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25.03.2015

Frank Kaufmann: Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es sich, wenn man über die Zukunft der Region Frankfurt/Rhein-Main reden will, wirklich lohnt, auf den üblen Brei von Vorurteilen und die Mäkeleien meines Vorredners vertieft einzugehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Weiß, ein Hinweis sei aber gestattet: Ihr Zitat ist vorsätzlich falsch eingeordnet. Es bezieht sich auf das Plädoyer für die Einführung von Großkreisen in Hessen und auf das Plädoyer für eine Änderung der Verfasstheit, die die Oberbürgermeisterrunde vorgeschlagen hatte.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Antwort darauf ist in der Tat: Das haben wir in der Regierungskoalition nicht vereinbart, und das haben wir auch nicht vor. Ich füge hinzu: Das ist auch gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Region Frankfurt/Rhein-Main ist laut und lebendig, trendy und krass, hip und abgefahren, supergeil oder cool – je nach Alter und Lebensart der Urteilenden. Bei den älteren Menschen gilt sie wahrscheinlich eher als laut, hektisch und nervig; ganz gewiss ist sie jedoch stets international und bunt in der Wahrnehmung. Einen Stillstand gibt es nicht. Deshalb findet diesen Landschafts- und Lebensraum auch niemand langweilig oder gar zurückgeblieben. Schließlich dreht sich hier ein Perpetuum mobile der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung in und für Deutschland und Europa, das durch die Menschen, die schon hier leben, oder durch die, die hierherkommen, immer wieder angetrieben wird.

Meine Damen und Herren, diese positive Bewertung der Region stelle ich an den Anfang meiner Ausführungen, weil es überhaupt nicht richtig ist – so, wie es mein Kollege Vorredner machen zu müssen meinte –, nur Trübsal und Sorgen zu verbreiten, Probleme aufzulisten und so zu tun, als ob die Region Frankfurt/Rhein-Main kurz vor dem Untergang stünde. Das Gegenteil ist richtig. Sie ist eine sehr starke, international anerkannte Region, und es gilt, diese Vorzüge weiterzuentwickeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Natürlich hat die Region Frankfurt/Rhein-Main nicht nur Pluspunkte zu verzeichnen, sondern sie hat auch Bedarf an Problemlösungen. In früheren Zeiten war das übrigens genauso. Aber genau deshalb kann man bei der Betrachtung der Probleme nicht ohne Zufriedenheit darauf verweisen, dass sie in der Vergangenheit regelmäßig bewältigt wurden, und dies geschah, ohne dass es je eine perfekte, einheitliche Organisationsform der Region – die berühmte umfassende, ja ultimative Verfasstheit – gegeben hätte.

Ich unterstreiche diese Feststellung auch deshalb, weil in der zurzeit laufenden Debatte über die Weiterentwicklung der Region die Frage der Verfasstheit einmal wieder an prominenter Stelle thematisiert wird und dabei sich bietende Chancen gern übersehen werden. Dies geschieht, obwohl es die Regionalpolitikerinnen und -politiker eigentlich besser wissen müssten: Solche Debatten verlaufen in der Regel ergebnislos.

Meine Damen und Herren, ich will festhalten, dass, was diese Debatten betrifft, zwar auch wir GRÜNE eine intensive Vergangenheit haben, wir aber das Thema „Verfasstheit der Region“ – Stichworte: Regionalkreis, Region – längst hinter uns gelassen haben. Wir erachten sie nicht mehr als vordringlich und widmen uns lieber den wirklich relevanten regionalpolitischen Aufgaben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Strukturdebatten, mit denen gerade wieder begonnen wird, sind wirklich überflüssig. Da haben Sie das Problem der Abgrenzung der Region oder auch die jetzt aufkommende Forderung nach einem Staatsvertrag zwischen den Ländern, in dem vermeintliche Gemeinsamkeiten festgeschrieben werden sollen, obwohl diese überhaupt noch nicht gelebt worden sind. Debatten über die Schaffung neuer Strukturen sind wie schwarze Löcher im Weltall: Sie saugen alle Energie auf, ohne jemals etwas zurückzugeben.

(Zuruf von der SPD)

Deshalb sollten wir das unterlassen, zumindest solange wir in der Sache tatsächlich etwas erreichen wollen.

Meine Damen und Herren, gemäß der grünen Grundphilosophie „Ermöglichen statt verordnen“ liegt unser Hauptaugenmerk bei der Weiterentwicklung der Region Frankfurt/Rhein-Main deshalb auf dem Feld der einzelnen Initiative und der dem Thema angemessenen und entsprechend zugeschnittenen Organisationsform, die die Beteiligten für sich wählen. Ich erinnere daran, dass z. B. die Aufstellung zweier sehr erfolgreicher Organisationen zur Problemlösung im Rhein-Main-Gebiet aus guten Gründen höchst unterschiedlich ist und auch sein muss.

