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27.01.2010

Frank Kaufmann zum Bericht des Landesschuldenausschusses

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht des Landesschuldenausschusses ist nach dem Gesetz natürlich ein Bericht, der sich primär mit der administrativen Abwicklung dessen befasst, was die Landtagsmehrheit als Haushaltsgesetzgeber der Landesregierung in den vergangenen Jahren an Kreditaufnahmen erlaubt hat.

Diese Aufgabe ist übrigens in einem der ältesten, heute noch unverändert geltenden Gesetze des Landes beschrieben – was auch ein Hinweis darauf ist, dass Schulden vom Land schon immer gern und leider auch reichlich gemacht wurden. Aber darauf komme ich noch.

Der Kollege Milde hat darauf hingewiesen: Formal ist das Berichtsjahr dieser Prüfung das Jahr 2007, mit dem sich der Landesschuldenausschuss befasst hat. Zugleich aber haben wir in der Sitzung des Ausschusses, wie es auch vorgesehen ist, einen Bericht des Finanzministers über den Verlauf der Kreditvorgänge des Jahres 2008 mitberaten, sodass es naheliegt, die Entwicklung der Verschuldung des Landes insgesamt einer kritischen Würdigung zu unterziehen.

Es kommt Folgendes hinzu: Erinnern Sie sich bitte, dass nahezu zeitgleich mit der Beratung im Landesschuldenausschuss im letzten Jahr auf Bundesebene die Debatte geführt wurde, die mit der Einfügung der Schuldenbremse ins Grundgesetz, Art. 109, 109a und 115, endete.

Auch dies, denke ich, gehört zum Thema ebenso dazu wie die schließlich im November vergangenen Jahres vorgelegte Eröffnungsbilanz des Landes, die uns erstmals einen kompakten Blick auf die Vermögens- und damit auch auf die Verschuldenslage des Landes ermöglicht.

Meine Damen und Herren, bevor ich mich damit näher befasse, möchte ich es aber nicht versäumen – auch wenn es Herr Kollege Milde schon getan hat; ich denke, das muss man selbstverständlich auch selbst tun dürfen –, zum formalen Teil der Arbeit des Landesschuldenausschusses den Dank abzustatten. Er gilt dem Präsidenten Herrn Prof. Eibelshäuser; geben Sie ihn bitte auch an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Rechnungshof weiter. Er gilt natürlich auch denjenigen, die im Finanzministerium die Schuldenverwaltung betreiben.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, Herr Weimar, Herr Dr. Schäfer, in Ihre Richtung und in die Ihrer Mitarbeiter gesprochen: Die Prüfung stellt Ihnen ein tadelloses Zeugnis aus, denn die wenigen Punkte, die nach Verbesserung heischen, liegen eher im Verantwortungsbereich anderer und nicht primär im Finanzministerium. Das ist hier festzustellen, und daran ist auch nichts abzustreichen.

(Zuruf des Abg. Frank Lortz (CDU))

Meine Damen und Herren, man kann zusammengefasst feststellen: Die Schulden des Landes werden in Hessen effektiv und korrekt verwaltet. Für diese, in den letzten Jahren deutlich gewachsene Aufgabe sei allen Beteiligten gesagt: herzlichen Dank für Ihr Engagement und Ihre Leistung.

Aber jetzt komme ich natürlich noch – Herr Kollege Milde wartet schon darauf – zur politischen Würdigung, dem ungleich wichtigeren Teil beim Thema Landesschuld:

(Zuruf des Abg. Frank Lortz (CDU))

die Entwicklung der Kreditaufnahmen der vergangenen Jahre und die Perspektive für die Zukunft, und zwar auch für einen Zeitraum, der über die mittelfristige Finanzplanung hinausgeht, also auch über das Jahr 2013 hinaus.

Meine Damen und Herren, der in den letzten 15 Jahren angewachsene Schuldenberg – ich nehme jetzt den Finanzplanungszeitraum hinzu – ist auf dieser Grafik zu sehen. Diese kennen Sie schon aus der Haushaltsdebatte. Ich habe den Schuldenberg hier rot gekennzeichnet, weil rot, wie Sie wissen, in der Buchhaltung die Farbe des Fehlbetrags ist.

(Zurufe der Abg. Norbert Schmitt (SPD) und  Frank Lortz (CDU))

Ich gebe zu, dass diese Darstellung natürlich nicht politisch korrekt ist, weil die Roten ebenso wie die Grünen für all diese Schulden, die Sie hier aufgemalt sehen, nichts können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Frank Lortz (CDU))

Es sind schwarze bzw. schwarz-gelbe Schulden, sodass es, wenn man es farblich richtig auftragen möchte, so aussehen müsste.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Bei aller berechtigten – –

Präsident Norbert Kartmann:

Herr Kollege Kaufmann, Sie müssten es mir eigentlich immer erst vorlegen, bevor Sie es zeigen.

Frank-Peter Kaufmann:

Bitte sehr, aber vor allem diese Seite, Herr Präsident.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, bei aller berechtigten Empörung über die Verantwortlichen für dieses Schuldendesaster darf aber ein besonders kritischer Aspekt nicht übersehen werden, und das ist der Wachstumstrend dieser Verschuldenskurve, die insbesondere auch durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf Bundesebene noch verstärkt wurde. Wir wissen ja, dass der Name „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ offensichtlich genau daher kommt, dass die Schulden beschleunigt wachsen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn sich dieser Trend so wie bislang fortsetzt, haben wir bis zum Jahr 2020 – dem Beginn des Neuverschuldungsverbots für die Länder – locker das Vierfache des jährlichen Volumens des Landeshaushalts an Schulden, über das wir gerade für das Jahr 2007geredet haben. Von den daraus resultierenden Zins- und Tildungslasten gar nicht zu reden. Mit anderen Worten: Die heutige Debatte über den Bericht des Landesschuldenausschusses ist eine wichtige Gelegenheit, dringend einen Kurswechsel in der Finanzpolitik anzumahnen.

Herr Finanzminister, so wie bislang kann und darf es nicht weitergehen. Wer nachhaltig denkt, der verabscheut das berüchtigte Motto: „Après nous le déluge!“. Das heißt zu Deutsch: „Nach uns die Sintflut!“ Und er lehnt es ebenso ab, die Schuldenbremse durch eine Abwrackprämie des gesellschaftlichen Zusammenhangs zu finanzieren, wie es auf dieser Seite des Hauses immer wieder anklingt.

Meine Damen und Herren, wir GRÜNE haben Ihnen – und damit meine ich alle Fraktionen, auch die Landesregierung – gestern ein erstes Konzept zur Umsetzung der Schuldenbremse präsentiert, denn wir halten den Beginn der Debatte über eine wirksame Haushaltskonsolidierung jetzt für erforderlich. Wir laden alle politischen Kräfte zu dieser Debatte herzlich ein. Wir sollten jetzt damit beginnen, denn ein weiter so mit dem Schuldenmachen bis ultimo wäre nicht verantwortbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dabei wollen wir GRÜNE möglichst einen breiten politischen Konsens über den finanzwirtschaftlichen Kurs der kommenden Jahre erreichen, denn die Umsetzung der Schuldenbremse ist eine staatspolitische Aufgabe, die über eine Legislaturperiode hinausgeht. Nehmen Sie die heutige Debatte über den Bericht des Landesschuldenausschusses also zum Anlass, den Startschuss für ein gewiss nicht einfaches, aber notwendiges Verfahren zu geben, um die Anforderungen der Gesellschaft und die Leistungsfähigkeit des Staates in ein schuldenfreies Gleichgewicht zu bringen. Je eher wir damit anfangen, umso besser für uns und unsere Kinder und Enkel. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)