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26.01.2010

Frank Kaufmann zum Gesetz zur Änderung des Hessischen Feiertagsgesetzes und des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs wurden von den antragstellenden Fraktionen im Plenum reichlich Videokassetten verschenkt. Das ist ein Grund dafür, warum ich mich bei meiner Fraktion für diese heutige Rede beworben habe. Vielleicht bekomme ich noch einmal etwas geschenkt. Es kann ruhig eine Entspannungs-DVD sein.

(Heiterkeit – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Hauptgrund für meinen Redewunsch ist natürlich ein anderer. Heute ist eine Sternstunde der Demokratie – zumindest ist das die Quintessenz der Redebeiträge der Kolleginnen und Kollegen aus der zweiten Lesung am 10. Dezember 2009. Da will man natürlich dabei sein. Allerdings, kaum habe ich es ausgesprochen, kommen mir schon Zweifel an dem Begriff Sternstunde, denn der Sachverhalt ist eigentlich ganz schlicht.

Die CDU beantragt und befürwortet etwas, was sie erklärtermaßen bis vor Kurzem – und verschwiegenermaßen heute eigentlich immer noch – für totalen Blödsinn hielt: das Feiertagsgesetz deshalb zu ändern, damit Jörg-Uwe Hahn ein altes Anliegen verwirklichen kann. Es liegt ihm übrigens so sehr am Herzen, dass er schon mehrere parlamentarische Anläufe genommen hat, um sonntagnachmittags nicht nur Torte zum Kaffeeklatsch kaufen zu können, sondern auch Videos und DVDs ausleihen zu dürfen.

Ein solches Video diene der Entspannung, sagte der Kollege Blechschmidt beim letzten Mal. Er beschrieb den Entspannungsvorgang mit den Worten: „wie es dort blubbert, macht und tut“, und meinte damit eine Aquarium-DVD.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Blechschmidt, für einen Politiker wäre das vielleicht wirklich ein guter Ausgleich, es sei denn, in diesem Aquarium kurven auch Piranhas herum; dann ist der Unterschied zwischen diesem Video und dem Landtag nur gering.

Wenn das schon keine Sternstunde des Parlamentarismus ist, ist es doch ein erfreulicher Beleg dafür, wie gut es unserem Land Hessen in Wahrheit geht, dieser miserablen Landesregierung zum Trotz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Roland Koch, Ministerpräsident: Na, na, na!)

Wenn es nämlich zu den wichtigsten Problemen unserer Zeit gehört, dass Videotheken und Autowaschanlagen sonntagnachmittags geöffnet haben dürfen, sind wir ein wirklich glückliches Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allerdings fragt man sich dann, warum unsere Regierenden von ihren Regierungssesseln im Landtag immer so übellaunig und finster herabblicken, statt deutlich euphorischer aufzutreten, wenn wir doch ein solch glückliches Land sind.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich vermute – damit spreche ich jetzt die Regierung an –, dass Ihr Engagement für die Lösung von Scheinproblemen nicht echt, sondern nur Camouflage ist, also der Versuch, ernstere Probleme mangels eigener Lösungskompetenz möglichst zu verschleiern. Das wiederum bedeutet, dass wir Hessinnen und Hessen vielleicht doch nicht so glücklich sein können, werden wir doch von Leuten regiert, die weitgehend konzeptlos, uninspiriert und skandalumschlungen daherkommen und sich im Gewirr ihrer eigenen Unzulänglichkeiten verfangen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank und bei den Koalitionsfraktionen, freuen Sie sich doch wenigstens ein bisschen darüber, dass Sie jetzt sonntagnachmittags bald ein neues Event zelebrieren können: Nehmen Sie ihren Freund im Auto mit, düsen Sie zur Tanke, und lassen Sie das Auto waschen – aber nicht vergessen, vorher das Dach zu schließen –, und dann geht es mit dem blitzblanken Blechle zur Videothek. So genießen Sie geballte Kultur – ein echter Fortschritt, auf den wir schon lange gewartet haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die betroffenen Videothekenmitarbeiter und -besitzer ebenso wie das Bibliothekspersonal werden Sie schon jetzt verfluchen; denn der zusätzliche Aufwand der Sonntagsöffnung rechnet sich, gemessen am Umsatz, höchstwahrscheinlich nicht, und nur die Angst vor der Konkurrenz wird letztlich unrentable zusätzliche Öffnungszeiten erfordern.

Ich darf noch anmerken: Wenn man sagt, das könne man an anderer Stelle zeitlich einsparen, antworte ich: Für Sonntagsarbeit muss man aber auch mehr bezahlen. Das heißt, Sie würden einen ganzen Tag lang schließen müssen, wenn Sie die Öffnung am Sonntagnachmittag finanziell ausgeglichen bewältigen wollten.

Ich komme zum Schluss. Wir werden Sie nicht daran hindern können, diesen Unsinn zu beschließen. Sie rechnen gewiss nicht damit, dass wir Sie dabei noch unterstützen. Deswegen sage ich es noch einmal ganz klar: Wir GRÜNE lehnen diesen Gesetzentwurf aus Überzeugung ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

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