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05.09.2012

Frank Kaufmann: Haushaltsplan des Landes Hessen für die Haushaltsjahre 2013 und 2014

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute zum dritten Mal eine Einbringungsrede von Finanzminister Dr. Schäfer gehört. Da es sich wegen des Wahltermins um einen Doppelhaushalt handelt, bin ich zumindest sehr zuversichtlich, dass es zugleich das letzte Mal war, das er dies als hessischer Finanzminister tun konnte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das ist schon deswegen gut so, weil Herr Minister Schäfer gern dadurch auf sich aufmerksam macht – das hat er auch heute wieder getan –, dass zwischen den Inhalten seiner Präsentation des Haushalts und dessen wirklichen Inhalt in der Tat Welten liegen. Damit hat er sich längst auf das sehr bescheidene Wahrheitsniveau seiner Kabinettskollegen begeben. Nicht die Konsolidierung, erst recht nicht die Sparsamkeit sind nämlich die Leitbilder dieses Zahlenwerks,

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

offensichtlich standen bei seiner Gestaltung ganz andere Ziele im Vordergrund.

Meine Damen und Herren, wenn man die Zielperspektive einer weniger verantwortlichen Haushaltswirtschaft hat, die sich dem Imperativ der Machterhaltung vollständig unterordnet, dann ist das natürlich nachvollziehbar. Dann steht der Ankauf von Wohlwollen der Wählerinnen und Wähler im Vordergrund des Landeshaushalts. Das versucht die Regierungsmehrheit erkennbar zu machen. Damit versucht sie ihre eigenen politischen Fehler der letzten Jahre zu überdecken, die sie wohl – das muss man zugestehen – jetzt auch erkannt hat. Bisher hatte sie nämlich, trotz diverser Vorhaltungen, die von der Opposition nicht zu knapp vorgetragen worden sind, ihre eigenen Fehler immer geleugnet. Wir haben es bis gestern immer wieder erleben dürfen.

Meine Damen und Herren, angesichts der Vielzahl der politischen schwarz-gelben Fehler – dabei rede ich nicht von den Kleinigkeiten, sondern von den gravierenden Fehlentscheidungen und ihren Konsequenzen – haben mittlerweile selbst die CDU-Granden erkannt, dass dadurch eine große Zahl jahrzehntelanger CDU-treuer Wählerinnen und Wähler nachhaltig vergrätzt wurde, die ihnen an der Wahlurne statt ihrer Stimme den Laufpass gegeben hat. Der Innenminister kann Ihnen dazu weitere Aufklärung geben.

Möglicherweise, das ist Ihre Sorge – das kann ich nachvollziehen –, fürchten Sie, dass es verstärkt so weitergehen könnte. Deswegen gibt es eine spürbare Unruhe, vielleicht sogar ungewohnte Hektik in den internen Debatten der CDU, in Partei und Fraktion.

Die einen sagen: Wir müssen jetzt ein konservatives Manifest verkünden. – Sie bekommen aber keine Druckerlaubnis dafür.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die anderen sagen, sie wollen sich im Gegensatz dazu lieber stärker sozialpolitisch profilieren. Damit stoßen sie bei ihrem Parteichef aber auf totale Verständnislosigkeit.

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie brauchen nicht ratlos zu schauen, ich gebe Ihnen gerne ein paar Beispiele, um Ihnen auf die Sprünge zu helfen, was Ihre Fehler in Hessen gewesen sind und womit Sie die Wählerinnen und Wähler verloren haben.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich nenne die bildungsinteressierten Eltern, die mit der von der CDU angezettelten G-8-Katastrophe verärgert wurden und immer noch verunsichert sind, wie sie den besten Bildungsweg für ihre Kinder finden können. Wir haben gestern einmal wieder die Ankündigung eines Herbstpakets von der Kultusministerin gehört.

Ich nenne weiterhin die vielen ordentlichen aber weniger betuchten Mieter, die mit der Drohung des Finanzministers verängstigt wurden, dass er ihre Mietwohnungen verkaufen will. Das müssen sie weiterhin fürchten.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Ich nenne weiterhin die betuchten Haus- oder Villenbesitzer, also Ihre Freunde,