Meine Beispiele sind die RMA, die Rhein-Main Abfall GmbH, und der RMV, der Rhein-Main-Verkehrsverbund. Beide sind sehr schöne Beispiele für gute Problemlösungen. Aus stagnierenden, ja rückläufigen Passagierzahlen in Bussen und Bahnen beim seinerzeitigen FVV wurde innerhalb von 20 Jahren eine steigende Nachfrage: werktäglich 2,5 Millionen Fahrgäste. Aus einem Notstand, der durch Mülltourismus und eine erzwungene Deponiesuche gekennzeichnet war, konnte eine vollständig entspannte und umweltschonende Abfallverwertung in der Region entwickelt werden. Das sind zwei echte Erfolgsmodelle für die Region.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Solche Erfolgsbilanzen haben auch etliche weitere Aufgabenerfüllungen vorzuweisen. Als entscheidend erweist sich dabei stets, dass die Lösung eines gemeinsam erkannten Problems freiwillig, also im Einvernehmen der Beteiligten, erarbeitet und umgesetzt wird. Dies gilt insbesondere deshalb, weil für sehr vieles das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, ihre Kreativität und ihr Fleiß von ausschlaggebender Bedeutung sind.

Genau dies kann man nicht fördern, wenn man als Erstes eine bestimmte Organisationsform von oben verordnet. Ich hoffe, dass das auch die Sozialdemokraten irgendwann lernen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Genau aus diesem Grund unterstreicht der vorliegende Antrag von CDU und GRÜNEN das Prinzip der Freiwilligkeit bei der interkommunalen Zusammenarbeit. Das gilt insbesondere auch für regional bedeutsame Aufgabenfelder. Wir wollen den Akteuren den Raum für zielgerichtete Eigenaktivitäten geben und seitens der Politik Initiativen anstoßen und an Prozessen fördernd mitwirken. Dabei können wir auf sehr guten Grundlagen aufbauen. Die Region Frankfurt/Rhein-Main spielt auch im europäischen Kontext in der Champions League der Metropolregionen erfolgreich mit und bedarf deshalb keines umfassenden Unterstützungsansatzes, etwa nach den Kriterien der Regionalförderung für rückständige Gebiete.

Das sage ich, obwohl keineswegs zu leugnen ist, dass es auch in Frankfurt/Rhein-Main Probleme zu lösen gibt. Das sind allerdings überwiegend solche Probleme, von denen andere Regionen unseres Landes wünschen, es wären ihre. Dabei geht es vor allem um die Versorgung mit auch unter sozialem Blickwinkel angemessenem Wohnraum und um funktionierende Mobilität für die Menschen in der Region bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Anforderungen des Klimaschutzes im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklungsstrategie.

Mit dieser Definition der Aufgabe habe ich bereits eine mögliche Beschreibung des in dem vorliegenden Antrag genannten umsetzungsorientierten Projekts „Frankfurt/Rhein-Main 2020+“ gegeben. Es ist in der Tat eine Aufgabe ersten Ranges für die Region Frankfurt/Rhein-Main, auf diesem Feld zielgerichtet zukunftsweisende Lösungen zu erarbeiten.

Dafür ist es gut, dass wir uns im Landtag bereits in der Vergangenheit intensiv mit diesem Thema beschäftigt haben. Sie werden sich sicherlich noch an die engagierte Arbeit der IBA-Lenkungsgruppe erinnern, die im April 2009, also vor rund sechs Jahren, ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Ich bewerte sie offensichtlich sehr viel positiver, als mein Vorredner es gerade getan hat.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

In dem Abschlussbericht sind die Grundlagen und die Kriterien für die Umsetzung eines solchen Projekts bereits sehr gut beschrieben,

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

sodass ich eigentlich gehofft hatte, dass wir einen solchen Ansatz alsbald ergebnisorientiert fortführen können und uns nicht mit Fragen nach der vermeintlichen Urheberschaft – wie wir es eben gehört haben – aufhalten müssen.

Es gilt jetzt, alle Wohlmeinenden mitzunehmen und der erkennbaren Bereitschaft zu vermehrter Zusammenarbeit, die gerade auch von der Wirtschaft geäußert worden ist, unabhängig von politischen Grenzen eine Perspektive zu geben. Eine Internationale Bauausstellung kann durchaus das geeignete Format sein, um der Region Frankfurt/Rhein-Main einen weiteren Push für eine zukunftsfähige, nachhaltige, ökonomisch und ökologisch positive Weiterentwicklung zu geben, um Wohlstand und Lebensqualität in Vielfalt zu sichern. Genau das sollten wir machen.

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Kollege Kaufmann, bitte kommen Sie zum Schluss.

Frank-Peter Kaufmann:

Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.

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