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18.02.2009

Frank Kaufmann zur Erleichterung der vorläufigen Haushaltsführung und zur Investitionssicherung

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Herren von der FDP,

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn)

der Kollege Finanzminister hat uns gerade dieses Gesetz als Vorschaltgesetz ein bisschen so dargestellt: Das ist nichts Besonderes; da müssen wir halt ein paar praktische Dinge zusammenfassen.

In Wahrheit zeigt ein genauerer Blick, dass es durchaus nicht unbrisant ist. So ganz unterschwellig kommt das zum Vorschein. Immerhin wird der Landesregierung eine Kreditermächtigung jetzt erst einmal mit rund 3,5 Milliarden Euro gegeben. Dass die Kassenkredite darauf angerechnet werden, ist klar. Meine Damen und Herren, zu sagen, das alleine sei nur eine Konditionsverbesserung voll im Sinne des Landes, ist vielleicht doch etwas zu gut dargestellt.

Herr Finanzminister, wir haben nämlich noch keine Information – dies sollte man schon wissen –, wie das Jahr 2008 am Ende ausgegangen ist, wie viel tatsächliche Schuldenaufnahme inklusive der Kassenkredite es denn gegeben hat und wo das Wasser an der Halshöhe des Landes steht. Das ist bei der Beurteilung des lockeren Dahingebens seitens des Haushaltsgesetzgebers – wir machen jetzt gerade einmal eine Kreditermächtigung, ohne zu wissen, was an Tilgungsleistung tatsächlich auf uns zukommt – schon einigermaßen gewagt.

Meine Damen und Herren, das macht für mich den zweiten Punkt aus, den ich unterstreichen möchte. Das Gesetz wäre in dieser Form unnötig, wenn Karlheinz Weimar im vergangenen Jahr die Arbeit nicht schlicht verweigert hätte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Er hat sich, obwohl der Landtag etwas anderes beschlossen hat, schlicht und einfach geweigert, nicht nur gesetzesgemäß, sondern überhaupt den Haushalt 2009 einzubringen. Deswegen haben wir keine präzise Arbeitsgrundlage.

Ich erinnere daran: Bereits am 5. Juni 2008 hat der Landtag entsprechend beschlossen. Es gab dazu diverse Anläufe, auch jede Menge öffentlich ausgetragenen Streit. Nur ist nichts geschehen. Ich denke, das muss man festhalten, wenn man heute ein sogenanntes Vorschaltgesetz noch als besonders eilig darstellt. Es ist letztendlich der Tatsache geschuldet, dass der Finanzminister in der letzten Legislaturperiode einfach seine Arbeit verweigert hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ein Drittes ist zu diesem Gesetzentwurf anzumerken. Dieses Gesetz soll nicht nur der Erleichterung der vorläufigen Haushaltsführung dienen, sondern es handelt sich um ein klassisches Reparaturgesetz. Das, was derzeit aufgrund der Versäumnisse des Finanzministers fehlt, soll auf die Schnelle repariert werden.

Beispielsweise haben wir gehört, dass die Ernennung der Beauftragten der Landesregierung – sprich der Staatssekretäre – nicht funktionieren kann, weil nicht genügend Stellen vorhanden sind. Darauf könnte man in zwei Richtungen eingehen. Erstens müsste man nicht so viele Staatssekretäre ernennen – das wäre vielleicht auch ein kluger Weg gewesen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)

Oder man muss jetzt auf die Schnelle die stellenmäßigen Voraussetzungen schaffen und stellt das Ganze als unbürokratischen Weg eines Vorschaltgesetzes dar.

Verehrter Herr Finanzminister, Sie haben es versucht. Wir haben es gemerkt. An dieser Stelle geht es im Wesentlichen um die Reparatur von Fehlern, die Sie in der vergangenen Legislaturperiode gemacht haben.

Meine Damen und Herren, deswegen nimmt es auch nicht Wunder, dass dieser Gesetzentwurf mit dem Konjunkturprogramm relativ wenig zu tun hat. Es geht um die Kredite, die ich schon erwähnt habe, und um die Annahme der EU-Mittel. Auch das wäre durch eine Vernünftige Haushaltsplanung erledigt gewesen. Auch die Bürgschaftsfrage würde sich anders darstellen. Im Weiteren geht es um Lehrstellen und um Altersteilzeit: alles Dinge, die nicht eines beschleunigten Gesetzgebungsprozesses bedurft hätten, wenn man sie denn im ordnungsgemäßen Verfahren anständig gelöst hätte.

Herr Finanzminister, deswegen ist das, was Sie heute hier vortragen, viel weniger eine Beigabe zum Konjunkturprogramm, aber viel mehr die Notwendigkeit, Fehler der Vergangenheit möglichst auszubügeln.

Meine Damen und Herren, da wird es dann doch etwas ärgerlich. Dieser Gesetzentwurf verstößt in einer Reihe von Punkten gegen als sicher geglaubte Haushaltsgrundsätze, beispielsweise gegen den Haushaltsgrundsatz der Spezialität.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

– Herr Kollege Milde, Ausgabenbeschreibungen müssen konkret sein. Wenn jetzt im Gesetzentwurf Ermächtigungen gegeben werden für – ich zitiere „notwendige neue Arbeitsverhältnisse“, für – das kommt beim Baumanagement und in der Straßenbauverwaltung zweimal vor – „Einstellungen ohne Planstellen zu ermöglichen“ sowie „notwendige Vorarbeitskosten“, dann ist das erkennbar der erste Schritt dazu, dass man sagt, die Landesregierung möge so viel Geld ausgeben, wie sie für nötig hält. Das ist die Verabschiedung des Haushaltsgesetzgebers aus seinen Pflichten. Das aber kann nicht wahr sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wir wollen uns nicht dem Vorwurf der Obstruktion aussetzen, und das ist auch nicht der Fall. Aber wir wollen wenigstens eine Begrenzung. Denn bei der Diskussion, was „unabdingbare Ausgaben“ oder „notwendige neue Arbeitsverhältnisse“ sind, da wissen Sie so gut wie ich, der ich Bürokratie kenne: Das wird beispielsweise eine Straßenbauverwaltung logischerweise ganz anders beurteilen als etwa Sie in Ihrer Fraktion.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Dazu soll von uns jetzt die Ermächtigung ohne eine Grenze gegeben werden. Das können wir nicht mitmachen. Hier gehört zumindest eine klare Begrenzung hinein. Das entspricht auch den notwendigen Haushaltsgrundsätzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

– Herr Dr. Arnold, Sie sind in diesem Bereich nicht völlig ohne Erfahrung: Ist Ihnen eigentlich klar, dass wir mit diesem Vorschaltgesetz auf einmal jahrelang für vernünftig gehaltene Ordnungsregeln im Haushaltsrecht jetzt als Schönwetterregeln betrachten und sagen, im Augenblick regnet es, da räumen wir jetzt alle beiseite und machen etwas anderes? Das genau tun Sie nämlich.

Ich sage: Haushaltsrecht darf nicht nach der politischen Wetterlage hin- und hergebogen werden, sondern Haushaltsrecht muss in guten wie in schlechten Zeiten vernünftig funktionieren.

Entweder müssen wir das Haushaltsrecht generell anders anpacken – wenn Sie der Meinung sind, das ist erforderlich. Dann aber bitte nicht im Schnellverfahren. Oder aber wir müssen auch unter schwierigen Bedingungen sagen: Das, was das Haushaltsrecht vorsieht, ist einzuhalten.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das ist doch ein Vorschaltgesetz!)

Gerade bei Haushaltsdingen ist nicht jede Flexibilisierung sinnvoll. Ich kann nur sagen, das ist wie bei Adam Riese: Da muss Genauigkeit vor Schnodderigkeit gehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, heute haben wir schon eine merkwürdige Vorstellung erlebt: Ein Finanzminister, der – häufig von allen kritisiert – im Prinzip die Aufgabe hat, sozusagen den Schatz des Landes, den Fiskus, zu hüten, stellt sich hierher und sagt, in einer Mischung aus Füllhornmentalität und Glücksrittertum ohne Zielgenauigkeit hinsichtlich der Wirksamkeit, Hauptsache, die Kommunen können schnell ausgeben.

Das kann nicht richtig sein – vor allem, wenn dann das Argument kommt: Wenn am Ende der Aufschwung schon da ist und wir noch auf unserem Geld sitzen. Dazu kann ich nur sagen: Das wäre nicht schlimm, das wäre optimal, wenn der Aufschwung von alleine käme. Wir alle befürchten nur, das wird nicht passieren. Deswegen sagen wir auch, wir müssen Mittel bereitstellen.

Dagegen hat auch niemand etwas. Aber das, was Sie hier mit dem Instrumentenkasten dieses Vorschaltgesetzes vorschlagen, ist eher ein Fehlbeschlussförderprogramm, als dass es zu vernünftigen Investitionen führen könnte.

Deshalb sagen wir: Wir brauchen eine sorgfältige Beratung. Wir wollen keine Verzögerung. Aber wir können uns die Hektik, die über alles hinweg geht – Hauptsache: Geld raus – nicht leisten. Das hilft nämlich niemandem. – Vielen Dank.