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02.03.2011

Frank Kaufmann: Schuldenbremse in die Hessische Verfassung aufnehmen

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 3. November letzten Jahres bei der Anhörung des Landtags zum Gesetzentwurf über die Aufnahme der Schuldenbremse in die Hessische Verfassung unterstrichen mehrere Wissenschaftler – das war übrigens hier in diesem Saal –, dass eine vernünftige Finanzpolitik keine Schuldenbremse nötig habe. Da es in der Tat keinen Rechtssatz gibt, demzufolge das Schuldenmachen den öffentlichen Händen vorgeschrieben wäre, ist das verfassungsmäßige Verbot der Neuverschuldung vor allem ein Eingeständnis der Politik, über Jahrzehnte hinweg Finanzwirtschaft bar hinreichender Vernunft gemacht zu haben. Deshalb stellt sich auch die Frage, warum ausgerechnet jetzt mit der neuen Formulierung in der Verfassung die finanzpolitische Verantwortung aufblühen sollte.

Man muss sich gewiss darüber klar werden, dass die Politik auf allen Ebenen ehrlicher werden muss. Man muss nämlich die Maßnahmen, die durchgeführt werden, auch finanzieren. Bislang hat die Politik oft und gerne den Eindruck erweckt, dass der Staat Leistungen erbringen kann, ohne dass dafür bezahlt werden müsste. Das daraus entstandene Dilemma, nicht genug Geld für vermeintliche Notwendigkeiten oder für Wünsche zu haben, wurde einfach durch Verschiebung der Bezahlung auf später gelöst. Es wurde also durch Kreditfinanzierung gelöst.

Anstatt die Einnahmen bedarfsgerecht zu gestalten, also für auskömmliche Steuern und Abgaben zu sorgen, wurde das Schuldenmachen zur Geldquelle Nummer eins für die Länder gemacht. Denn über deren Höhe konnten und können sie immer noch selbst entscheiden.

Jetzt endlich wurde die Erkenntnis weitgehend zum politischen Konsens, dass sich die öffentlichen Hände nicht immer weiter verschulden können. Wir GRÜNE sind sehr dankbar dafür, dass damit eine unserer Kerngedanken, nämlich die Nachhaltigkeit, nun bei den anderen Parteien auch im Rahmen der Finanzpolitik Sympathie gefunden hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verehrter Herr Kollege Milde, eines muss man allerdings schon anmerken. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass ausgerechnet die größten Schuldenmacher in der hessischen Geschichte jetzt am lautesten danach rufen, ihnen jetzt doch endlich Handschellen anzulegen und ihnen ihre Handlungen strikt zu verbieten. Wir GRÜNEN haben die unverantwortliche Schuldenmacherei unter der Verantwortung des langjährigen Finanzministers Karlheinz Weimar in den letzten Jahren immer wieder in diesem Hause angeprangert. Daran werden Sie sich noch erinnern.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Doch unabhängig von den Fehlern und Sünden der Regierungsmehrheit bleibt das Ziel richtig, nämlich dass das Land nicht immer mehr Schulden machen darf, um seine Aufgaben zu erfüllen. Hessen braucht vielmehr genügend Steuereinnahmen vor allem von den Vermögenden, anstatt sich bei ihnen das Geld für hohe Zinsen pumpen zu müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir alle hier im Landtag haben uns über die Grenze zwischen der Regierungsmehrheit und der Opposition hinweg auf den Text und die Erläuterung für die Verfassungsänderung zur Aufnahme der Schuldenbremse verständigt. Wir GRÜNE stehen dazu. Denn damit wird das Prinzip der Nachhaltigkeit auch in der Finanzpolitik ein deutliches Stück vorangebracht werden.

Im Gegensatz zu manch anderer Meinung hier im Saal sehen wir mit der Schuldenbremse nämlich den klaren Auftrag an den Gesetzgeber ebenso wie an die Landesregierung, für auskömmliche Einnahmen des Landes und seiner Kommunen zu sorgen. Diese Verpflichtung steht für uns im Vordergrund, wenn wir sagen: Ja zur Schuldenbremse heißt Ja zur auskömmlichen und gerechten Finanzierung des Staates. – Das sage ich gerade auch in Richtung meines Vorredners, der meinte, die Ausgabenotwendigkeiten des Staates an dem orientieren zu müssen, was vorhanden ist.

Herr Kollege Milde, Schuldenbremse heißt nicht – um es noch einmal für alle klar und verständlich zu sagen – alles kaputt zu sparen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Schuldenbremse heißt: Eine ehrliche Einnahmenpolitik, orientiert an den Aufgaben des Staats, die wir alle erfüllt sehen wollen. Deswegen ist das Ja zur Schuldenbremse das Gegenteil eines Freibriefs zum Sozialabbau. Es ist vielmehr die Aufforderung, endlich die Ungerechtigkeit in der Steuer- und Abgabenpolitik zu beseitigen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.