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19.11.2009

Frank Kaufmann zur Wahrnehmung der Fürsorgepflicht gegenüber zwangspensionierten Steuerfahndern

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Finanzminister, irgendwann läuft das Fass über.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich will mich an Ihre Vorgabe halten und trotzdem ganz ruhig bleiben. Aber Sie wissen, seit Jahren thematisieren wir dieses Problem: Wie wird mit dem Personal in der Steuerverwaltung umgegangen? Was wir erleben, was wir heute wieder erlebt haben, ist ein Lehrstück an Ignoranz und Flucht vor der Verantwortung, insbesondere von Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Volker Hoff (CDU))

Der Kollege Milde nennt das Ganze eine Schmutzkampagne. Dabei müssen wir doch feststellen: Trotz immer wieder nachdrücklich vorgetragener geradezu Bitten an Sie, sich selbst um die Personalführung im Finanzamtsbereich der Finanzverwaltung verantwortlich zu kümmern – nichts als Ignoranz.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, das ist kein Problem von gestern oder vorgestern. Im Jahre 2006 haben wir den Endbericht des Untersuchungsausschusses besprochen. Ich darf zitieren. Damals hat mein Kollege Wagner das für uns vorgetragen:

Es gab massive Mängel in der Führung des Finanzamts Frankfurt V.

Das war der damalige Ort.

Das gehört schlicht und ergreifend zur Wahrheit. Der Herr Minister hat von diesen Missständen in der Steuerverwaltung gewusst … Der Minister hat gewusst, dass es eine Führungs-, Lenkungs- und Entscheidungsebene gab, die Entscheidungen getroffen hat, die für die Motivation der Mitarbeiter alles andere als förderlich waren. Der Herr Minister hat gewusst, wie in diesem Finanzamt mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgegangen wurde. Der Minister hat gewusst, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Vorwurf des Mobbing erhoben haben. Er hat in dieser Sache bis heute nicht gehandelt.

(Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

– Das war kein Minderheitenvotum, Herr Kollege Wintermeyer. Das war der Redevortrag meines Kollegen.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU)

Sie merken überhaupt nicht, dass die Mehrheit die Wahrheit immer noch nicht aus der Welt schaffen kann.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

Der Minister hat genau das auch gehört. Aber getan hat er nichts. Herr Kollege Wagner hat damals festgestellt: bis heute nicht. Wir müssen heute im November 2009 feststellen: immer noch nicht, obwohl es weitere Hinweise gab. Meine Damen und Herren, Finanzminister Weimar hat selbst schon auf seine Schreiben aus dem Frühsommer dieses Jahres Bezug genommen. Am 15. Juli dieses Jahres hat er einen Brief, auch wieder an uns, geschrieben. Ich darf einen Absatz zitieren.

Mit Blick auf die Feststellung des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales wird diesseitig

– also beim Finanzministerium –

davon ausgegangen, dass die Begutachtung der Beamten, auf die sich die vorgenannte Berichterstattung bezieht, einzig nach fachlichen Gesichtspunkten erfolgte.

Sehr verehrter Herr Finanzminister, nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie heute sagen: Diese Einschätzung ist offenkundig falsch.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Hören Sie bitte auf, herumzufilibustern, dass man noch das endgültige Urteil abwarten müsse und möglicherweise die Berufung.

(Fortgesetzte Zurufe des Abg. Volker Hoff (CDU))

Mit dem Richterspruch sind zumindest große Zweifel im Raum. Insoweit besteht seitens der Betroffenen nachweislich kein Vertrauen mehr in das Ergebnis. Da muss ein Dienstherr, der seine Pflichten ernst nimmt, sagen: Die Angelegenheit wird auf jeden Fall noch einmal gründlich und neutral überprüft.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Genau das fehlt, und genau das ist unser Vorwurf. Da hilft die ganze Nebelwerferei mit der Vergangenheit, und dass wir alles schon im Untersuchungsausschuss erörtert hätten und sonst wo, nichts. Ich rede bewusst nicht über die ganzen inhaltlichen Fragestellungen, das ist heute nicht Thema. Thema ist das wiederholte Fehlverhalten des Finanzministers, nämlich Hinweis nach Hinweis, dass etwas nicht in Ordnung ist, einfach zu ignorieren, die Verantwortung auf die Mitarbeiter abzuschieben,

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

und zu sagen: Wir haben alles richtig gemacht, denn wir haben die Mehrheit dafür.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wenn solche Zweifel bestehen, dann gibt es nach unserer Meinung aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nur eine Folgerung: Wir müssen die Sache untersuchen, und zwar mit Personen oder durch Instanzen, die von allen Seiten Vertrauen genießen. Dieser Gutachter, egal wie das Verfahren am Ende ausgeht, kann nicht mehr erwarten, dass er es bei den Betroffenen hat.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das steht bereits heute fest, und da brauchen Sie nicht ähnlich wie Herr Banzer zu sagen: Schauen wir einmal, was noch passiert. – Das ist Ihre Verantwortung, und wir klagen ein, dass Sie sich noch einmal hierher stellen und sagen: Selbstverständlich wird die Angelegenheit, und zwar von Anfang an, noch einmal konkret untersucht, damit die Bediensteten, denen möglicherweise Unrecht geschehen ist, auf jeden Fall korrekt behandelt werden.

Das verlangen wir, nicht mehr, aber auch nicht weniger. – Vielen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann.