Inhalt

17.06.2009

Frank Kaufmann zur Feststellung des Haushaltsplans

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Blum, wenn man Ihnen zuhört, können wir jetzt die Beratung beenden, gehen hinaus und nehmen das schöne Wetter,

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP) – Zurufe von der CDU)

weil der Finanzminister einen Brief schrieb, er wird alles richtig machen. Wir vertrauen ihm, einen Haushalt brauchen wir nicht. – Das war Ihre Argumentation.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Horst Klee (CDU) und Leif Blum (FDP))

Meine Damen und Herren, wir sehen das grundlegend anders. Fünf Tage sind es her, dass die Hessische Landesregierung im Bundesrat in Berlin einer Grundgesetzänderung zugestimmt hat, die es dem Land in spätestens zehn Jahren verbietet, Kredite für die Finanzierung des Landeshaushaltes aufzunehmen. Das war im Übrigen – das muss man sich vor Augen führen – die gleiche Landesregierung, die unter Verantwortung desselben Ministerpräsidenten in den vergangenen zehn Jahren deutlich mehr als Zehntausendmillionen Euro, also 10 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden gemacht hat. 10 Milliarden sind eine 1 mit 10 Nullen – nicht zu verwechseln mit der Landesregierung, da gibt es keine 1.

(Beifall und Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Heute nun will die Mehrheitskoalition, die Stütze dieser Regierung, wie wir gehört haben, den Haushalt nicht nur mit einer neuerlichen Rekordverschuldung verabschieden. Der bei der Vorlage des Entwurfs ausgewiesene Schuldenrekord waren Ihnen nicht mehr hoch genug, sodass dieser Rekord fast noch einmal um eine halbe Milliarde Euro überboten wird.

Der neue Rekord liegt rund eine ganze Milliarde Euro über dem letzten, der – Sie werden sich gut erinnern, mindestens die, die schon lange die Szene beobachten – auch damals von einer Koalition von CDU und FDP in Hessen verantwortet wurde. Immer wenn die FDP dabei ist, steigen die Schulden auf neue Rekordhöhen. Das ist der empirische Befund.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, darüber hinaus soll heute ein Finanzplan durchgewunken werden, der innerhalb seiner fünfjährigen Laufzeit noch einmal 8,6 Milliarden Euro zusätzliche Schulden beinhaltet.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, wie verschüttet muss eigentlich der Sinn für die Wirklichkeit in unserem Lande sein und wie verkommen der Wert der Ehrlichkeit in der Politik,

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

wenn man diesen Schuldentsunami beschließt und über das Land fegen lässt und gleichzeitig das neue Schuldenverbot, welches soeben beschlossen wurde, bejubelt. Ich sage Ihnen: Schizophrener geht es wirklich nicht mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ach ja, es soll ja nicht für die eigene Regierung, sondern für eine andere in Zukunft gelten. So kann man die Debatte über die viel zu hohen Schulden der öffentlichen Hände wunderbar als Camouflage, als trickreiche Tarnung der eigenen Missetaten benutzen. Herr Kollege Blum, mit der Beute unter dem Arm rufen Sie laut: Haltet den Dieb!

Deshalb sind inzwischen auch nicht wenige Kommentatoren der Auffassung, die Diskussion über die aktuelle Grundgesetzänderung und ebenso die angekündigte Änderung der Hessischen Verfassung diene keinem anderen Zweck, als die aktuell völlig außer Kontrolle geratene Verschuldungsorgie möglichst zu verschleiern.

Im Übrigen findet diese Einschätzung ihre Bestätigung in der Betrachtung der finanzwirtschaftlichen Aktivitäten der Vergangenheit und der für die nächsten Jahre geplanten, also der Blick in den Finanzplan. Zumindest, seit Karlheinz Weimar den Finanzplan „mein Märchenbuch“ nennt, waren im Finanzplan noch nie ernsthafte Bemühungen erkennbar, tatsächlich zu einer Konsolidierung der Staatsfinanzen zu kommen.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Es wurden keine Reduzierungen bei den Ausgaben vorgenommen,

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

obwohl das strukturelle Defizit seit vielen Jahren mindestens 1.500 Millionen Euro beträgt. Man hat es mit finanzwirtschaftlichen Einmaleffekten wie dem Verkauf von Immobilien überdeckt – dies gleich mehrfach: Gutleut, Leo I, II, III –, sodass das Vermögen des Landes nunmehr weitgehend verschleudert ist. Aber das strukturelle Defizit feiert fröhliche Urständ.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Letzte, der das versucht hat, war Herr Middelhoff mit Karstadt – das Ergebnis ist bekannt!)

Ich sagte es bereits bei der Einbringung des Haushalts: In diesem Jahr versinkt das strukturelle Defizit in den trüben Fluten des Schuldentsunami. Für die kommende Zeit wird die Lautstärke der Debatte über das verfassungsrechtliche Verbot der Neuverschuldung das so übertönen, dass niemand mehr davon redet.

Meine Damen und Herren, aber vergessen Sie bitte nicht: Es wird dann immer noch da sein. Es ist so lange da, bis endlich ernsthafte Bemühungen beginnen, das strukturelle Defizit durch die tatsächliche Verringerung der Ausgaben abzubauen und das zu tun, was man Konsolidierung nennt.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Meine Damen und Herren, wenn man aber wie die Mehrheitskoalition nicht einmal bereit ist, eine im Vergleich zum Volumen des Haushalts eher kleine Summe von 1,6 Millionen Euro – das ist die Gesamtsumme, die für die Anhebung des Deckels für die Destinatäre benötigt würde – an einer anderen Stelle im Haushalt einzusparen, sondern sie letztlich ebenfalls aus Krediten finanzieren will, wie es geschehen soll, dann ist das nun wirklich entlarvend für die Spendierhosenmentalität der Regierungskoalition.

Dieselben Leute, die das tun, erklären uns mit ernster Miene, im Interesse unserer Kinder sei das Verschuldungsverbot von überragender Bedeutung. – Meine Damen und Herren, wie viel Zynismus darf es denn noch sein?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Sie sollten das Thema Verschuldungsverbot am besten gar nicht mehr in den Mund nehmen, denn Ihre Handlungsweise zeigt es überdeutlich: Immer, wenn Sie es aussprechen, zeihen Sie sich selbst des Betrugs und der Lüge.

(Widerspruch des Abg. Clemens Reif (CDU))

Meine Damen und Herren, finanzwirtschaftlich ist der Haushaltsentwurf 2009 durch die Beratungen im Haushaltsausschuss nicht besser, sondern schlechter, deutlich prekärer, geworden. Es lohnt sich fast schon nicht, noch zu erwähnen, dass die Koalition selbstverständlich – der Kollege Blum hat es nochmals unterstrichen – alle Anträge der Opposition, insbesondere auch unsere Anträge, ohne vorgetragene sachliche Begründung abgelehnt hat. Wir haben heute wieder gehört: Sie haben halt andere Vorstellungen, und im Übrigen hätte sich der Haushaltssaldo deutlich verbessert – immerhin das haben Sie schon erkannt –, wenn man sie nicht abgelehnt hätte.

Meine Damen und Herren, als Opposition in diesem Hause ist man manches gewohnt. Dennoch ist in diesem Jahr die Rotationsgeschwindigkeit oder, wenn Sie so wollen, das Umfalltempo der Kollegen von der FDP sehr bemerkenswert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Fünf Jahre lang wurde das hohe Lied der Haushaltskonsolidierung gesungen – ab sofort sind wieder alle Ausgabenschleusen offen, Hauptsache, es dient der eigenen Klientel.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Bei ansonsten eher trostlosen Aussichten ist bei der FDP großer Jubel angesagt: Es gibt endlich wieder Pfründe. Wenn man das so beobachtet, dauert es wohl nicht mehr lange, bis nahezu jedes FDP-Mitglied einen gut dotierten Staatsjob – in der Regel zwecks Förderung der Integration – erhalten hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Leif Blum (FDP): Vorher sollten die GRÜNEN die Jobs bekommen!)

Meine Damen und Herren, FDP – Freude durch Pöstchen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

In diesem Zusammenhang möchte ich auf meine Anmerkung während der ersten Lesung zurückkommen: Wir können doch heute die damals angekündigte Nagelprobe für die FDP auswerten. Es hieß: Unser Wort gilt. Dazu wurden drei Versprechen propagiert.

Erstens: Verlässlichkeit – die Ausgaben richten sich nach den Einnahmen.

(Lachen des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zweitens: Nachhaltigkeit – die Nettoneuverschuldung wird gestoppt,

(Lachen der Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Norbert Schmitt (SPD))

und zwar möglichst ab dem Jahr 2011.

Drittens: Zielgenauigkeit – die Kernaufgaben des Landes werden definiert und eingegrenzt.

Meine Damen und Herren, diese Haushaltsberatungen beweisen eindeutig: In allen drei Punkten tut die FDP das genaue Gegenteil ihres Versprechens.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Fazit: Ihr Wort gilt nichts. Das von der FDP in Haushaltsangelegenheiten gegebene Wort ist so viel wert wie ein Lehman-Zertifikat – und ich kann nur raten: Finger davon.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Meine Damen und Herren, ich wende mich jetzt ein Stück weit den Inhalten der Politik zu. Die finden im Haushalt ihren Rahmen.

Aus GRÜNER Sicht lässt sich klar konstatieren: Dieser Haushalt stellt als quantitatives Regionsprogramm – und jetzt spreche ich die Mehrheit an – inhaltliche eine einzige Enttäuschung dar.

(Widerspruch des Abg. Clemens Reif (CDU))

Aus etlichen der vom Ministerpräsidenten wohltönend angekündigten Ziele konnte man noch die Erwartung ableiten

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

– gelegentlich glauben wir ihm sogar noch, dass er tatsächlich etwas vorhat –, dass wir mit Kurskorrekturen in Richtung auf mehr Nachhaltigkeit und mehr Gerechtigkeit tatsächlich rechnen könnten.

Das heute zu ziehende Fazit lautet: null. Dieser Wert ist eher noch geschmeichelt, denn vielfach geht es mit dieser Regierung nicht nur nicht vorwärts, sondern es geht immer öfter rückwärts. Die Parole lautet: Vergangenheit statt Zukunft.

Meine Damen und Herren, Hessen wird weiterhin kein Sozialbudget haben. Es hat ja noch nicht einmal mehr ein Sozialministerium. Den Eltern der Schulkinder wird weiterhin viel versprochen, im Alltag aber praktisch nichts eingelöst. Es werden keine wirksamen Schritte unternommen, damit Hessen endlich das Schlusslicht bei der Erzeugung regenerativer Energien abgeben kann. Nein, stattdessen wird der weltgrößte Kohlekraftwerksblock genehmigt, gleichzeitig aber die Windkraft mit gesteigertem Engagement massiv behindert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hessen im Jahr 2009: Die Politik dieser Regierung ist genauso trostlos wie die Gesichter der Amtsträger auf der Regierungsbank, wie wir sie schon seit etlichen Plenarsitzungen erleben.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Dr. Arnold, so, wie es an vielen Stellen bestenfalls trögen Stillstand statt gezielter Aktivitäten gibt, so sind es andere Bereiche – das will ich durchaus einräumen –, wo es der Regierung nicht schnell genug gehen kann, ihre Duftmarken zu setzen. Bedauerlicherweise sind diese Aktivitäten meist mit dem Ausbringen von Beton in der Landschaft verbunden,

(Widerspruch des Abg. Günter Schork (CDU))

sei es beim Ausbau diverser Flughäfen oder beim Straßenbau. Dass es viel sinnvollere, weil nachhaltigere Projekte gäbe, die einen höheren Mehrwert als Betonpisten in unser Land bringen, das entzieht sich leider der Vorstellungskraft dieser Regierungsmehrheit.

Meine Damen und Herren, Sie haben aber doch einen Rat für Nachhaltigkeit berufen. Dann fragen Sie ihn doch einmal – oder besser noch: Hören Sie einmal auf ihn.

Ich will jetzt auf unsere noch zu dieser dritten Lesung eingebrachten Änderungsanträge eingehen.

Der erste Antrag betrifft ein gewiss nicht ganz einfaches Thema. Ursprünglich ist das unter einem ganz anderen Gesichtspunkt eingeflossen: die Nachfolgenutzung der Gerichtsgebäude in der Wiesbadener Innenstadt.

Jetzt soll dort die private European Business School auf Kosten des Landes einen Standort für ein neues Ausbildungsangebot bekommen. Dafür werden durch einen Änderungsantrag, der von der Koalition in den Haushaltsausschuss eingebracht wurde, insgesamt rund 25 Millionen € eingesetzt.

Herr Dr. Arnold, die Genese dieses Antrags ist schon eine bemerkenswerte.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Am Anfang stand das Argument der Landesregierung – das ist schon ein Weilchen her –, es sei für das Land kostengünstiger, gemeinsam mit der Landeshauptstadt ein neues Gerichts- und Behördenzentrum an der Mainzer Straße zu etablieren, anstatt noch Geld in das alte Gemäuer zu investieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Das war die Aussage: kostengünstiger. Damals hätten es die Bediensteten der Justiz lieber anders gesehen und waren mit dem Standortquartier sehr einverstanden.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Das neue Justizzentrum soll jetzt gegen Jahresende bezogen werden, sodass sich die Frage der Nachnutzung für das bisherige Gerichtsareal stellt.

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Herr Kollege Kaufmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Arnold?

Frank-Peter Kaufmann:

Ich möchte meine Ausführungen gerne geschlossen vortragen. Herr Kollege, ich sage immer dasselbe: Sie haben den blauen Zettel vor sich und können eine Kurzintervention beantragen – dann erhalten Sie auch noch eine Antwort.

Meine Damen und Herren, plötzlich soll dieses Areal nun nicht mehr verkauft werden, und es sollen nicht gemäß der ursprünglichen Kalkulation Einnahmen für das Land generiert werden. Vielmehr soll das Gebäude zugunsten der Hochschule EBS saniert werden, damit diese dort einziehen kann.

Im Haushaltsentwurf war ursprünglich noch der Verkauf vorgesehen, nun ist er das nicht mehr. Stattdessen sollen erhebliche Mittel an die Hochschule fließen; und es gibt jetzt eine Absichtserklärung – neudeutsch: LOI, also Letter of Intent –, mit der vieles irgendwie angesprochen, aber eigentlich nichts abschließend geregelt wird. Herr Kollege Dr. Arnold, bis hin zu der Frage, wie denn eigentlich der Art. 61 der Verfassung des Landes Hessen hierauf zu beziehen ist. Klar ist jedenfalls, dass die öffentlichen Hochschulen diese dort versprochenen Summen sehr gut brauchen könnten, die das Land jetzt für die private Hochschule aufwenden will.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir GRÜNE halten diese überstürzte Festlegung einer solch beachtlichen Geldausgabe, wo vieles ungeklärt und unter dem Gerechtigkeitsaspekts zwischen den Hochschulen überhaupt nicht sinnvoll begründet ist, für nicht sinnvoll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben deshalb mit der Drucks. 18/800 beantragt, diesen Betrag wieder aus dem Haushalt zu streichen.

Meine Damen und Herren, unser zweiter Antrag, der gemeinsam mit der SPD eingereicht worden ist, weil uns die Sozialdemokraten freundlicherweise ihre Unterstützung gegeben haben, bezieht sich auf das Unternehmensstabilisierungsgesetz. Davon ist in den Wortbeiträgen schon mehrfach die Rede gewesen. Wir hatten uns im Konsens einen Rahmen für ein Verfahren gegeben, mit dem wir bei krisenbedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Unternehmen in gemeinsamer Verantwortung umgehen wollten.

Nun sind wir in der 18. Legislaturperiode. Dieses Verfahren war in der 17. Legislaturperiode kreiert worden. Und wir hatten einen Fall, dieser ist – das ist schon angesprochen worden –, wie ich meine, vorbildlich gelöst worden. Eigentlich spricht alles dafür, diese Regelung auch für die Zukunft beizubehalten, da sie sich doch außerordentlich bewährt hat. Alle Seiten haben bei der Entscheidungsfindung große Sorgfalt an den Tag gelegt, weil nämlich alle unabhängig von ihrer Regierungs- oder Oppositionsrolle in der Mitverantwortung waren. Und dies ist ganz ohne Zweifel der Qualität der Argumentation zugute gekommen.

Meine Damen und Herren, ursprünglich hatte die Regierungsmehrheit offensichtlich die Fortführung dieses Verfahrens zumindest in Erwägung gezogen. Ich erinnere an die Drucks. 18/738. Diese war ein Irrtum. Dann kam die Drucks. 18/738 (neu), die auch noch ein Verfahren im Ausschuss vorgesehen hat. Das alles soll jetzt nicht mehr gelten.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, wenn man die Argumente aller Seiten berücksichtigt, dann ließe sich nach wie vor ein Konsens finden. Unser Antrag Drucks. 18/799, der gemeinsame und schon angesprochene ist ein Kompromissversuch. Das ist ganz eindeutig. Wir haben uns bei der Betragshöhe deutlich entwickelt; und wir sagen: Ab dieser Höhe – erstens sind es dann sowieso nicht mehr viele Fälle; zweitens sind es dann Großbürgschaften, wo auch der Bund eine Rolle spielt, sodass von daher ohnehin eine andere Aufstellung notwendig wäre – kann es überhaupt nicht schaden, wenn Sie dort nach wie vor eine gemeinsame Verantwortung für richtig halten.

Verehrter Herr Kollege Blum, das Argument, dass wir dies in der Vergangenheit nie so gehabt hätten, ist richtig. Aber entschuldigen Sie bitte, ein Gesamtvolumen von 300 Millionen Euro als Bürgschaftsrahmen ist von anderer Qualität als ein Volumen von 3 Milliarden, um das es jetzt geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Es geht jetzt nur um die Großbürgschaften, die in der Vergangenheit so gut wie nicht vorgekommen sind.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Ich gehe einmal davon aus, dass insbesondere eine Großbürgschaft wohl kaum ohne Konsens in der Regierung zustande kommen könnte. Das heißt zugleich, dass es auch parlamentarisch bzw. mehrheitsmäßig kein Problem sein dürfte. Möglicherweise wollen Sie keine öffentliche Debatte führen, bei der Sie Ihre Argumente vortragen müssten. Aber das Argument, das ich auch gehört habe, die Regierung sei behindert, ist ganz offenkundiger Quatsch. Denn die Regierung stützt sich auf eine parlamentarische Mehrheit. Bedauerlicherweise, denn daher haben wir die langweiligen Verhältnisse, wo man immer auf den Autor des Antrags schaut und nicht mehr auf den Inhalt. Diese erleben wir gerade wieder.

Aber wenn eine solche Zustimmungspflicht taktisch wirkt, dann ist sie eher zugunsten der Verhandlungsposition der Regierung wirksam. Wir kennen alle Verhandlungen, bei denen man gelegentlich zu seinem Partner sagt: Ich muss das aber noch irgendwo durchbringen. Das wird als Argument dafür genutzt, dass man an einer bestimmten Schmerzgrenze nicht weitere Zugeständnisse machen kann. Das kennen Sie alle. Insoweit würde uns ein Zustimmungsverfahren insgesamt eher helfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber meine Damen und Herren, es stellt sich jetzt genau die Frage, ob jetzt – in den von Ihnen so gern genannten Zeiten wie diesen, da die Mehrheitsverhältnisse wieder unspannend sind – auch wieder der alte Machtreflex wirksam werden soll, nach dem Motto: Die Regierungsmehrheit ist sich selbst genug. Sie igelt sich ein und hat es nicht nötig, mit dem Landtag ernsthaft zu diskutieren. Oder ob die Krise weiterhin, und das wäre die Alternative, für die ich nach wie vor werbe, als ungewöhnliche Situation begriffen wird, in der jenseits der Regierungsmehrheiten eine gemeinsame Verantwortung der Demokraten gewollt und ermöglicht wird. Diese Frage entscheiden Sie heute. Wenn Sie sie positiv entscheiden wollen – für eine gemeinsame Verantwortung –, dann stimmen Sie für den Antrag Drucks. 18/799.

Meine Damen und Herren, wir GRÜNE hielten es für klug und schlagen mit unserem Antrag demgemäß vor – Sie haben ihn vor sich –, für Großbürgschaften und -garantien eine Einbindung des Haushaltsgesetzgebers vorzusehen. Weiter wollen wir für das sozusagen kleinere Bürgschaftsgeschäft eine regelmäßige quantitative Berichterstattung, sodass man angesichts des Gesamtvolumens regelmäßig, d. h. quartalsmäßig, weiß, wie sich das ungefähr entwickelt. Auch das, denke ich, kann nur nützlich sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch kurz ein anderes Thema ansprechen. Wir halten es für ausgesprochen unklug, den Kommunen in Hessen anzukündigen, dass man ihnen künftig im Kommunalen Finanzausgleich Mittel in Höhe von 400 Millionen Euro entziehen möchte, weil die Verteilung der verbleibenden Steuereinnahmen zwischen Land und Kommunen zunehmend zulasten des Landes gehe. Darüber kann man noch diskutieren, wobei die Form auch sehr unfreundlich war. Aber wenn man hier dann gleichzeitig eine Gesetzesänderung vorlegt, um den Kommunen über die gesetzlichen gültigen Bestimmungen hinaus zusätzliche Einnahmen zu verschaffen, dann verwirrt das nur. Dieses Hin und Her ist das Gegenteil einer kontinuierlichen Entwicklung und bringt die kommunale Familie erkennbar zunächst ins Torkeln, und dann bringt es Ärger, und den haben sie auf diese Weise auch verdient.

Zum Schluss meiner Ausführungen steht natürlich noch – wie in dritter Lesung immer – auch der Dank an die Arbeitsleistung und das Engagement der an der Aufstellung und Beratung des Haushalts Beteiligten. Dieser sei im Ministerium, insbesondere im Landtag – Stichwort: Budgetbüro und auch Stenografischer Dienst – und in den Fraktionen angesiedelt. Hier wurde Außerordentliches geleistet, da das Zahlenwerk in sehr kurzer Zeit beraten werden musste. Ich wünschte mir durchaus, dass man für die Durchdringung dieses Konvoluts mehr Zeit gehabt hätte, weil dann auch noch mehr Klarheit hätte geschaffen werden können und weil noch ein paar Fragen mehr hätten beantwortet werden können.

Ich möchte heute zum Haushalt des Jahres 09 abschließend feststellen, dass die GRÜNE-Fraktion, wenn es denn noch mal zur Abstimmung käme, ansonsten ist es eine inhaltliche Mitteilung, den Einzelplänen 1, 10 und 11 zustimmt und im Übrigen alle Einzelpläne sowie das Gesamtwerk mit Überzeugung ablehnt, weil wir unter vielen Aspekten die Politik dieser Landesregierung, die dort drinsteht, für unser Land für falsch und schädlich halten und weil sie vor allem nicht zu der dringend notwendigen nachhaltigen Entwicklung Hessens führt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann.