Inhalt

21.04.2009

Frank Kaufmann zum Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans für das Jahr 2009

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beginne meine heutige Haushaltsrede mit dem Bekenntnis eines höchst bedauerlichen Irrtums: Sie mögen, wie der Kollege Milde, überrascht sein, da so etwas in der Politik eher selten geschieht. Aber es ist mir ein echtes Bedürfnis.

(Zuruf von der CDU)

Als ich das letzte Mal anlässlich der gleichen Angelegenheit im Plenum am Rednerpult vor Ihnen stand, nämlich bei der ersten Lesung des Haushaltsplanentwurfs 2008 am 26. September 2007,

(Zuruf von Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

äußerte ich meine große Freude darüber, dass wir es endlich hinter uns hätten und dass das Schlimmste überstanden sei. Damit meinte ich die weimarschen Haushalte und die dazugehörigen Einbringungsreden.

Meine Freude war vor allem eine Vorfreude; denn ich war ganz fest davon überzeugt, dass die Stunde der Befreiung von der desaströsen weimarschen Finanzwirtschaft wirklich unmittelbar vor der Tür stand.

(Zuruf des Abgeordneten Horst Klee (CDU))

Meine Damen und Herren, wie man sich doch täuschen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben es leider immer noch nicht hinter uns. Wir müssen uns, wie das heutige Beispiel zeigt, stattdessen wieder anhören, dass das, was der Kollege Finanzminister uns erzählt, grundsätzlich und immer alternativlos ist.

Es ist allerdings alternativlos schlecht, aber keineswegs unabänderlich. Der Herr Finanzminister bringt einmal wieder einen Haushaltsentwurf im Landtag ein, er steigert die Neuverschuldung einmal wieder auf einen neuen Rekord, und er lobt sich dafür einmal wieder in den höchsten Tönen.

Meine Damen und Herren, an Letzterem fühle ich mich absolut unschuldig. Sie wissen, ich würde so etwas niemals machen. Ich betone deshalb umso mehr mein Verständnis und meine Betroffenheit angesichts Ihrer tiefen Enttäuschung über das soeben Erlebte. Ich habe Ihnen – ich bekenne es – seinerzeit ein falsches Versprechen gegeben. Es geht nun leider doch „als so weiter“, wie der Hesse sagt.

Es gibt immerhin einen winzigen Trost dabei: Das berühmte Zitat bleibt aktuell. Herr Kollege Schmitt hat sich schon daran versucht. Das klügste Urteil aller Zeiten über die weimarsche Haushaltspolitik wurde durch die heutige Rede des Finanzministers wieder eindrucksvoll bestätigt. Es kann, es darf, ja es muss in Zukunft weiterhin zutreffend zitiert werden: Solide und transparent, wahr und klar, wie Haushaltswirtschaft zu sein hat, ist das nicht, sondern sprunghaft, windig, wirr, unüberlegt und nicht ganz seriös.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei hatte doch alles so hoffnungsvoll ausgesehen. Am Anfang – das war bald nach der Verabschiedung des letzten weimarschen Haushalts – stand die krachende Wahlniederlage der CDU vom 27. Januar 2008, die von dem diesjährigen Stimmenverlust noch überboten wurde.

(Zuruf des Abgeordneten Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Sie machte in diesem Landtag endlich den Weg frei für sachorientierte Debatten anstelle der ewig gleichen Zelebrierung der jeweils festgefügten und bar aller Argumente unverrückbar eingenommenen Standpunkte. In diesen Debatten zeigte sich sehr rasch – Herr Kollege Milde, Sie werden sich daran erinnern, dass wir sie auch zu Haushaltsthemen hatten –, dass Karlheinz Weimars Finanzwirtschaft selbst unter den neuen politischen Verhältnissen mit Argumenten allein nicht zu korrigieren war. Er zeigte sich nämlich ausgesprochen sträubig, sodass sich im Ergebnis gesetzgeberische Aktivitäten als notwendig erwiesen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Walter Arnold (CDU))

Eine Regierungskommission wollten wir damals nicht haben, und auch das, was gerade vorgetragen wurde, deutet eher darauf hin, dass Sie eigentlich eine „Oppositionskommission“ berufen müssten; denn Sie fragen uns immer händeringend: Ja, wie sollen wir es denn machen? Was würdet ihr denn vorschlagen? Nun lassen Sie uns in Form einer Oppositionskommission doch mal ran. Dann sagen wir Ihnen, was wir Ihnen vorschlagen.

Sie erinnern sich sicherlich an das letzte Jahr: Mehrheitlich beschlossene Aufforderungen des Landtags an die Landesregierung, einen Nachtragshaushalt und eine gesetzeskonforme Vorlage für den Haushaltsentwurf 2009 vorzulegen, wurden vom Finanzminister schlicht ignoriert.

Er stritt damals lieber an der Seite seines Chefs für den Erhalt der Studiengebühren an den Hochschulen, anstatt sich für eine geordnete Finanzwirtschaft einzusetzen und seine Aufgaben termingerecht zu erledigen. Diese Ignoranz der geschäftsführenden Regierung war im Übrigen zumindest nach meiner Beurteilung die wirklich beklagenswerte Seite der hessischen Verhältnisse, zugleich eigentlich auch die einzige.

Vom Finanzminister wurde schließlich im letzten Sommer – wir hörten heute bereits davon – eine Haushaltssperre verhängt, die Einsparungen in Höhe von 100 Millionen € erbringen sollte, deren quantitative Rechtfertigung zu dem damaligen Zeitpunkt z. B. aus dem Finanzstatusbericht, der hier kurz zuvor vorgelegt wurde, überhaupt nicht herzuleiten war.

Insgesamt beurteilt, kann man sagen: Der Finanzminister hatte im Sommer letzten Jahres überhaupt keine Lust, den Entwurf eines Haushaltes 2009 zu erarbeiten und hier zu präsentieren.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Walter Arnold (CDU))

Der Grund dafür ist wohl der, dass er sich mit seiner eigenen Finanzplanung jede Menge Fallen und schwere Brocken auf den Weg geworfen hatte.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Walter Arnold (CDU))

Herr Kollege Dr. Arnold, Ihnen sind doch noch die berüchtigten „globalen Mehreinnahmen“ in Erinnerung. Im Finanzplan des Jahres 2008 sind sie mit immerhin 500 Millionen Euro notiert. Dies war aber noch nicht alles: In der Weimarschen Finanzplanung kamen noch 250 Millionen Euro€ globale Minderausgaben dazu. Zu deutsch heißt das doch nichts anderes, als dass beim Finanzminister Ahnungslosigkeit in Höhe von mindestens 750 Millionen Euro vorhanden und in den Finanzplan eingepreist war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben das damals im Plenum heftig kritisiert und gefordert, dass uns die dahinterstehenden finanzpolitischen Absichten erläutert werden. Uns wurde dann aber erklärt, so etwas wie der Einbezug einer „globalen Mehreinnahme“ sei das natürlichste Verfahren der Welt. Diese globalen Wunschzahlen würden erst bei der Aufstellung des Haushaltsplans – damals wurde das „Finalisierung“ genannt – endlich konkretisiert.

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Herr Kollege Kaufmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Arnold?

Frank-Peter Kaufmann:

Frau Präsidentin, ich möchte das gerne im Zusammenhang vortragen. Der verehrte Herr Kollege Dr. Arnold kann sich gerne danach einer Kurzintervention bedienen.

Der Finanzminister wusste im letzten Sommer offensichtlich überhaupt nicht, wie er die selbst gestellten Vorgaben erfüllen sollte. Denn vor der Landtagswahl im Jahr 2008, als der Finanzplan präsentiert und diskutiert wurde, wollte man eine wirksame Begrenzung der Ausgaben für das Jahr 2009 nicht hineinschreiben und vorzeigen müssen. Also floh man in die Vernebelung durch die Definition des Globalen.

Doch nun war guter Rat teuer. Nachdem der Finanzminister immer wieder angekündigt hatte, er werde das Problem hinsichtlich der Konkretisierung der globalen Mehreinnahmen lösen, dabei aber nie sagte, wie er das tun will, räumte er schließlich am 24. September 2008, also genau zu dem Zeitpunkt, zu dem der Entwurf des Haushalts 2009 eigentlich hätte präsentiert werden müssen, hier vor diesem Hause endlich ein – ich zitiere –:

Diese 500 Millionen Euro … sind realistisch nicht mehr einzuplanen.

Herr Weimar konnte also, obwohl der Termin bereits überschritten war, den Entwurf des Haushaltsplans 2009 überhaupt nicht ordentlich „finalisieren“. Seine Planung erwies sich schlicht als Illusion, wenn nicht gar als arglistige Täuschung des Parlaments und der Öffentlichkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie so wollen, könnte man sagen: Das war schwarze Magie mit roten Zahlen.

Man mag es durchaus verstehen, dass unser Finanzminister angesichts all der von mir geschilderten Schwierigkeiten einfach keine Lust mehr hatte, sich seinem Geschäft zu widmen. Am 7. Oktober 2008 stellte er denn da die Arbeit getreu dem Motto: „Ich bin dann mal weg“ einfach ein.

Nachdem wir, d. h. die Vertreterinnen und Vertreter der SPD und der GRÜNEN, bei ihm vorstellig geworden waren, kannten wir immerhin einige rudimentäre Planungsdaten für den Entwurf des Haushalts 2009, die, zusammengefasst, nur als riesiger finanzpolitischer Scherbenhaufen beschrieben werden konnten. Der eine oder andere wird sich noch an unsere Presseerklärung vom 8. Oktober 2008 erinnern. Ohne irgendwelche Folgen der Finanzkrise überhaupt berücksichtigt zu haben, lag das Defizit damals bereits bei 1.500 Millionen Euro, also bei 1,5 Milliarden Euro. Von denen sollten nach den uns damals mitgeteilten Überlegungen allerhöchstens 210 Millionen Euro durch Einsparungen gedeckt werden.

Meine Damen und Herren, Sie werden sich fragen: Warum erzählt er uns das eigentlich alles?

(Zurufe von der CDU: Genau!)

Die Frage hat verschiedene Aspekte. Die Antwort ist aber dennoch recht einfach. Wir haben soeben bei der Einbringung eine Lobrede des selbst erwählten Oberkrisenmanagers Staatsminister Weimar gehört, der uns darzulegen versuchte, dass er, erstens ohne Alternative ist, dass er, zweitens, wichtig ist und dass, drittens, seine finanzpolitischen Fähigkeiten für uns in dieser Krise besonders bedeutsam seien. Wir sollen glauben – und als Botschaft heute hier mitnehmen –, dass die Menschen unseres Landes es als ungeheuren Segen erachten müssen, dass ausgerechnet Kapitän Karlheinz an Bord ist und das Vollschiff Hessen vor der Havarie rettet und durch die Strudel der tobenden Finanzkrise in einen sicheren Hafen steuert. – Jetzt dürfen Sie klatschen.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Dabei verschweigt der Kapitän natürlich, dass die Hessen zwar einst ein sehr stolzes Schiff war, inzwischen aber durch überbordende Schulden schon heftig Schlagseite hat, von den schwarzen Leichtmatrosen bereits ziemlich abgetakelt wurde und in Wahrheit sogar in einen weitgehend manövrierunfähigen Zustand gebracht wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, bei der Betrachtung der Abläufe des vergangenen Jahres ist Ihnen sicherlich deutlich geworden, dass genau das Gegenteil von dem richtig ist, was in der Weimarschen Eloge zu hören war. Verantwortet von ihm sieht sich Hessen in der Finanzkrise mit einer Situation konfrontiert, in der sich der Fiskus in einem äußerst miserablen Zustand befindet, weil trotz der Jahre der sprudelnden Steuereinnahmen nicht nur keine Rücklagen gebildet, sondern sogar immer noch neue Schuldenberge angehäuft wurden.

Angesichts der Realität in Hessen war Kapitän Weimar nämlich schon lange dem Untergang geweiht. Das seit Jahren von ihm verwaltete strukturelle Defizit des Haushalts wurde um keinen Deut abgebaut. Vielmehr wurde lediglich durch den Verkauf des Vermögens und die Aufnahme von Schulden versucht, das zu kaschieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt ist das Vermögen bis auf einen kläglichen Rest weitestgehend verschleudert und auch gegenwärtig unverkäuflich. An Rücklagen ist kaum noch etwas Nennenswertes vorhanden, sieht man einmal von der zweckgebundenen Rücklage aufgrund der Neubewertung des Sondervermögens Wohnungswesen und Zukunftsinvestitionen ab, die von Herrn Weimar auch schon einmal zur kurzfristigen Verringerung des Kreditbedarfs im Haushalt versenkt werden sollte.

Wenn die Einnahmeseite also derart schlecht aussieht, dann geht es nicht mehr um die Darstellung virtueller Einnahmen und Darstellungen zur Vertuschung, sondern dann geht es um mehr. Herr Finanzminister, dann hilft Budgetmanagement in Form eines Fantasieabenteuers überhaupt nicht mehr weiter. Hier muss in der Wirklichkeit gespart werden.

Deswegen muss sich ein Finanzminister in einer solchen Situation zu allererst die Ausgabenseite vornehmen und für wirksame Einsparungen sorgen. Herr Weimar, dies wurde von Ihnen trotz Mahnungen nicht nur von der Opposition dieses Parlaments stets unterlassen, weil die Harmonie im Kabinett und die Bedienung der eigenen Klientel offensichtlich wichtiger waren als eine wirksame Haushaltskonsolidierung. Der Finanzminister Karlheinz Weimar hat es sich mit seiner Finanzwirtschaft nämlich längst in der schönen virtuellen Welt der Blasenökonomie bequem gemacht. Dabei raucht er geruhsam sein Pfeifchen.

Angesichts dieser Situation gibt es für die gesamte Regierung und für den Finanzminister nur noch eine Rettung: Die Krise. – Sie kommt ihm wie gerufen. Sie allein rettet ihn nämlich nicht nur vor dem endgültigen finanzpolitischen Untergang.

Klar und deutlich ausgesprochen heißt das also: Nicht Weimar rettet uns, die hessischen Bürgerinnen und Bürger und die heimische Wirtschaft, vor der Wirtschaftskrise und ihrer Folgen. Nein, die Finanzkrise rettet Finanzminister Weimar vor dem Offenbarungseid infolge seiner jahrelangen desaströsen Verschuldenspolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Norbert Schmitt und Nancy Faeser (SPD))

Meine Damen und Herren, wenn Sie das nicht glauben wollen, erinnern Sie sich bitte an das Unternehmensstabilisierungsgesetz, das wir am 19. November letzten Jahres an einem Tag durch das Parlament bringen und verabschieden mussten. Der Grund für die Eilbedürftigkeit bestand darin, dass in Hessen ohne dies Gesetz ab Beginn dieses Jahres überhaupt keine Bürgschaften für die Wirtschaft mehr hätten vergeben werden können, weil die Landesregierung und bei ihr insbesondere der zuständige Finanzminister es offensichtlich schlichtweg übersehen hatten, dass die Vergabe von Bürgschaften vom Haushaltsgesetz abhängt, dessen Bearbeitung Herr Weimar nach dem Motto eingestellt hatte: „Ich bin dann mal weg.“

Der rettende Anlass für dieses Gesetz, das Unternehmensstabilisierungsgesetz, war dann unstrittigerweise die gemeinsame Sorge um die Entwicklung bei Opel, sodass in der damaligen Debatte Herr Kollege Al-Wazir schon völlig zu Recht feststellen konnte:

Opel rettet Weimar, nicht andersherum.

Aktuell ist es noch sehr viel deutlicher: Unter dem Vorwand, gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise aktiv werden zu müssen, wird ein Schuldentsunami produziert, der alles wegspült. Er überflutet auch das Weimarsche Finanzdesaster, sodass man es in den trüben Fluten nicht mehr ohne Weiteres erkennen kann. Allerdings beseitigt er es nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gegenteil ist sogar der Fall.

Im Gegenteil, der Schulden-Tsunami verursacht gewaltige zusätzliche Schäden, die sehr bald danach ans Licht kommen werden. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, deshalb nützt es Ihnen am Ende auch nichts, wenn Sie jetzt die Kritik an der neuen Rekordverschuldung verleumden, wie es der Kollege Blum versucht hat.

Es ist natürlich sinnvoll, in der Krise gegenzusteuern und Investitionen zu fördern. Wichtig wäre dabei allerdings, dass diese Investitionen nachhaltig und auch rentierlich wirksam sind, was man bei dem Programm der Landesregierung leider nicht so ohne weiteres bestätigen kann. Wichtig wäre obendrein, dass man tatsächlich antizyklisch agiert, dass man in guten Zeiten Vorsorge getroffen, für Wirtschaftskrisen Vorräte angelegt und Reserven aufgefüllt hat. Doch genau das ist nicht der Fall. Jahrelang wurde nach dem Motto der Marquise de Pompadour „apres nous de déluge“ gelebt. Sie haben es heute Morgen in der „FAZ“ gelesen. Herr Lückemeier hat es im Deutschen „Nach uns die Sintflut“ bereits sogar zum Thema seines Kommentars genommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses eher herablassend absolutistische Motto wurde von Weimar praktiziert, sodass man sich jetzt wirklich nicht zu wundern braucht, wenn die Sintflut der Schulden tatsächlich kommt. Wir werden noch zu betrachten haben, inwieweit die neuen Schulden zur Finanzierung der Konjunktur in Wirklichkeit erforderlich sind oder vielleicht ganz anderen Zwecken dienen.

Meine Damen und Herren, im Rahmen der Beratung des Landeshaushalts in erster Lesung stehen traditionell die finanzwirtschaftlichen Aspekte des Zahlenwerks und die dazugehörige Finanzplanung im Vordergrund. Deshalb will ich heute hier von mir aus die inhaltlichen Aspekte eher hintanstellen. Auch dazu wäre allerdings vieles anzumerken – die Zeit würde nicht ausreichen.

Allein die finanzwirtschaftlichen Daten sind schon niederschmetternd genug. Und was einen besonders empört, ist der beim Finanzminister überhaupt nicht erkennbare Wille, seines Amtes zu walten. Ein Finanzminister hat in der harten Realität der Zahlen und Fakten zu arbeiten und sich nie hat zum Zwecke der Selbstbelobigung in Fiktionen zu flüchten. Denn, es ist noch nicht lange her, seit der Präsentation des Jahresabschlusses für das Haushaltsjahr 2008 – das war genau heute vor vier Wochen – kennen wir einen neuen Begriff aus der Weimarschen Trickkiste: die fiktive Nettokreditaufnahme. Dies hat jetzt nichts mit der weltweiten Bakenkrise zu tun, sondern heißt nur, dass Karlheinz Weimar ein ganz toller Kerl ist. Beifall?

(Zuruf des Ministers Karlheinz Weimar (CDU))

– Er stimmt zu. – Weil er eigentlich noch viel mehr Schulden hätte machen können, vielleicht auch wollen, und er aus Versehen davon abgelassen hat. Hinter dieser vermeintlichen finanzpolitischen Großtat verbirgt er geschickt die Tatsache, dass er das vom Haushaltsgesetzgeber für 2008 genehmigte Kreditvolumen mal eben um fast 350 Millionen Euro überschritten hat. Doch die Leute sind ja froh. Sie sollen froh sein, denn es hätte nach der Weimarschen Fiktivrechnung noch viel schlimmer kommen können. Es hätten locker insgesamt 1,5 Milliarden Euro sein können. Das heißt eine Überschreitung von fast 1 Milliarde Euro bezüglich der Genehmigung.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen dazu: Wer als Finanzminister eine solch dramatische Überschreitung der Kreditermächtigung des Haushaltsplanes zu verantworten hat und dies auch noch bejubelt, dass er seine selbst ermittelte fiktive Nettokreditaufnahme nur zu 59 % ausgeschöpft hat, der ist als Taschenspieler entlarvt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Herr Finanzminister, warum nehmen Sie nicht noch eine höhere fiktive Nettokreditaufnahme an? Mit der vom Landtag genehmigten Höhe hat dies alles sowieso nichts zu tun. Dann könnten Sie z. B. feststellen, dass nur ein Drittel der fiktiven Kredite dank Ihrer exzellenten Finanzwirtschaft benötigt wurden.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Dies wäre doch dann Anlass zu noch größerem Jubel bei der CDU. Kollege Milde, ich schlage Ihnen deshalb die Schaffung einer neuen Haushaltskennzahl vor.

(Zuruf des Abgeordneten Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wir definieren sie als die Differenz des Hältnisses von realer zu fiktiver Nettokreditaufnahme zur Zahl 1 – die fiktive Nettokreditaufnahme, selbstverständlich eine Definition des Finanzministers –, und wir nennen diese neue Kennzahl am besten WEQ, Weimareffizienzquotient.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er bewegt sich immer zwischen null und eins, je nach Größe der Fiktion.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, ich denke, auch Ihnen ist deutlich geworden, dass zurzeit der völlig falsche Mann auf dem Stuhl des Finanzministers sitzt. Die fiktive Nettokreditaufnahme hat das eindrucksvoll nachgewiesen. Es bestätigt sich weiterhin nachdrücklich, wenn man in die Weimarsche Finanzplanung genauer hineinschaut und sich vor Augen führt, was denn seine Absichten für 2009 und die folgenden Jahre sind.

Diese Frage beantwortet äußerst deprimierend die Abbildung Nummer 18 im Finanzplan auf Seite 49. Dort wird einmal wieder – wir bleiben im Fiktiven – die reale nicht gegebene, also auch nur fiktive Beziehung der Belastung des Landes Hessen durch den Länderfinanzausgleich einerseits und die Nettokreditaufnahme im Haushalt andererseits dargestellt.

Wir haben es heute schon mehrfach gehört. Für die vergangenen zehn Jahre der Weimarschen Residenz und die aus seiner Sicht noch einmal fünf Jahre nebeneinandergestellt: Bislang stiegen die Schulden unter Weimar pro Jahr durchschnittlich um rund 1 Milliarde Euro, nämlich in zehn Jahren auf 10,43 Milliarden Euro, während in den Länderfinanzausgleich durchschnittlich 2,19 Milliarden Euro€ zu zahlen waren. Also wurden nur rund 47 Prozent der Leistung in den LFA auf Pump finanziert und damit 53 Prozent aus eigenen Mitteln.

In den kommenden fünf Jahren sollen es allerdings schon fast 63 Prozent sein, denn Weimar plant im Durchschnitt eine Nettokreditaufnahme von 1,64 Milliarden Euro bei einer Zahllast in den Länderfinanzausgleich von durchschnittlich 2,62 Milliarden Euro.

Die Zahlung an den Länderfinanzausgleich finanziert das Land also unter seiner Verantwortung mit einem wachsenden Anteil von Krediten. Der Kollege Blum hat vorhin darauf hingewiesen, dass man für das Jahr 2009, das wir unmittelbar beraten, von einer nahezu 100-prozentigen Finanzierung ausgehen kann. Meine Damen und Herren, jeden Privaten, der seine Steuern aus Bankkrediten bezahlt, führt eine solche Finanzplanung binnen kurzem vor dem Insolvenzrichter, möglicherweise gar ins Gefängnis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Der Finanzminister glaubt offensichtlich, dass er sich dies erlauben kann und mit ihm die ganze hessische Bevölkerung, die es am Ende zahlen muss. Meine Damen und Herren, ein Weiteres zeigt uns auch die schon zitierte Abbildung in brutaler Klarheit.

Am Ende des Jahres 2012, also am Ende des Finanzplanungszeitraumes und noch knapp vor dem regulären Ende dieser Legislaturperiode, wird der Finanzminister Weimar, so er solange durchhält und nicht wieder vorher weg ist, mehr als eine ganze ungekürzte Jahressteuergesamteinnahme an eigenen Schulden gemacht haben. Das heißt, alle Steuereinnahmen Hessens innerhalb eines Jahres reichen dann nicht mehr aus, um die Schulden abzutragen, die Weimar als Finanzminister zu verantworten hat.

Meine Damen und Herren, wie wenig ernsthaft der Wille zur tatsächlichen Haushaltskonsolidierung aufseiten der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen tatsächlich ist, wird doch aus den Ausflüchten deutlich, die Weimar bei der öffentlichen Präsentation des Haushalts vortrug. Er präsentierte unter anderem einen Chart, auf dem man lesen konnte: Reduzierung der Neuverschuldung um 1 Milliarde € würde bedeuten, 2.500 Stellen in der Landesverwaltung zu streichen oder 10.000 Lehrer zu entlassen oder den Steuerverbundsatz für den KFA von 23 auf 15 Prozent zu reduzieren. So steht es im Chart.

Das heißt, es werden Horrorszenarien präsentiert, um die Unmöglichkeit der Sparforderung vermeintlich zu belegen. Herr Finanzminister, da frage ich aber: Warum denn so zaghaft? Wenn Sie 2.500 Millionen Euro, also 2,5 Milliarden Euro Schulden eingeplant haben, dann müssten Sie, um diese zu vermeiden, 62.500 Stellen in der Landesverwaltung streichen oder 45.000 Lehrer entlassen oder den KFA-Satz um 20 auf 3 Prozent reduzieren. Warum sagen Sie dies nicht gleich? – Ich kann  nur sagen: Willkommen in Absurdistan, Herr Finanzminister.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jedem ist doch sowieso klar, dass dies alles offenkundiger Unfug ist und nur den Ausweis der Feigheit darstellt, für das eigene Tun einzustehen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass noch nicht einmal alle Pflichtaufgaben vollständig in der Finanzplanung berücksichtigt sind. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur einmal an den Tarifabschluss und seine Übertragung auf die Beamtinnen und Beamten des Landes, was noch einzupreisen wäre. Der Kollege Blum hat dies schon bestätigt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hat es nicht gewusst, aber bestätigt!)

Meine Damen und Herren – und damit meine ich mehr das Publikum als die verehrten Kolleginnen und Kollegen hier im Rund –, wann endlich hat die Mär ein Ende, dass die Schwarzen sorgfältig mit Geld umgehen könnten?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ist denn die weltweite Finanzkrise nicht auch ein offenkundiger Beweis dafür, dass die Konservativen – und ich erinnere an solche Galionsfiguren der Konservativen wie den speziellen Freund unseres Ministerpräsidenten, den Ex-US-Präsidenten Georg W. Bush – ebenso wie die Marktliberalen wirklich keinerlei Vertrauen bezüglich ihres Umgangs mit Vermögenswerten verdienen? Deshalb mahne ich dringlich: Beenden Sie unverzüglich Ihren Irrglauben an solide Grundwerte im konservativen Finanzgebaren. Meine Damen und Herren, da werden Sie nicht geholfen, sondern abgezockt und hinters Licht geführt, auch und gerade beim Umgang mit öffentlichen Geldern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, dass dies alles so schlimm ist und dass auch die Hessische Landesregierung nicht bereit ist, ihren seit Jahren nicht nur von uns GRÜNEN kritisierten Kurs der finanzpolitischen Verantwortungslosigkeit endlich zu verlassen, liegt auch an der vollständig fehlenden Ernsthaftigkeit bei der Vorgabe der eigenen Ziele.

Für die Landesregierung und ihre Parlamentsmehrheit ist das alles nur eine Frage der Darstellung – und die, glauben sie, mit einer hinreichenden Zahl von Mätzchen und sonstigen coolen Sprüchen so gestalten zu können, dass Sie sich dahinter wirklich alles erlauben.

Meine Damen und Herren, das beste Beispiel dafür ist die Zieldefinition der hessischen Finanzpolitik der Regierungen Koch – so muss ich ja sagen –, wie wir sie seit Jahren im Haushaltsplan, Einzelplan 06 und auch 17, im ersten Satz nachlesen können. Angesichts der heute vom Finanzminister präsentierten Zahlen bedeutet diese Zielbeschreibung nach meiner Auffassung eine Unverschämtheit, die kaum noch zu überbieten ist. Ich lese Ihnen diesen Text vor:

In seiner Finanzpolitik lässt sich Hessen von der Verantwortung für heutige und kommende Generationen mit dem Ziel leiten, letztere nicht stärker zu belasten, als es eine verantwortungsbewusste finanzielle Konsolidierungspolitik erlaubt.

Meine Damen und Herren, der verehrte ehemalige Kollege Roland von Hunnius – dem nach dem Auftritt seines Nachfolgers Major Tom Leif Blum nicht nur ich äußerst schmerzlich vermisse –

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

hat bei einer Debatte, wie wir sie gerade führen, sehr eindrucksvoll nachgewiesen, dass trotz der zitierten Vorgabe überhaupt keine Rede von Konsolidierung sein kann, wenn die Neuverschuldung Jahr für Jahr steigt.

Genau dies ist auch die Diagnose für die letzten Jahre, bis hin zu diesem Haushaltsentwurf 2009. Wo war, wo ist da auch nur ein winziges Quäntchen an Konsolidierung? Schauen Sie hin – Sie finden nichts, rein gar nichts.

Meine Damen und Herren, die weimarsche „Konsolidierung“ erkennt man an folgenden Zahlen – ich nehme die Istwerte und nicht die Sollzahlen, gemäß Haushaltsabschluss tatsächlich getätigte Nettokreditaufnahmen in den betreffenden Jahren –: 2006 waren es 582 Millionen Euro, 2007 waren es 745 Millionen Euro, 2008 waren es 894 Millionen Euro. Hier frage ich: Wer erkennt da den Konsolidierungskurs?

Im Jahr 2009 sind 2.505 Millionen Euro geplant. Ich gehe davon aus, dass der Wert für das Jahr 2008 bei dieser Planung nicht unterschritten wird, sodass wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein weiteres Jahr der Neuverschuldung haben.

Genauso wie der Kollege von Hunnius vor zwei Jahren stellen wir also heute fest: Konsolidierung verträgt sich nicht mit jährlich ansteigender Neuverschuldung.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Diese Verwendung des Wortes „Konsolidierung“ ist eine vorsätzliche Täuschung.

Meine Damen und Herren, angesichts dieser Zahlen beschert uns der Text der Zielbeschreibung für das Oberziel des Finanzministeriums dann noch eine Steigerung an Unverfrorenheit. Als neuer Satz wird nämlich eingeschoben – ich zitiere –:

Hierzu dient auch ein in der Hessischen Verfassung zu verankerndes Verschuldungsverbot.

Meine Damen und Herren, das nenne ich wahrlich eine Verhöhnung der Hessischen Verfassung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Die Sache wird dadurch noch deutlich schlimmer, dass es dem wohl geneigten politisch interessierten Leser des Haushalts – oder auch von Zeitungen oder dem Zuhörer der Debatte – in den Sinn kommen könnte, dass selbst dann, wenn man meiner Kritik im Prinzip zustimmt, für die Ankurbelung der Konjunktur doch ausnahmsweise eine Steigerung der Nettokreditaufnahme richtig sei.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Walter Arnold (CDU))

Ja, dieser Auffassung kann man sein. Selbst wir GRÜNE, die Nachhaltigkeit als politisches Prinzip vertreten, stimmen einer Kreditfinanzierung von nachhaltigen Zukunftsinvestitionen durchaus zu. Aber das geliehene Geld muss dann auch für derartige Investitionen eingesetzt werden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Walter Arnold (CDU))

Genau dies haben wir am weimarschen Haushaltsentwurf 2009 überprüft. Herr Kollege Dr. Arnold, das Ergebnis ist für uns wenig überraschend, aber sehr niederschmetternd.

Im Kapitel 17 03 des vorliegenden Haushaltsentwurfs finden wir zunächst die verlockende Überschrift „Hessisches Sonderinvestitionsprogramm und Zukunftsinvestitionsprogramm des Bundes“ sowie umfängliche Erläuterungen, wie und wofür Investitionen von am Ende insgesamt 2.611 Millionen Euro, also 2,6 Milliarden Euro, getätigt werden sollen; davon war bereits die Rede.

Aber im Jahr 2009 sind von dieser beeindruckenden Summe noch nicht einmal 50 Millionen Euro vom Land finanziert.

Was heißt das? Das heißt doch nichts anderes, als dass von den neuen Schulden mehr als 2.450 Millionen Euro nicht der Finanzierung der Ankurbelung der Konjunktur über die Konjunkturprogramme dienen, sondern anderen Zwecken. Umgekehrt sollen lediglich 2 Prozent der geplanten neuen Schulden wirklich zur Finanzierung des Konjunkturprogramms eingesetzt werden.

(Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist die Wahrheit!)

Das steht in Ihrem Haushalt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, da kommt natürlich sofort die Frage auf, welchen anderen Zwecken mit dieser gigantischen Neuverschuldung wirklich gedient werden soll.

So schließt sich der Kreis: Weimar ist gerettet. Sein strukturelles Defizit kann er neuerlich ein Jahr weiter schieben, und allen wird Sand in die Augen gestreut, denn unter dem großen Propagandaschirm der Ankurbelung der Konjunktur lässt sich alles ganz prima verstecken. Roland Koch strahlt und hat allen Grund, Karlheinz Weimar einmal wieder einen „prima Finanzminister“ zu nennen.

(Demonstrativer Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr seid das Orchester auf der Titanic!)

Meine Damen und Herren, Sie verstehen mich völlig falsch, wenn Sie aus meinen Äußerungen etwa eine gewisse Bewunderung für die weimarsche Cleverness oder für seine Überlebensstrategie als Finanzminister entnehmen wollen.

(Zurufe von der CDU)

Meine eigene mentale Einstellung – –

(Zurufe der Abg. Dr. Walter Arnold und Volker Hoff (CDU))

– Herr Kollege Hoff, wir leben in der Zeit der Fiktionen, das scheint Ihnen auch so zu gehen.

Meine eigene mentale Einstellung zu dem, was uns der Finanzminister vorführt, ist ausschließlich Empörung, durchaus gepaart mit Verachtung.

Zu meinen Prinzipien und Überzeugungen, wie eine geordnete und solide Finanzwirtschaft auszusehen hat, steht dies vollständig konträr. Herr Finanzminister, das ist eindeutig zu tricky. So, wie Weimar dies tut, darf man nach meiner festen Überzeugung nicht mit dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger umspringen.

Dieser Haushalt – und damit komme ich noch zu einem interessanten weiteren Kapitel – ist nach sechs Jahren erstmals wieder ein Koalitionshaushalt. Da ist es schon der Mühe wert, einmal genauer zu betrachten, wie sich denn die segensreiche Mitwirkung des alten und neuen Partners jetzt auswirkt.

Gewiss hat die FDP in den vergangenen Jahren überwiegend die Kuschelopposition gegeben, doch der von mir schon erwähnte Name von Hunnius erinnert uns daran, dass in Haushaltsdebatten durchaus gelegentlich die Fetzen flogen und von ihm Haushaltswahrheit und -klarheit eingefordert wurden, genauso wie Sparsamkeit und Schuldenabbau. Sie erinnern sich noch an seine wunderbare Wortprägung: Nachdem die Regierung – das war damals die absolute Mehrheit der CDU – sich immer so über „Verfassungsbruch“ aufregte, sagte er: Dann sind wir ein – Ideechen vornehmer und nennen es Konstitutionsfraktur. – Meine Damen und Herren, der Sachverhalt bleibt derselbe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie ich allerdings schon befürchtet hatte, stellt sich die wieder mitregierende FDP jetzt neu auf. Nicht wahr, mein Herren von der FDP, Sie werden nicht mehr gerne daran erinnert, was von Ihrer Seite so alles zum Landeshaushalt gefordert wurde? Denn das ist in etlichen Punkten das genaue Gegenteil von dem, was wir im vorliegenden Haushaltsentwurf jetzt finden.

(Günter Rudolph (SPD): Das haben die schon verdrängt!)

Aber Ihr Oppositionsgeschwätz stört Sie offensichtlich nicht. Sie knüpfen bruchlos an den letzten Koalitionshaushalt an. Damals unterstützte die FDP einen neuen Rekord bei der Neuverschuldung des Landes; dann musste sie fünf Jahre Opposition erleiden; jetzt ist sie wieder dabei und freut sich darüber, dasselbe tun zu können: einen neuerlichen Rekord an Neuverschuldung, 500 Millionen Euro mehr als beim letzten Mal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Herzlichen Glückwunsch, meine Herren von der FDP, herzliches Beileid, meine Damen und Herren! Wir alle werden das bezahlen müssen.

Durchaus in den Kontext der bei der ersten Lesung eines Haushalts üblichen Betrachtung der finanzwirtschaftlichen Aspekte passt auch der Blick auf die geplanten personalwirtschaftlichen Maßnahmen.

Im Vordergrund stehen dabei, zumindest in meiner Betrachtung, die Ressource mit dem politischen Wechsel an der Spitze, also grundsätzlich die Einzelpläne 04, 05 und 07. Da man hier in der kurzen Zeit aber nicht alles darstellen und vorher auch analysieren kann, nehme ich exemplarisch den Einzelplan 05. Hier ist das Wirken des neuen Koalitionspartners der CDU besonders eindrucksvoll zu studieren – schließlich hat ja der langjährige Partei- und Fraktionsvorsitzende der FDP die Gesamtverantwortung.

Meine Damen und Herren, das Urteil als Ergebnis der Betrachtung der Stellenpläne fällt ebenso knapp wie eindeutig aus: Maßlosigkeit jenseits aller sachlichen Erfordernisse. Das scheint der Finanzminister ähnlich zu sehen, denn er hat vorhin bei seinem Vortrag im Justizbereich beim Einzelplan 05 zwar über den engeren Justizsektor gesprochen, aber weder über die Themen Europa noch Integration. Darüber spreche ich jetzt.

Zuruf des Ministers Karlheinz Weimar (CDU))

Zunächst musste eine zweite Staatssekretärsstelle geschaffen werden, die jährlich allein knapp 160.000 Euro kostet, ohne die zusätzlichen Kosten der Entourage, die man noch dazurechnen müsste.

Meine Damen und Herren, der Grund für diese Mehrausgaben liegt gewiss nicht in der qualitativen Verbesserung der hessischen Europapolitik. Es ging vielleicht noch um Koalitionsarithmetik, weil sich die CDU bei den Verhandlungen dieses Mal offensichtlich mehrfach schwer verrechnete, es ging wohl vor allen Dingen um den inneren Frieden in der FDP-Fraktion. Die Herren wollten dort lieber unter sich sein, zumindest hätten sie eine permanente Auseinandersetzung über die Frage, warum eine Dame etwas geworden ist, die andere aber nicht, auf Dauer kaum ertragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Judith Lannert (CDU): Was reden Sie da eigentlich? Das ist am Thema vorbei!)

So nahm man die Kosten auf die leichte Schulter. Hauptsache man konnte am Ende einen Zickenkrieg vermeiden und seine Ruhe sichern. Schließlich zahlt dies ja großzügig der Steuerzahler.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Meine Damen und Herren, so etwas gab es in der Politik schon öfter. Das trägt allerdings nicht zur Popularität von Politik bei. Völlig inakzeptabel ist aber die Art und Weise, wie das so wichtige Thema Integration als politische Aufgabe von der Koalition bereits kaputtgemacht wurde, bevor auch nur ein einziger neuer inhaltlicher Impuls gesetzt werden konnte.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Walter Arnold (CDU))

Ich will hier gar nicht der Frage nachgehen, warum ausgerechnet das Justizministerium als geeignet angesehen wurde, sich um diesen viel zu lange vernachlässigten Bereich zu kümmern. Aber ich trage Ihnen einige interessante Daten vor. Aus dem Bereich des früheren Sozialministeriums sind Fördermittel – –

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Walter Arnold (CDU))

– Herr Dr. Arnold, wir sind mitten im Haushalt. – Aus dem Bereich des früheren Sozialministeriums sind Fördermittel in Höhe von rund 1.085 Tausend Euro, also 1,08 Millionen Euro, und aus dem Bereich des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung sind rund 60.000 Euro in das neue Ministerium übertragen worden. Hinzu kommen fünf Planstellen für Beamte aus dem Sozialministerium. Neu geschaffen werden aber insgesamt zwölf Planstellen für Beamte, beginnend mit der Stelle für einen Ministerialdirigenten und dann die Leiter runter. Die zusätzlichen Kosten allein dieser neuen Planstellen betragen nach der aktuellen Veranschlagungstabelle mehr als 1,08 Millionen Euro, also bereits deutlich mehr, als an Fördermitteln aus dem Sozialbereich für die Aufgaben der Integration insgesamt zur Verfügung stehen. Hinzu kommen noch einmal die Kosten der umgesetzten Stellen. Das sind auch 445.000 Euro im Jahr. Die Kosten der Sonstigen, der Angestellten habe ich jetzt gar nicht mitbewertet, diese dürfen Sie dann noch gerne hinzurechnen.

Meine Damen und Herren, es wird doch deutlich, dass das Thema Integration vor allem verwaltet, aber nicht gestaltet werden soll, weil eine Anhebung etwa der Sach- und Fördermittel im Haushalt nicht zu finden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Meine Damen und Herren, wer so, wie an diesem Beispiel gezeigt, mit dem Thema Integration umgeht, der sollte es lieber lassen. Wir brauchen an erster Stelle keine neuen hochdotierten Beamtenstellen – für Parteigänger der FDP im Justizministerium gleich im Dutzend –, sondern wir brauchen einen Perspektivwechsel in der Integrationspolitik, eine Partizipation von Menschenorganisationen aus dem Migrationsbereich und mehr Möglichkeiten für die Förderung von Initiativen und Dialogen. Das ist es, was wir brauchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten auch die fachpolitische Debatte an anderer Stelle führen. Ich will Ihnen aber mit Nachdruck zu bedenken geben, dass Sie mit dieser Vorgehensweise der Integration als Aufgabe für Hessen mehr schaden als nutzen werden.

(Minister Karlheinz Weimar: Ah!)

Deswegen mein Appell: Sie könnten es noch korrigieren. Meine Damen und Herren, überhaupt gibt der Haushalt in allen Einzelplänen das wieder, was auch schon aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vor gut zwei Monaten zäh heraustropfte: Unambitioniertheit überall, trostlose Langeweile, immer öfter Versorgungsmentalität für die eigenen Parteigänger, statt Aufbruch zu neuen Ufern. Wenn man das mit den Wahlprogrammen vergleicht, dann kann man sich nur noch wundern. Wie propagierte die SPD doch einst? – „Unser Wort gilt!“

(Zurufe des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und der Abg. Judith Lannert (CDU))

Unter genau diesem Slogan und dem Bild des Kollegen Krüger lesen wir in dem Programmabschnitt mit der Überschrift „Verantwortliche Haushaltspolitik“ – ich zitiere –:

Wir dürfen nicht auf Kosten unserer Kinder leben, indem wir ihnen unsere Schulden hinterlassen. Das bedeutet für die hessische Haushaltspolitik erstens: Verlässlichkeit; die Ausgaben richten sich nach den Einnahmen. Zweitens: Nachhaltigkeit; die Nettoneuverschuldung wird gestoppt, und zwar möglichst ab dem Jahr 2011. Drittens: Zielgenauigkeit; die Kernaufgaben des Landes werden definiert und eingegrenzt.

Meine Damen und Herren, wenn bei der FDP das Wort tatsächlich noch gilt, dann können wir uns ja gemeinsam auf viele spannende Regierungsanträge zu diesem Haushaltsentwurf freuen. Dann wird die weimarsche Vorlage so nicht bleiben können, wie sie ist. Denn dieser Haushalt 2009 ist für die FDP und ihre Versprechen die Nagelprobe dessen, was jetzt wirklich gilt.

Meine Herren von der FDP, ich rate Ihnen – ich habe ja auch schon ein bisschen politische Erfahrung –: Halten Sie Wort. Ich sage Ihnen, im Sinne Ihrer eigenen so von Ihnen genannten verantwortlichen Haushaltspolitik können Sie mit Karlheinz Weimar und der CDU nicht rechnen. Aber wenn Sie wirklich Wort halten wollen, dann mit uns. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann.