzlich haben behinderte Mandatsträger die gleichen Mitwirkungsrechte wie alle übrigen auch. Das ist der Grundsatz der Gleichheit der Mandatsträger. Ein wesentlicher Ausfluss dieser Rechtsstellung ist die Teilnahme an der Meinungs- und Willensbildung sowie an der Beratung und der Beschlussfassung der Gemeindevertretung oder des Kreises. Das muss jeder Gemeindevertreterin und jedem -vertreter auch tatsächlich möglich sein. – Wenn jemand beispielsweise sehbehindert ist, dann braucht er eben entsprechende Hilfen.
Wenn wir jetzt eine Regelung zur Aufwandsentschädigung im Gesetz verankern würden, dann wären grundsätzlich alle Behinderten mit einer Behinderung ab etwa 50 % anspruchsberechtigt – sagt der Städte- und Gemeindebund. Das heißt, die Kommune müsste erst einmal prüfen, ob überhaupt und inwieweit ein höherer Aufwand entsteht und ob er gerechtfertigt ist.
(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
Ein Teil dieses Aufwands wiederum könnte durch dritte Rechtsträger erstattet werden: Krankenversicherung, Pflegeversicherung. Es müsste dann nochmals geprüft werden, inwieweit da eine weitere Verrechnung und Abrechnung nötig ist. Das ist ein ziemlicher Verwaltungsaufwand.
Nicht zuletzt aber muss erst einmal die Mandatsträgerin oder der -träger belegen, dass sie oder er eine Behinderung hat.
(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
Schauen wir uns das einmal an. Mit einer Aufwandsentschädigung dieser Art würden wir eine besondere, zusätzliche Regelung für Menschen mit Behinderungen einführen. Das bedeutete eine höhere Aufwandsentschädigung für diese Personen.
(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))
Dann prüfen wir einmal, wo dieser Aufwand überhaupt entsteht. Frau Schott, dabei gehe ich jetzt einmal auf Sie ein. Sie haben eben von Türen, Türklinken, Tischen und Stühlen gesprochen. Meines Wissens bringen die Abgeordneten die Stühle, Tische und Klinken nicht mit, sondern das alles bereitzustellen ist Aufgabe der Kommunen.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist aber genau der Punkt: Das tun sie nicht! – Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))
Das ist für mich der wesentliche Fehler. Es ist die Aufgabe der Kommunen, einen barrierefreien Zugang zu den Kommunalparlamenten, zu Sitzungen, zu Ratssitzungen, zu ermöglichen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE) –Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) – Glockenzeichen des Präsidenten)
Dieser Grundsatz gilt: Für jede Mandatsträgerin und jeden -träger muss der Zugang zu Sitzungen, Ausschüssen usw. barrierefrei sein, und zwar nicht nur baulich, sondern für alle Einschränkungen, die die Mandatsträger eventuell haben.
(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
Sie haben sehr vage davon gesprochen, dass es immer Fälle gebe und dass es da Handlungsbedarf gebe. Wir haben nochmals recherchiert. Damals – und jetzt bekommen Sie meine Erklärung,
(Zurufe der Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE)! – Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Ohren spitzen –: im Jahr 2003 gab es wohl einen konkreten Fall, in Kassel. Deshalb kam auch diese Anregung aus Kassel, eine Änderung in der Kommunalverfassung vorzunehmen. Seitdem haben wir keinen weiteren Fall. Wir haben jetzt noch einmal recherchiert.
(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
– Ja, das ist schön, aber offensichtlich sind das Geheimfälle, die Sie da haben. Weder in der Ausschusssitzung noch hier im Plenum konnten Sie auch nur einen konkreten Fall nennen,
(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
der eine gesetzliche Regelung nötig machen müsste.
(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
So. Das ist die Situation, und das ist auch der Unterschied: Damals gab es einen Fall, und damals haben wir das eingebracht. Es wurde geprüft,
(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) – Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))
Jetzt müssen wir sagen, die Kommunalen Spitzenverbände sagen ganz klar, es ist nicht nötig. Wir schauen uns einmal die Praxis in den Kommunen an.
(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Dort wird der barrierefreie Zugang ermöglicht. Wenn Sie der Meinung sind, Sie müssten die konkreten Fälle, die Sie vielleicht haben – vielleicht auch nicht –, hier vorstellen, dann tun Sie das bitte.
(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) – Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))
Aber reden Sie nicht immer von vagen Dingen. Wir hatten Sie gebeten, das einmal konkret zu benennen, aber Sie haben uns weder Namen noch die Kommune noch sonst irgendetwas gesagt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU –Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
Sie sprachen von: Da sind Menschen, die müssen betteln und kämpfen. – Also bitte, in was für ein Licht stellen Sie denn da unsere Kommunen,
(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))
dass sie Menschen mit Behinderungen in eine solche Situation – –
(Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Vizepräsident Frank Lortz:

Einen Moment einmal. Kollegin Schott, ihr Lieben, etwas friedlicher. Es ist nach 18 Uhr. Da sind wir hier friedlich. – Frau Kollegin, Sie haben noch einen Moment.
(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Eva Goldbach:

Ich möchte noch einen Satz sagen. Wir alle hier in diesem Haus wollen, dass Menschen, die Einschränkungen oder Behinderungen haben, kommunale Mandate ausüben können. Das ist überhaupt keine Frage. Und unsere Kommunen sorgen dafür, dass diese Menschen das auch machen und können. Wir sehen keine Notwendigkeit für eine gesetzliche Regelung in der Kommunalverfassung.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.

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