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

denen die hessische CDU unerträglichen Fluglärm direkt über die Dächer gelenkt hat, und das 18 Stunden täglich das ganze Jahr über. Sie reagieren auf die Beschwichtigungsversuche des Fluglärmgipfels des Ministerpräsidenten lediglich allergisch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich nenne darüber hinaus – der Kollege Reif schüttelt immer noch den Kopf – die betongläubigen Fortschrittsbauer. Dazu würde ich Sie auch rechnen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Es handelt sich nämlich um eine Kernklientel der CDU, die, soweit sie nur – und das unterstelle ich Ihnen, Herr Kollege Reif, weil Sie keinen eingeschränkten provinziellen Denkradius haben – die andauernde und sinnlose Geldverbrennung in einem nordhessischen Ort namens Calden zutiefst empört.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich nenne weiterhin die Menschen in Mittel- und Oberhessen, die aktuell von den Brocken des einstürzenden Leuchtturms UKGM getroffen werden, sei es als Patientinnen und Patienten, sei es als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Herr Reif, hören Sie zu, ich nenne weiterhin die Manager und Führungskräfte, mit wirtschaftlichem Denken, die angesichts des stetigen Schuldenwachstums in Hessen längst genug von den schwarzen Löchern in der Staatskasse haben und damit hoffentlich – wenn ich Sie ansehe, muss ich hoffentlich sagen – von Ihrem historischen Irrtum kuriert sind, dem Irrglauben nämlich, dass die CDU gut mit Geld umgehen könnte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Schaue ich in die Mienen der Koalitionspolitiker, so wird es überdeutlich: Auch Sie selbst glauben doch angesichts dieser niederschmetternden Anhäufung von Fehlern nicht mehr daran, dass sich das Urteil der Wählerinnen und Wähler über Ihre Politik noch in Richtung Zustimmung und Wiederwahl verändern lässt, selbst mit noch so vielen Wahlgeschenken und sehr viel Geld.

10 Statt Ihre falsche Politik aber zu korrigieren, tun Sie nichts anderes – der Kollege Schmitt hat schon eine Reihe von Daten markiert –, als zu versuchen, die Folgen dieser Politik mit Bergen von Geld zuzudecken. Sie tun dies, wie leider schon gewohnt, auf Pump, mit geliehenem Geld – zulasten der Gestaltungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen.

Herr Finanzminister, warum glauben Sie eigentlich, dass angesichts der dargestellten Fakten und der nachlesbaren Haushaltsdaten Ihre längst ausgeleierte Konsolidierungsrhetorik noch verfängt? Wenn wir uns die Zahlen anschauen – das tun wir jetzt –, wird doch Folgendes deutlich. Im Jahr 2013 wollen der Finanzminister und die Regierungsmehrheit nach den vorgelegten Haushaltsdaten Mehreinnahmen in Höhe von 1068 Millionen € – in bereinigter Form – erzielen. Herr Kollege Reif, die Nettokreditaufnahme soll aber nur um 159 Millionen € sinken. Das heißt, 85 % dieser stattlichen Mehreinnahmen geben Sie unter anderem für Ihre Wahlgeschenke aus. Das kann man, selbst bei allerbestem Willen, nun wahrlich nicht „Konsolidierung“ nennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Herr Finanzminister, das ist so was von eindeutig die Fortsetzung des Verschuldungskurses.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Im zweiten Jahr des vorgelegten Doppelhaushalts sind es noch einmal 877 Millionen Euro Mehreinnahmen, von denen Sie wiederum nur 293 Millionen Euro – immerhin schon fast ein Drittel – zur Reduzierung der Neuverschuldung verwenden wollen. Die übrigen zwei Drittel dieser Mehreinnahmen gehen aber wieder für Mehrausgaben drauf. Schließlich wollen und müssen Sie die Wahlversprechen – zumindest im Jahr nach der Wahl – weiterhin finanzieren.

Meine Damen und Herren, betrachtet man die Daten der letzten Haushaltsjahre, also von 2011 bis 2014, für die Minister Schäfer in Planung und Vollzug verantwortlich zeichnet, so bestätigt sich das von mir gerade gezeichnete Bild eindeutig. Stets wurde nur ein Bruchteil der höheren Mehreinnahmen zur Verringerung der Neuverschuldung verwendet. Von einer Schuldentilgung war sowieso überhaupt keine Rede. Nein, es wurden zusätzliche Schulden gemacht, sogar in den Bereichen, wo für die notwendigen Ausgaben gar kein zusätzliches Geld benötigt wurde.

Der Hessische Rechnungshof hat, wie bei ihm üblich, in sehr moderater und feiner Form formuliert – aber mit einer klaren Missbilligung in seine Bemerkungen 2011 aufgenommen –, das in den Jahren 2010 und 2011 Kredite in Höhe von – hören Sie gut zu! – mehr als 1 Milliarde Euro aufgenommen worden, um sie unmittelbar der Rücklage zuzuführen. Ich darf den Rechnungshof zitieren:

Allein dadurch stieg der Schuldenstand bis Ende 2011 um insgesamt rund 1.028 Millionen Euro. Auf kreditfinanzierte Rücklagen sollte im Hinblick auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, soweit möglich, verzichtet werden.

Meine Damen und Herren, man kann diese Bemerkung des Rechnungshofs nicht missverstehen. Die Regierung Bouffier mit dem verantwortlichen Finanzminister Dr. Thomas Schäfer hat gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen – und zwar gleich in Milliardenhöhe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Minister, damit kommen wir auf den Punkt. Das, was Sie uns an Konsolidierungsrhetorik hier und heute wieder erzählt haben, ist nichts anderes als Gaukelei. Wenn Sie die nicht benötigten Mittel nicht als Kredite aufgenommen und in die Rücklage gesteckt, sondern die Neuverschuldung entsprechend niedriger gefahren hätten, dann wäre Ihr ganzer Abbaupfad zusammengebrochen,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

weil Sie nämlich nicht konsolidieren, weil Sie dann nämlich in den Folgejahren wieder Steigerungen bei den Kreditaufnahmen zu verzeichnen hätten, es sei denn, Sie hätten tatsächlich das gemacht, was uns der Kollege Noll immer so nett erzählt. Sie kennen den Satz.

(Zurufe von der SPD)

Die Rücklagen wurden angespart – das haben wir Ihnen schon im letzten und im vorletzten Jahr vorgehalten –, um sie für Wahlgeschenke ausgeben zu können. Wenn man sich die Rücklagenentnahmen, die für das Jahr 2013 und für die Folgejahre vorgesehen sind, anschaut, dann wird das klar bestätigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das ist unter dem Aspekt des Kaufs von Wählerstimmen offensichtlich eine ganz neue Form des Defizit-Spending.

Meine Damen und Herren, die Schuldenmacherei in der schäferschen Haushaltswirtschaft macht allerdings auch auf einen Zustand aufmerksam, der nicht übersehen werden sollte: das bereits über lange Zeit andauernde extrem niedrige Zinsniveau. Alle Kreditnehmer profitieren mehr oder weniger davon. Ganz intensiv freut sich natürlich der Finanzminister, der so vor rasch eintretenden Folgen seiner desaströsen Verschuldungspolitik bewahrt wird. Man höre und staune: Seit Jahren wächst die Verschuldung dramatisch, doch die Zinskosten steigen nicht. Im Gegenteil, die im Haushalt dafür vorgesehenen Mittel können regelmäßig als Deckung für andere Ausgabenwünsche herangezogen werden. An der Stelle spreche ich insbesondere den Möchtegern-Weltpolitiker an, unseren Justizminister, den besonders nervigen Dauernörgler an Griechenland und ebenso kompetenzfreien wie hartnäckigen Kritiker der Europäischen Zentralbank.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ist Ihnen eigentlich klar, dass diese unsere Zinsersparnis nicht unwesentlich der südeuropäischen Schuldenkrise zu verdanken ist? Wir Hessen sind – wie auch andere in Deutschland, liebe Grüße gehen dabei z. B. an den krachledernen Finanzminister des südlichen Nachbarn –, eindeutig die Profiteure dieser Krise, und zwar sowohl wegen unserer relativ guten Bonität als auch wegen des äußerst niedrigen Zinsniveaus.

(Zurufe von der CDU)

Das muss man sehr eindeutig markieren, und dann sollte man sich bei bestimmten Formen der Kritik eher etwas zurückhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, zunächst ist es für den Schuldner natürlich durchaus erfreulich, dass wachsende Schulden sinkende Zinsausgaben zur Folge haben. Dass dies aber eine verkehrte Welt beschreibt und daher dauerhaft nicht so bleiben wird, sollte ebenso klar sein. Deshalb müsste die günstige Situation des niedrigen Zinsaufwandes eigentlich Ansporn sein, Herr Finanzminister, die Schulden zu verringern und die so eingesparten Mittel tatsächlich zur Tilgung einzusetzen, statt mit dem Habitus „Was kostet die Welt?“ immer neue Schuldenberge anzuhäufen.

Deshalb muss man klar feststellen: Der Finanzminister als der zentral Verantwortliche versagt bei der Haushaltskonsolidierung kläglich. Da ist von Konsolidierung wahrlich nichts zu erkennen. Die hessische Finanzpolitik versinkt vielmehr im Treibsand des politischen Durcheinanders der schwarz-gelben Koalition. Die Regierung Bouffier hat, wie wir wissen, nichts erreicht, hat auch nichts mehr vor, und sie schafft es nicht einmal, eine Stabilisierung der Situation hinzubekommen. Es geht unaufhörlich weiter hinab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Sie versuchen, gute Stimmung zu machen – wie vor 100 Jahren auf der Titanic, Herr Kollege Reif.

(Lachen bei der CDU und der FDP)

Da fehlt zum ultimativen Schönreden wirklich nur noch der brutalstmögliche Desasterspezialist, Dirk Metz,

(Große Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

weltweit empfohlen von Stefan Mappus, Prof. Jahns und dem Bischof von Limburg,

(Große Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN

getreu dem metzschen Motto: Traue keiner Katastrophe ohne mich, denn ich bin sie selbst.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Jetzt ist es aber gut! – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, reagieren Sie nicht mit gespielter Empörung. Sie sollten sich lieber klarmachen, Herr Kollege Milde, dass ich genau Ihr Problem anspreche. Mit dem andauernden Widerspruch zwischen Reden und Handeln kommen Sie nämlich nicht mehr weiter.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Sie sollten sich dringend darum bemühen, dass beides wenigstens ein bisschen enger zusammenpasst, das heißt, dass Ihre politische Gesamtperformance etwas stringenter wird.

Das Beste wäre, Sie fangen gleich heute damit an. Ich hätte da auch einen Vorschlag zu machen, Herr Kollege Milde. Jahr für Jahr legt die Landesregierung gemäß den gesetzlichen Vorgaben zusammen mit dem Haushalt den Finanzplan für die kommenden Jahre vor. Davon war schon die Rede.

Dieser Plan wurde früher gern „Karlheinz‘ Märchenbuch“ genannt, nicht nur von den Sprechern der Opposition. Daran möchte ich Sie erinnern. Eigentlich sollte dieser Plan mittlerweile deutlich an Seriosität gewonnen haben. Schließlich leben wir in den Zeiten der Schuldenbremse und handeln unter den – hoffentlich – strengen Augen der Mitglieder des Stabilitätsrats.

Doch was stellen wir bei näherer Betrachtung des jetzt vorgelegten Plans der Landesregierung fest? Finanzminister Schäfer traut sich die von ihm so oft und so gern beschworene Konsolidierung – auch heute hat er das wieder bis zum Exzess vorgetragen – offensichtlich selbst nicht zu. Er verschiebt nämlich die in quantitativer Hinsicht relevanten Schritte auf die Zeit nach 2015 – d. h. er muss sie in den kommenden Haushalten nicht etatisieren – und rettet sich obendrein damit, die bei andauernder Konzeptionslosigkeit ach so beliebten globalen Mehreinnahmen bzw. die globalen Minderausgaben in den Plan aufzunehmen. Das heißt doch nichts anderes, als dass der Finanzminister in Wahrheit keinen Plan hat, wie er das Budget ins Gleichgewicht bringen will.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Alexander Noll (FDP))

Mit solch finanzpolitischer Ideenlosigkeit kann ein klarer und stringenter Konsolidierungskurs – Herr Kollege Noll, das muss ich Ihnen leider sagen – logischerweise nicht gefunden werden. Vielleicht steckt aber auch Absicht dahinter. Wenn dem so ist, besteht für die Koalition jetzt die ideale Gelegenheit, die von mir angesprochene stärkere Stringenz tatsächlich in die politische Performance einzubringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, geben Sie diesen Finanzplan an Ihre Regierung zurück, und verlangen Sie eine Überarbeitung gemäß § 50 Abs. 3 Haushaltsgrundsätzegesetz. Machen Sie als Vorgabe, dass in dem überarbeiteten Finanzplan tatsächlich wirksame Konsolidierungsmaßnahmen dargestellt und verbindlich geplant werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das könnte doch ein erster Schritt sein, um die Rhetorik des Finanzministers mit den dazu passenden Aktionen zu hinterlegen. Das wäre zwar etwas Neues, aber vielleicht auch etwas Gutes.

Meine Damen und Herren, da unter diesem Tagesordnungspunkt auch über den Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes beraten wird, kann das regierungsamtliche Trauerspiel bezüglich der Reform des Kommunalen Finanzausgleichs heute nicht völlig verschwiegen werden. Wir hatten – Sie erinnern sich – eine überparteiliche Mentorengruppe, die Vorschläge gemacht hat. Ihr folgte eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Kommunalen Spitzenverbände und der Fraktionen, ergänzt um eine Sherpa-Gruppe sowie begleitet von diversen Gutachten und sehr viel Arbeit – nicht zuletzt im Finanzministerium, wo über Monate hinweg Parameter, Rechenmodelle und Verteilungsschlüssel besprochen und getestet wurden.

Was nun? Nichts von alledem findet sich in dem Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, in den man es, wenn man etwas hätte ändern wollen, hätte hineinschreiben müssen.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Alle Gespräche und alle Diskussionen waren offensichtlich vergebens. Herr Kollege Milde, letztlich fehlen erkennbar der politische Wille und vielleicht auch der Mut, um die von allen geforderte überfällige Reform des Kommunalen Finanzausgleichs voranzubringen.

Herr Finanzminister, deswegen ist der jetzt vorgelegte Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes für Sie ein Dokument des Versagens. Haben Sie nicht ein bisschen mehr Schwung – das habe ich bisher eigentlich gedacht – und vielleicht auch etwas mehr von der notwendigen Zähigkeit, um etwas voranzubringen, von dem doch alle wissen, dass es nötig ist? Haben Sie tatsächlich schon endgültig aufgegeben? Der Kollege Milde behauptet das Gegenteil. Dann zeigen Sie es doch bitte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Damit sind wir einmal mehr – das ist ein Punkt, der leider immer markiert werden muss – bei den großmäuligen Ankündigungen dieser Regierung. Die überfällige Reform des Kommunalen Finanzausgleichs im eigenen Land gelingt Ihnen nicht. Aber über eine Reform des Länderfinanzausgleichs wird wieder einmal lautstark geredet. Sie wird gefordert, gern auch von Klageandrohungen und allem Möglichen.

Heute haben wir vom Finanzminister und vom Kollegen Noll eine neue Variante gehört. Ich habe mir das extra aufgeschrieben. Es geht nicht mehr um Steuererhöhungen – für die FDP wäre diese Bezeichnung zu traurig und zu peinlich –, sondern um die „Korrektur negativer Normierungseffekte“.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Kollege Noll, Sie haben noch versucht, es damit zu begründen, dass das Maß jetzt voll ist. Darf ich Ihnen sagen, dass es sich nach dem Papier mit der Überschrift „Die Schmerzgrenze ist überschritten“, das der Finanzminister selbst öffentlich verteilt hat, bei dem Effekt, den Sie beschrieben haben, im laufenden Jahr 2012 um einen Betrag von 75 Millionen Euro handelt? Im Jahr 2013 werden es, ohne etwas zu machen, 77 Millionen Euro sein. Das heißt, bei Ihnen ist die Schmerzgrenze die Differenz zwischen 75 und 77 Millionen Euro. Da kann man doch nur lachen. Das ist doch nicht der Grund.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Offensichtlich hat es so lange gedauert, bis die FDP nicht mehr anders konnte, als einer Steuererhöhung zuzustimmen und damit in den Blick der Öffentlichkeit zu geraten. Aber machen Sie sich nichts daraus, Herr Noll.

(Zuruf des Abg. Alexander Noll (FDP))

Die FDP ist immer nur in der Steuerverminderungs- und Steuererhöhungsablehnungsrhetorik gut. Sie wissen, Sie waren – mit Ausnahme einer einzigen – bei allen Mehrwertsteuererhöhungen in der Geschichte der Bundesrepublik dabei. In der Regel sind Sie bei Steuererhöhungen dabei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Zum Beispiel waren die Einkommensteuern in früheren Zeiten, wenn Sie regiert haben, deutlich höher, als es bei Rot-Grün der Fall war. Das sind alles Fakten. Das brauchen wir hier nicht zu vertiefen.

Vizepräsident Lothar Quanz: 

Herr Kaufmann, kommen Sie bitte zum Schluss.

Frank-Peter Kaufmann: 

Ich komme zum Schluss. – Man muss es am Ende einer Haushaltsrede ansprechen: Noch bis 2014 müssen die Hessinnen und Hessen dieses finanzpolitische Gewurschtel und Durcheinander ertragen, das gerade noch einmal vorgeführt wurde. Meine Damen und Herren, es tut mir leid, doch der alte gute Spruch aus der Ära Weimar ist leider immer noch gültig – ich zitiere –: Solide und transparent, wahr und klar, wie Haushaltswirtschaft zu sein hat, ist das nicht, sondern sprunghaft, windig, wirr, unüberlegt und nicht ganz seriös.

Herr Staatsminister Schäfer, leider ist das auch bei Ihnen so. Sie setzen das ungebrochen fort. Das ist nicht gut für unser Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz: 

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann.