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16.09.2009

Frank Kaufmann zum Haushaltsplan 2010

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Herren von der FDP, ein bisschen kurz war das schon, was Herr Kollege Blum hier von sich gegeben hat. Wenn man sich die Inhaltsleere seiner Rede betrachtet, kann man sagen, das hat uns viel Zeit gespart. Herr Kollege, Sie hätten am besten gar nicht ans Pult kommen sollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Wenn man in diesen Tagen durch die Straßen geht, sieht man viele Plakate. Das ist kein Wunder. Schließlich haben wir Wahlkampf.

Man kann auf diesen Plakaten viel Schönes lesen. Das eine oder andere werde ich noch ansprechen.

Besonders bemerkenswert war für mich bislang der Slogan der CDU:

Wir haben die Kraft

Das „Wir“ wird durch den Hintergrund in Schwarz-Rot-Gold noch hervorgehoben.

Die Aussage: „Wir haben die Kraft“, hat mich nun doch etwas verwundert. Herr Kollege Milde, bisher dachte ich, dass die Christenmenschen, zumal die in der Union, die Kraft ebenso wie das Reich und die Herrlichkeit nicht für sich beanspruchen, sondern das gemäß Matthäus, Kapitel 6, eher Gott zuordnen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nun lese ich, dass die CDU die Kraft hat. Das wirkt doch ein bisschen blasphemisch.

Viel wichtiger ist aber die Frage: Was macht die CDU eigentlich mit der für sich reklamierten Kraft? Es wurde nämlich auf den Plakaten nicht dargelegt, was für eine Kraft das sein soll und wozu diese Kraft benutzt werden könnte. Da neben der Behauptung: „Wir haben die Kraft“ Frau Merkel von den Plakaten herablächelt, habe ich natürlich sofort gedacht, Frau Merkel ist Physikerin, deshalb kann es sich nur um eine physikalische Aussage handeln.

Als ehemaliger Physiker fühlte ich mich bei dem Begriff Kraft sofort angesprochen. Wie Sie wissen, gilt hier der Bezug:

Kraft = Masse x Beschleunigung

Angesichts der Haushaltsdebatte, die wir gerade führen, kann es sich allerdings bei der hier angesprochenen Kraft nur um diejenige physikalische Größe handeln, die alles verschwinden lässt und aus deren Fängen es kein Entrinnen gibt. Die aus der Allgemeinen Relativitätstheorie bekannte Singularität der Gravitation ist die Ursache für das Entstehen der berühmt-berüchtigten schwarzen Löcher.

(Beifall und Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Schwarze Löcher, in denen nach den Gesetzen der Astrophysik alles verschwindet, nicht nur Materie – Geld sowieso –, sondern sogar auch das Licht, weswegen die Löcher ja auch schwarz wahrgenommen werden.

(Beifall und Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, bei der Haushaltseinbringung im April dieses Jahres sprach ich noch von einem Schuldentsunami, der alles überschwemmt. Fünf Monate später reichen irdische Dimensionen bei Weitem nicht mehr aus, um die weimarsche Schuldenpolitik zutreffend zu beschreiben. Sie hat in der Tat galaktische Ausmaße angenommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben es also in Hessen mit einem schwarzen Loch besonderen Ausmaßes zu tun – dieser weimarsche Haushalt, in dem Jahr für Jahr immer größere Mengen gepumpten Geldes verschwinden, ohne dass es eine Wiederkehr gäbe oder irgendetwas vielleicht davon zu sehen wäre.

Meine Damen und Herren, wir haben es bereits gehört: Für 2010 rechnet der Finanzminister im Augenblick mit 3,375 Milliarden Euro neuen Schulden, also mit nochmals rund 470 Millionen Euro mehr an Krediten, als wir im Juni – das ist noch nicht so lange her – hier in diesem Saal für das laufende Jahr bereits beschlossen haben, nicht wir alle, aber die schwarz-gelbe Mehrheit.

Meine Damen und Herren, die Geschwindigkeit, mit der der Fiskus im schwarzen Loch verschwindet, nimmt – damit sind wir wieder bei der einsteinschen Theorie – expotenziell zu. Das bedeutet für die gerade laufende fünfjährige Legislaturperiode von 2009 bis 2019 einen zusätzlichen Schuldenberg von insgesamt 13.843 Millionen Euro also 13,8 Milliarden Euro. Und dabei sind die Kosmetika der Finanzplanung mit mindestens zusätzlichen 900 Millionen Euro an globalen Mehreinnahmen und Minderausgaben noch nicht eingerechnet.

Obwohl Finanzminister Weimar beim letzten Mal, nämlich beim Haushalt 2009, diese Zahlen gar nicht darstellen konnte und sie am Ende der Schuldensumme noch zurechnen musste, da er – Sie erinnern sich – bei der Finalisierung seines Haushaltsplanes dann doch keine zusätzlichen Einnahmen entdecken konnte, haben dennoch diese Fantasiezahlen trotz der schlechten Erfahrung erneut Eingang in das Rechenwerk des Finanzplanes gefunden.

Meine Damen und Herren, in den Jahren 1999 bis 2014, also innerhalb von 15 Jahren, in denen nach Lage der Dinge Karlheinz Weimar hessischer Finanzminister gewesen sein wird, wird sich der Schuldenberg des Landes Hessen mehr als verdoppelt haben. Das ist eine Vervierfachung der Verschuldungsgeschwindigkeit gegenüber früheren Zeiten, die auch nicht immer rosig waren.

Sie erinnern sich. Da gab es einmal einen Bundesfinanzminister. Der wollte in seiner Haushaltsnot nicht nur die deutschen Goldvorräte, sondern auch gleich noch die nationale Erbsenreserve verkaufen. So hoch stand ihm das Wasser.

Zuzeiten der letzten rot-grünen Landesregierung – das ist schon viel zu lange her –, die die heutigen Regierungsparteien aber immer so schwer gescholten haben, dass sie nicht mit Geld umgehen könnte, betrug das jemals erreichte größte jährliche Defizit rund 1 Milliarde Euro.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Das sind weniger als zwei Fünftel des Durchschnitts der Neuverschuldung – wohlgemerkt: des Durchschnitts der Neuverschuldung – Ihrer Finanzplanung für diese Legislaturperiode, denn dieser Wert beträgt bei Ihnen mehr als 2,75 Milliarden Euro.

Meine Damen und Herren, was Sie auf diese Weise die hessischen Steuerzahlerinnen und den hessischen Steuerzahlern für die Zukunft zumuten, spottet in der Tat jeder Beschreibung. Ob der Dreistigkeit und Nonchalance, mit der Sie dieses vortragen, kann es einem fast die Sprache verschlagen. Auf jeden Fall fehlen parlamentarisch zulässige Formulierungen, um diese Politik des Größenwahns adäquat zu charakterisieren.

Herr Finanzminister, es stimmt eben überhaupt nicht, dass diese Ihre Politik der völligen verantwortungslosen Schuldenorgie ohne Alternative wäre. Sie ist vielmehr die Folge von Fehlern und Versäumnissen aufgrund jahrelang geübter Spendierhosenmentalität.

Gerade in Zeiten des billigen Geldes ist schon wegen des wachsenden Zinsrisikos eigentlich besondere Zurückhaltung beim Konsum auf Pump zu üben. Doch Koch und Weimar taten das genaue Gegenteil. Ihnen war völlig egal, dass sie mit leeren Taschen dastehen würden, wenn die nächste Rezession käme.

Wahrscheinlich rechneten sie gar nicht damit, dass sie dann immer noch regieren würden. So haben Sie uns fiskalpolitisch in das Schlamassel geführt,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und jetzt wissen Sie keinen Weg mehr daraus, und der Kollege Blum versucht verzweifelt, davon abzulenken, indem er Alternativen bei der Opposition einfordert. Ich komme noch dazu.

Meine Damen und Herren, es muss offensichtlich immer wieder daran erinnert werden, dass die Regierung Koch/Weimar gleich am Beginn ihrer Regierungszeit durch einen rückwirkenden Nachtragshaushalt für das Jahr 1998 den Konsolidierungskurs der Vorgängerregierung verlassen und kräftig die Ausgaben und damit die Verschuldung gesteigert hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Auf diese Weise längs dieses Kurses wurde selbst in Jahren, in denen die Steuereinnahmen des Landes zweistellige Steigerungsraten aufwiesen, also mehr als 10 Prozent im Jahresvergleich höher lagen, trotzdem wachsende Schuldenberge aufgehäuft. Von antizyklischem Verhalten war dabei überhaupt keine Rede.

Herr Finanzminister, deshalb ist auch Ihre Argumentation in der Krise so wenig glaubwürdig. Wie bereits im April festgestellt, brauchen Sie nämlich viel mehr die Krise als Schutzbehauptung für Ihre Schuldenmacherei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, anschaulich zeigt diese Grafik die traurige Entwicklung.

(Redner hält eine Grafik hoch. – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

– Ich gebe zu, Schulden in roten Zahlen sind ein bisschen unfair, weil die Roten diese Schulden nicht verursacht haben. In der korrekten Darstellung würde die Grafik so aussehen.

(Redner hält eine neue Grafik hoch. – Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie zeigt Ihnen insbesondere die verheerende Wirkung der Regierungsbeteiligung der FDP – ein empirischer Befund, der schon einmal in die sonstige Warnzeichensymbolik gefunden hat. Sie kennen dieses hier.

(Redner hält eine weitere Grafik hoch.)

Radioaktivität oder auch Biogefahr. Oder allseits bekannt ist natürlich dieses hier.

(Redner hält noch eine neue Grafik hoch.)

Der Totenkopf weist darauf hin, es geht um Geld.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

Meine Damen und Herren, schwarz-gelb signalisieret nicht „anfassen!“, erst recht nicht „ankreuzen!“, sondern „rasch das Weite suchen!“, damit kein weiterer Schaden entsteht.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Kaufmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Dr. Arnold?

Frank-Peter Kaufmann:

Herr Präsident, ich denke, der verehrte Herr Kollege Arnold kann sich eines blauen Zettels und einer Kurzintervention bedienen, wenn er wirklich etwas fragen möchte. Ich möchte meine Gedanken weiter vortragen dürfen.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP) und Günter Rudolph (SPD))

– Herr Blum, ich komme zu einem Gedanken von Ihnen. Ich zitiere: „Vor allem in der Haushalts- und Finanzpolitik zeigt sich, wie wir unsere politische Verantwortung gegenüber künftigen Generationen wahrnehmen.“ So lautet der erste Satz des Kapitels Haushalt und Finanzen der Koalitionsvereinbarung dieser Regierung.

Der Satz stimmt irgendwie, auch wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, sich das bestimmt so nicht gedacht haben. Einem solchen Test hätten Sie sich nicht so gerne unterworfen. Da die Koalitionsvereinbarung aber im Januar dieses Jahres abgeschlossen wurde, komme jetzt bitte keiner und sage, man habe damals die Krise noch nicht kennen können. Der befürchtete konjunkturelle Einbruch und auch das landeseigene Konjunkturprogramm waren längst in der Debatte.

(Beifall bei der SPD)

Letzteres war bereits vor der Wahl vom Ministerpräsidenten wahlwirksam propagiert worden.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Die Botschaft dieser Regierung im Sinne dieser Verantwortung an die künftigen Generationen ist also schamlose Ausplünderung und Vernichtung ihrer Zukunftschancen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Völlige Verantwortungslosigkeit markiert die schwarz-gelbe Ethik in der Finanzpolitik. Meine Damen und Herren, genau so nehmen Sie Ihre Verantwortung gegenüber künftigen Generationen wahr. Bei diesem Test sind Sie wahrlich mit Pauken und Trompeten durchgefallen.

Weiter steht übrigens in diesem famosen Koalitionspapier: „Wir halten am Ziel der Beendigung der Nettoneuverschuldung fest …“ mit neuen Schulden von rund 14 Milliarden Euro in einer Legislaturperiode. – Die zweite Hälfte des Satzes steht nicht mehr in der Koalitionsvereinbarung. Die steht jetzt im Finanzplan dieses Finanzministers.

Meine Damen und Herren, angesichts dieser Daten aus dem Finanzplan, die ich Ihnen eingangs vortragen musste, ist das schlicht und einfach der blanke Hohn.

Die Regierung hält sich überhaupt nicht an die eigene Vereinbarung, an das Wahlversprechen erst recht nicht. Insoweit lautet es auch korrekt: Unser Wort gilt nichts.

Von der in derselben Koalitionsvereinbarung angekündigten Aufnahme des Verschuldungsverbots in die Hessische Verfassung ist aktuell keine Rede mehr. Auch hier wird der Text des Koalitionsvertrags offensichtlich als dummes Geschwätz längst zur Makulatur.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Der Finanzminister glaubt ebenso wenig noch daran, wenn er als letzten Satz seiner Presseerklärung anlässlich der Präsentation des Haushaltsentwurfs jammert:

Nur, wenn wir den eigenen eingeschlagenen Sparkurs sukzessive verschärfen, und wenn die Steuereinnahmen wieder steigen, wird es uns gelingen, das angepeilte Ziel eines schuldenfreien Landeshaushalts zu erreichen.

Meine Damen und Herren, das ist nichts anderes als die Kapitulation des Finanzministers vor den von ihm selbst geschaffenen Problemen – oder in anderer Weise physikalisch ausgedrückt: Das schwarze Loch ist unerbittlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Die Versuche, die jetzt gemacht werden, alles auf die notwendige Ankurbelung der Konjunktur zu schieben, gehen natürlich am Kern des Problems völlig vorbei.

In allen meinen Haushaltsreden der letzten Jahre – deswegen glaubt der Kollege Blum ja auch, er könne sie schon antizipieren – habe ich immer wieder auf das strukturelle Defizit des Haushalts hingewiesen. Man mag über dessen genaue Höhe streiten, aber auf jeden Fall ist es unstrittigerweise auf deutlich mehr als 1 Milliarde Euro zu beziffern.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Und natürlich begegnet es uns auch in diesem Haushaltsentwurf wieder. Wenn wir Weimars Aussage glauben wollen, dann kostet ihn die Krise, großzügig gerechnet, 2,2 Milliarden Euro. Wenn jetzt aber bei einer Investitionssumme von rund 1,6 Milliarden Euro zusätzlich 1,8 Milliarden Euro für konsumtive Aufgaben, in der Gesamtsumme also 3,4 Milliarden Euro, an Krediten aufgenommen werden, dann grüßt aus diesen Zahlen täglich – nicht das Murmeltier, sondern immer wieder das allgegenwärtige und natürlich noch immer bestehende strukturelle Defizit des hessischen Landeshaushalts.

Herr Weimar, Sie bekommen es nicht in den Griff. Nachdem die Vermögenswerte verkauft, die Rücklagen aufgelöst sind, feiert das strukturelle Defizit immer noch fröhliche Urständ.

(Zuruf des Abg. Frank Sürmann (FDP))

Meine Damen und Herren, bei der letzten Haushaltsrede habe ich Ihnen bereits viel über den weimarschen Missbrauch des Wortes „Konsolidierung“ erzählt und nachgewiesen, gestützt auf den ehemaligen Kollegen von Hunnius, dass bislang in der weimarschen Finanzwirtschaft noch keinerlei ernsthafte Konsolidierungsbemühungen stattgefunden haben. Das hindert unseren Finanzminister natürlich noch lange nicht, erneut zu behaupten, mit dem Haushalt 2010 werde ein „Weg der Konsolidierung“ eingeschlagen.

Verehrter Herr Weimar, Sie zeigen sich wirklich ein bisschen zu renitent – ich würde fast sagen: auch zu ignorant. Deshalb nochmals zum Mitschreiben für alle:

(Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

Konsolidierung ist es nur, wenn die Ausgaben weniger werden und man nicht mehr Geld pumpt als im Vorjahr.

Diese durchaus einfachen Kriterien werden von dem Haushaltsentwurf 2010 in keiner Weise erfüllt. Also ist er auch kein Konsolidierungshaushalt, sondern klar ein Verschuldenshaushalt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ständig im Widerspruch zu den Fakten – da hilft auch der Regierung ein gebetsmühlenartiges Wiederholen des Begriffs „Konsolidierung“ im falschen Zusammenhang nichts. Das ruiniert nur das Image.

Soweit davon nur die schwarz-gelbe Regierung betroffen ist, könnte es uns GRÜNEN ja noch recht sein und durchaus gefallen. Das Bedauerliche ist aber, dass dadurch die Politik insgesamt in Verruf gerät und auch das Bild des einstmals geachteten und als Vorbild bewunderten Landes Hessen immer mehr verschandelt wird.

Herr Finanzminister, von diesem Schaden können sie auch nicht dadurch ablenken, dass Sie immer andere für Ihre Fehler verantwortlich machen.

Meine Damen und Herren, wenn wir jetzt bei der Frage von Wirkung und Verlässlichkeit von Politik, insbesondere der Finanzpolitik, sind, dann muss man sich unbedingt die aktuellen Debatten anschauen, die jetzt im Wahlkampf stattfinden.

Ich sagte es bereits: Der Wahlkampf ist in vollem Gange. Es ist die Zeit, in der das sogenannte bürgerliche politische Lager, also das schon vorgeführte gefährliche Schwarz-Gelb, die Wählerinnen und Wähler besonders dreist für dumm verkaufen will.

(Lachen der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir strudeln im Bund und im Land in das schwarze Schuldenloch – und zugleich überbieten sich diese Parteien in Versprechen auf Steuersenkungen. Obwohl die staatlichen Einnahmen bei Weitem nicht ausreichen, um die Aufgaben zu bestreiten, sollen nach dem Willen von CDU und FDP diese Einnahmen vorsätzlich und mutwillig deutlich verringert werden.

Wenn man das ernst nähme, dann hätten wir es mit einer Ankündigung der Plünderung des Staates und damit des Vermögens der gesamten Gesellschaft zu tun, einer Plünderung zugunsten bestimmter Klientelgruppen, die an einem armen und überschuldeten Staat interessiert sind.

Meine Damen und Herren, oder aber wir nehmen das nicht ernst. Dann ist es ein wiederholter Beweis dafür, dass das Versprechen, das man lesen kann – „Unser Wort gilt“ – glatt gelogen ist. Hier müsste es richtig heißen: Unser Wort gilt nichts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Schauen wir also konkret die steuerpolitischen Verheißungen der Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer – in einer finanzpolitischen Debatte gehören sie allemal dazu – doch einmal genauer an.

CDU und CSU wollen den Eingangssteuersatz um weitere zwei Prozentpunkte auf 12 Prozent absenken, den Tarifverlauf abflachen und den Spitzensteuersatz auf 42 Prozent zurückführen. Alles in allem kostet dies nach Aussage des Bundesministers der Finanzen gut 50 Milliarden Euro im Jahr. Über den Daumen gepeilt wären das 1,6 Milliarden Euro Einnahmeverlust für das Land, für den Landeshaushalt, und zusätzlich nochmals 400 Millionen Euro weniger im Kommunalen Finanzausgleich für die hessischen Städte und Kreise.

Da von der CDU keinerlei Angaben zur Gegenfinanzierung gemacht werden, muss man derzeit von diesen Zahlen ausgehen.

Meine Damen und Herren, noch toller – wer hätte es anders erwartet? – treibt es die FDP mit ihren Ankündigungen. Hier soll der Eingangssteuersatz auf 10 Prozent, also doppelt so stark wie bei der CDU, abgesenkt werden. Dann folgt aber keine lineare Progression, sondern es folgen eine zweite Stufe mit 25 Prozent und eine dritte Stufe mit 35 Prozent – in der Spitze also eine Senkung des Steuersatzes um zehn Prozentpunkte gegenüber dem Istzustand.

Bereits das ist natürlich typisch FDP: dass die großen Einkommen zweieinhalbmal so stark entlastet werden wie die kleinen. Aber das ist noch lange nicht alles.

Die Abschaffung der Gewerbesteuer, die Senkung der Körperschaftssteuer und ein Wettlauf zwischen den Bundesländern um die geringste Erbschaftssteuer – das sind weitere Schmankerln im Wahlangebot der FDP für ihre besser verdienende Klientel.

Nach Feststellungen des Bundesministeriums der Finanzen summieren sich die Versprechen der Blau-Gelben auf jeden Fall auf rund 100 Milliarden Euro im Jahr staatliche Einnahmeverluste. Das würde nicht nur zum Bankrott selbst der wohlhabenden Kommunen führen, sondern schlüge beim Land Hessen nochmals mit rund 3 Milliarden Euro und im Kommunalen Finanzausgleich mit noch einmal knapp 1 Milliarde Euro zu Buche.

Auch bei der FDP gibt es keinerlei Aussagen zur Gegenfinanzierung, außer dem Versprechen – man höre und staune –, dass die sinkenden Steuern zu höheren staatlichen Einnahmen führten.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, eine durchaus merkwürdige Aussage – zumal von einer Partei, bei der Steuerhinterziehung nicht als unehrenhaft gilt.

(Lachen und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der FDP)

Deshalb ist es der FDP wohl auch egal, dass ihre steuerpolitische Bilanz der letzten Jahre ein einziges Fiasko ist.

Gemäß dem Motto „Unser Wort gilt nichts“ müssen wir uns aber darauf zum Glück nicht ernsthaft einstellen. Denn traditionell besteht bei der FDP die allergrößte Differenz zwischen Versprechen und Wirklichkeit, und zwar ganz besonders bei den Steuern. Von sechs Erhöhungen der Mehrwertsteuer in den letzten 40 Jahren war die FDP fünfmal mit dafür verantwortlich und hat den Steuererhöhungen zugestimmt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nur die letzte

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Erhöhung war Anlass für sie, mit Nein zu stimmen. Beobachter vermuten, dass es der FDP dabei weniger um die Steuerhöhe als um Ministersessel ging. Man weiß es nicht so genau, man munkelt aber.

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Besonders klar und eindeutig ist die Unwirksamkeit der Steuersenkungsattitüde der FDP bei der Einkommenssteuer. Seit die FDP die Steuerpolitik nicht mehr mitentscheidet, wurde der Eingangssteuersatz von Rot-Grün von 22,9 auf 15 Prozentpunkte gesenkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dieser Steuersatz ist also um ein Drittel, rund 30 Prozent, geringer als zu den Zeiten, als ihn die FDP mitverantwortet hat.

Jetzt schauen wir uns noch einmal den Spitzensteuersatz an.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zwischen 1998 und heute wurde er um 20 Prozent gesenkt – für die höheren Einkommen also weniger stark als für die niedrigeren. Die FDP verspricht dagegen für Reiche stärkere Steuerreduzierungen als für die kleinen Einkommen.

Das passt hervorragend zu ihr. Es geht ihr ja um die Besserverdienenden. Meine Herren von der FDP, die Besserverdienenden werden aber enttäuscht sein; denn von Ihren Versprechen haben Sie bisher noch nichts realisiert. Das sagt uns auch die langjährige Erfahrung gemäß dem Motto: „Ihr Wort gilt nichts“.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, die steuerpolitischen Vorstellungen der Parteien im Bundestagswahlkampf haben natürlich viel mit dem Landeshaushalt zu tun. Am Ende wirkt sich alles, was in Berlin beschlossen wird, massiv auf unsere Einnahmen aus. Weil die CDU nicht genauso wie die FDP schon vor dem Wahltermin durch ihre eigene Widersprüchlichkeit zerquetscht werden will, hat der Finanzminister instinktiv darauf verzichtet, bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfes allzu viel vom Verschuldungsverbot zu reden.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Herr Finanzminister, denn in der Tat, sehr wohlwollend betrachtet, machten Sie sich angesichts der dramatischen Entwicklung der Neuverschuldung mit einem Verschuldungsverbot eher lächerlich. Nüchtern und sachbezogen betrachtet muss man zu dem Ergebnis kommen, dass mit der bisher betriebenen Finanzpolitik à la Weimar eine Beendigung der jährlichen Neuverschuldungen nicht erreichbar ist. Ein völlig anderer, nämlich ehrlicher Konsolidierungskurs wäre hierfür notwendig. Doch den haben Sie noch nie eingeschlagen, weshalb Ihnen auch niemand mehr abnimmt, dass Sie den Haushalt des Landes wirklich konsolidieren wollen – vielleicht auch gar nicht können, damit Sie weiterhin vom Ministerpräsidenten „ein prima Finanzminister“ genannt werden.

Um kurz vor der Wahl aber niemandem gegenüber ungerecht zu sein, will ich in der gebotenen Zusammenfassung auch auf die Wahlaussagen der linken Seite zur Finanzpolitik eingehen. Die SPD will laut ihrer Wahlaussage im klassischen Stil des Wohlfahrtsstaates eine Nichtbelästigungsprämie für die Steuerverwaltung an die Steuerpflichtigen auszahlen, wobei die Beantragung und Prüfung der Voraussetzungen der Prämienzahlung die bisherige Steuererklärung und ihre Bearbeitung ersetzt. Weiterhin soll der Steuertarif steiler werden und von 10 bis 47 Prozent reichen.

Unter dem Strich sind aus diesen Vorstellungen zumindest keine neuen gravierenden Einnahmeverluste für den Landeshaushalt zu errechnen, allerdings auch keine Entlastungen für die Steuerverwaltung.

Auch nach den Aussagen der LINKEN ist von Einnahmeeinbrüchen des Fiskus nicht auszugehen. Hier verwirrt eher das plakative Erscheinungsbild, woraus ich entnehme, dass es dieser Partei ein Anliegen ist, alle zu besteuern. Das wurde schon erwähnt. Ich will es Ihnen noch einmal zeigen.

(Der Redner hält ein Wahlplakat der LINKEN in die Höhe.)

Unter dem Portrait von Gregor Gysi lese ich: „Reichtum für alle“ und denke dabei fälschlicherweise an die CDU und Ludwig Erhards Buchtitel: „Wohlstand für alle“, den die LINKE logischerweise toppen will, indem sie aus Wohlstand Reichtum macht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am nächsten Laternenpfahl bin ich dann allerdings erschrocken, als ich die dortige Forderung der LINKEN gelesen habe.

(Der Redner hält ein anderes Wahlplakat der LINKEN in die Höhe.)

Sie lautet: „Reichtum besteuern“.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Lieber Willi, Leuten, die mir gleich wieder wegnehmen wollen, was sie mir eben gerade zu schenken versprochen haben, denen vertraue ich nicht,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

denen vertraue ich erst recht meine Stimme nicht an.

(Zurufe der Abg. Dr. Walter Arnold (CDU), Willi van Ooyen und Janine Wissler (DIE LINKE))

Also bleibt nicht nur für mich, sondern eigentlich für alle übrig: Grün ist die Hoffnung, wie schon der Volksmund sagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, grün gibt natürlich auch das Stichwort, unter dem man die Inhalte dieses Haushaltsentwurfs betrachten sollte. Die Frage lautet: Was ist am Haushalt 2010 frisch und neu, duftig und gesund, also grün? Die Antwort ist ebenso einfach wie deprimierend: nichts. Das ist noch nicht einmal ausschließlich mein persönliches Urteil.

Der Finanzminister höchstselbst sieht es offenkundig genauso. Noch nie, seit Weimar im Finanzministerium sitzt, war eine Präsentation seines Haushaltsentwurfs derart trostlos, grau und düster wie die diesjährige. Man weiß jetzt nur nicht, ob dem neuen Pressesprecher die blumige Fantasie fehlt, das Zahlenwerk aufzuhübschen, oder ob er einfach zu ehrlich ist. Jedenfalls sind genau sechs Zeilen in der Presseerklärung zu den politischen Inhalten gewiss zu wenig als politisches Programm einer Landesregierung für ein ganzes Jahr. Da Weimar zu den Inhalten auch heute nichts Neues vorgetragen hat, können wir dies getrost auch als sein eigenes Urteil betrachten. Die Regierung hat keine neuen Ideen mehr und erkennbar auch keine Lust mehr zu regieren, was so kurz, nämlich nur neun Monate nach der Wahl, eigentlich verwunderlich ist, Herr Kollege Arnold. Vielleicht ist es das aber doch wieder nicht, wenn man sich die Handelnden so anschaut. Ich zumindest für meine Person wollte mit dem Hahn auch nicht regieren müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine Damen und Herren, bereits im April musste ich zum Haushaltsentwurf 2009 feststellen, dass er in allen Einzelplänen genau das widerspiegelt, was schon aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten gut zwei Monate zuvor heraustropfte: Unambitioniertheit, überall trostlose Langeweile und ein gerüttelt Maß an Hilflosigkeit. Nicht eine einzige Innovation steckt in diesen Tausenden von Seiten Haushaltsplan.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Alles ist maximal die Fortsetzung dessen, was längst eingetütet wurde. Maximal deshalb, weil manche Ansätze, die mit großem Pomp jüngst, d. h. beim Haushalt 2009 – das ist noch nicht so lange her –, werbewirksam angekündigt wurden, wofür sich die Regierung hat feiern lassen, schon jetzt wieder gestreckt und teilweise eingesammelt werden. Beispiele sind die Förderung der Biorohstoffe oder auch der Verbraucherschutz. Teilweise wird aber auch versucht, die inhaltliche Leere durch die abermalige Neudefinition der Produkte zu kaschieren, damit man sie nicht mit den früheren Plänen vergleichen kann. Herr Kollege Arnold, doch dies reicht wahrlich nicht aus, um als kreativ zu gelten.

Auch das so hoch gelobte Konjunkturprogramm von Bund und Land erweist sich keineswegs als Ausgeburt der Kreativität.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

So ist es kein Wunder, dass das DIW die Inhalte eher kritisch bewertete. Die kürzlich präsentierte DIW econ-Studie sieht als zentrales Ergebnis, dass „von 70 Prozent der insgesamt betrachteten Ausgaben keine nachhaltigen langfristigen Wachstumsimpulse für die deutsche Volkswirtschaft ausgehen werden.“

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

“Vielmehr sollen diese Mittel für den Erhalt des Status Quo investiert werden. Statt beispielsweise“ – so sagt das DIW – „die Qualität der Bildung durch Investitionen in Computer, Labore etc. zu erhöhen, soll … überwiegend in die Erhaltung des bröckelnden Gebäudebestandes investiert werden.“ Deshalb kommt es auch zu der Kurzformel: Gips statt Grips. – Das ist eine leider zutreffende Beschreibung für unsere Regierung – sicherlich soweit es ihr Konjunkturprogramm angeht, womöglich auch, was ihre Köpfe angeht.

Im bundesweiten Vergleich schneidet Hessen eher kläglich ab. Mit einem Anteil von 31 Prozent Zukunftsinvestitionen liegt Hessen im Vergleich der Bundesländer auf Platz zwölf und damit im letzten Drittel der Rangfolge.

(Zuruf des Ministesr Karlheinz Weimar)

– Schauen Sie es in dieser Studie nach. Das ist kein adäquater Platz für unser Bundesland. Die Tatsache, dass Herr Weimar jetzt aufgebracht ist, zeigt, dass er das genauso sieht.

(Zuruf des Ministesr Karlheinz Weimar)

– Doch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Dabei will Hessen doch nach den Worten unseres Ministerpräsidenten ein Musterland für alles Mögliche werden.

(Petra Fuhrmann (SPD): Leuchtturm!)

So fragt man sich: Was ist eigentlich mit dieser Regierung los? Könnten Sie jetzt alle bitte einmal Ihre Lethargie – ich spreche Richtung Kabinett – überwinden und wenigstens ein bisschen regieren, d. h. Ideen entwickeln, aufgreifen und innovativ umsetzen, und sich nicht nur im nächsten Wolkenkuckucksheim verlieren?

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich wollte jetzt den Ministerpräsidenten ansprechen. Ich sehe ihn leider nicht.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Er ist leider nicht mehr hier. Ich frage ihn trotzdem: Herr Koch, wollen Sie in Wahrheit doch lieber einen Kabinettsessel in Berlin oder in Brüssel? Herr Koch, wenn Sie wegwollen, dann gehen Sie dorthin und nehmen Sie Ihre Kabinettkollegen am besten gleich mit. Aber hören Sie endlich auf, gemeinsam mit Ihrem „prima Finanzminister“ unseren Haushalt und unser Land weiter zu ruinieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Auch wenn die miserable Performance dieser Regierung dem miserablen Zustand des Landeshaushalts durchaus entspricht: Wir GRÜNE wollen jedenfalls, dass sich beides rasch zum Besseren ändert. – Vielen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Kaufmann.