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16.07.2014

Frank Kaufmann: Haushaltsgesetz 2013/2014

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Nachtragshaushalt 2014 ist der erste Haushalt seit vielen Jahren – es ist der erste überhaupt in Hessen –, der von einer Koalition von Schwarz-Grün, also von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, verantwortet wird. Ich freue mich darüber und zeige dies auch durch ein kleines Accessoire an der Kleidung, denn für mich ist dieser Nachtragshaushalt ein stiller Star.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg.  Janine Wissler (DIE LINKE))

Er ist vielleicht unscheinbar, aber er ist ein Paradigmenwechsel in der Haushaltspolitik, und dazu stehen wir.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben eine neue Regierung, die erstmals in ihrem ersten Haushalt keine Mehrausgaben, sondern eine Reduzierung des Haushaltsvolumens um 500 Millionen Euro – eine ganze halbe Milliarde Euro – zustande gebracht hat. Das ist ein klarer Kompass für den Konsolidierungspfad nach der Schuldenbremse, die wir in der Verfassung stehen haben und zu der wir ein Ausführungsgesetz haben.

Das Volumen des Haushalts für das Jahr 2014 wird von 32,1 auf 31,6 Milliarden Euro reduziert. Wenn das nicht der richtige Weg zur Konsolidierung ist, dann weiß ich nicht, was Sie meinen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, wenn Sie das Wort Konsolidierung in den Mund nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben, das ist schon mehrfach diskutiert worden, keine neuen Stellen, trotz Regierungswechsels, geschaffen. Wir haben stattdessen eine Fortsetzung des Stellenabbaus und wir haben, wie schon gesagt, eine Reduzierung der Nettoneuverschuldung unter 1 Milliarde Euro.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kritik daran ist: Das musstet Ihr sowieso machen. – Das ist von der Sache her falsch, zudem verstehe ich das als Bestätigung unseres Kurses, Stichwort: Ein stiller Star – Sie haben es nur noch nicht gemerkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Der Regierungsentwurf enthält den neuen Ressortzuschnitt, eine neue Zuordnung der Budgets, die Ausstattung der Regierung aus dem Stellenbestand. Die Opposition hat dagegen nichts Konkretes vorzutragen, keine Anträge, aber ich nenne es einmal so: ein bisschen verbales Gemaule.

Der Regierungsentwurf enthält 60 Millionen € mehr für die Flüchtlingsproblematik. Das ist eben von den verschiedenen Rednern sehr breit diskutiert worden. Aus allen Diskussionsbeiträgen ergab sich einheitlich, dass für das Jahr 2014  60 Millionen Euro mehr gebraucht werden. Genau diese 60 Millionen Euro stellt der Nachtrag zur Verfügung.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Falsch! – Weitere Zurufe von der SPD)

Der Streit darüber geht insbesondere in die Richtung, so wurde es auch vom Kollegen Hahn formuliert, dass Leistungen der letzten Jahre unzureichend gewesen seien und sich damit ein Defizit aufgestaut hätte. Das ist z. B. auch die Behauptung des Landkreistages. Dass diese Behauptung im Raum steht, ist völlig unbestritten. Gleichermaßen ist auch Fakt, dass nicht nur über die Höhe dieser Beträge, sondern auch über die Verteilungswirkung gestritten wird. Kollege Hahn müsste uns sonst nicht berichten, dass seine Heimatstadt, die Stadt Bad Vilbel, mit dem ihr zugehörigen Wetteraukreis mit der Frage vor Gericht zieht, wie die Mittel verteilt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sofortmaßnahme, die für einen Nachtrag notwendig ist, nämlich das jetzt gebrauchte Geld zur Verfügung zu stellen, das tun wir. Die Frage ist noch ungeklärt, wie hoch die Nachforderungsbeträge exakt sein werden. Dazu stellen wir jetzt vorab kein Geld zur Verfügung. Das ist richtig. Wir möchten zunächst die Frage geklärt haben.

Wie Sie wissen, haben sowohl der Finanz- als auch der Innenminister und andere mehr schon angekündigt, dass uns allen klar ist, dass mit diesem Schritt im Nachtragshaushalt nicht das letzte Wort gesprochen worden sein kann. Zum einen entwickeln sich die Flüchtlingszahlen nach Lage der Dinge weiter und zum anderen ist die Frage, wie die Vergangenheit zu bewerten ist, noch zu klären. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es tut mir leid, für diesen jetzt zu entscheidenden Nachtragshaushalt gehen Ihre Anträge in die falsche Richtung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, der Regierungsentwurf enthält obendrein 10 Millionen Euro mehr für die Inklusion. Daran gab es von niemandem Kritik, es scheinen alle zufrieden zu sein. Der Regierungsentwurf enthält weiterhin haushaltswirtschaftliche Korrekturen, überwiegend ohne politische Relevanz: keine Kritik von der Opposition.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, Ihre Kritik am Haushalt bezieht sich außer dem üblichen Topfschlagen nur auf die Flüchtlingspolitik. Wir haben, um den aktuellen Bedarf zu befriedigen, ich sagte es bereits, die Mittel verdoppelt, von 60 Millionen Euro auf 120 Millionen Euro. Sie wollen sie, das ist der Streitpunkt, im Wesentlichen verdreifachen um weitere 60 Millionen Euro. Die Anträge dazu liegen vor. Meine Damen und Herren, das mag der Streitpunkt sein. Wir werden aber als Regierungsverantwortliche die Flüchtlingsproblematik weiter im Auge behalten, und wir sind auch mit den Kommunen in vielen finanziellen Fragen in Diskussion. Es ist völlig klar, dass dieses Thema weiter behandelt werden wird.

Ich bin sehr dankbar, dass Kollege Hahn ein sehr deutliches Wort gegen die Komplettgarantie aller Ausgaben in diesem Zusammenhang gesagt hat. Das ist in der Tat richtig. Ich selbst kann mich aus meiner kommunalen Verantwortung noch an eine gewisse Goldgräberstimmung zu Beginn der Neunzigerjahre erinnern, die im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen stand. Verehrter Kollege van Ooyen, das können wir nicht wieder haben wollen. Insofern ist das, was Sie vorschlagen, leider völlig daneben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt will ich mich mit den sonstigen Anträgen der Opposition befassen. Da geht es darum, was in Ihren Augen im Nachtragshaushalt fehlt. Das waren die Straßenbaumittel, die SPD und FDP beantragt haben.

Wir haben gegenüber dem Zustand, den wir aus schwarz-gelben Zeiten vorgefunden haben, nichts geändert. Das heißt, die Regeln, die aufgestellt waren, die Notwendigkeit, die niemand bestreitet, dass Planungsmittel in Bundesmaßnahmen umgeleitet werden müssen oder mussten, ist nicht von der Landesregierung zu verantworten – damals nicht von der alten und jetzt nicht von der neuen –, hat aber genau die Konsequenzen. Ich verstehe den Antrag der FDP so, dass Sie sagen: Weil wir die Sache nicht in den Griff bekommen haben, stellen wir jetzt als Opposition einen Antrag, die Regierung mag es regeln. – Das ist immer der einfachere Weg. Das hatten wir bei der kürzlich stattgefundenen Diskussion schon einmal festgestellt.

Viel hilfreicher könnte es sein, wenn wir alle gemeinsam dafür sorgen, dass der Bund seine finanziellen Verpflichtungen in Hinblick auf die Planungskosten der Bundesmaßnahmen erfüllt, oder wenigstens deutlich besser erfüllt als bisher. Dann hätten wir dieses Problem auch nicht. Dieses Problem wird uns solange begleiten, wie hier das Loch ist. Es ist nicht durch Maßnahmen des Landeshaushalts als solche zu beseitigen. Das wissen Sie ganz genau.

Kommen wir zu dem letzten Antrag der Oppositionsseite, Stichwort: Sozialbudget. Dabei gibt es einen etwas unterschiedlichen Klang bei SPD und der LINKEN. Sie beschimpfen uns dafür, dass wir für das Sozialbudget einen Buchungsrahmen in den Nachtrag geschaffen haben, ohne es mit neuem Geld zu dotieren. Sie wollen deswegen gleich Geld dafür zur Verfügung stellen, ohne zu sagen, wofür es sein soll. Lieber Herr Kollege van Ooyen, nehmen Sie es mir nicht übel, das ist alles blumig und unklar ausgedrückt. Für „sozial gute Zwecke“ kann man immer viel Geld gebrauchen. Das entspricht aber nicht den Kriterien der Haushaltsaufstellung nach der Landeshaushaltsordnung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie werfen uns vor, dass wir den vorbereitenden Schritt für das angekündigte Sozialbudget, das ab 2015 dotiert werden wird, schon den Buchungsrahmen geschaffen haben. Das kann ich nur dann verstehen, wenn ich daraus schließen müsste, dass Sie das Sozialbudget nicht wollen. Ihren Worten nach ist das aber nicht der Fall. Also geht diese Kritik auch ins Leere.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit bin ich mit den Ausgabeanträgen soweit fertig, und ich komme zu der Einnahmesituation. Bezüglich der finanzwirtschaftlichen Seite war das im Wesentlichen die Gegenfinanzierung durch globale Minderausgaben. Auf diese Idee ist jede der drei Oppositionsfraktionen gekommen. Globale Minderausgaben heißt nichts anderes als: Wir wollen Geld ausgeben, wissen aber nicht, woher wir es nehmen sollen. Deswegen sagen wir der Regierung: Ihr werdet es schon finden.

Ganz explizit ist das auch schon ausgeführt worden, nach dem Motto: Es muss doch wohl möglich sein, das Geld noch zu finden. – Das ist nach den Grundsätzen der Haushaltsveranschlagung – schauen Sie es in der Landeshaushaltsordnung nach – kein Prinzip, das gelten kann. Insoweit sind diese Anträge nichts weiter als finanzwirtschaftlicher Voodoo. Sie haben es nicht, Sie wissen es nicht, aber Sie gehen nach dem Motto vor: Wir geben Geld aus, das wir nicht haben und von dem wir nicht wissen, woher es kommt. Regierung, mach mal schön.

So regierungsglaubwürdig wäre ich als Opposition nicht, das sage ich Ihnen ganz deutlich. Da würde ich schon sagen wollen, wohin es kommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, was Sie hier vorführen, ist eine Übernahme, die vor langer Zeit einmal von einem klugen Kopf in Richtung der CDU-Regierung gesprochen wurde. Sie erinnern sich, mein Lieblingsspruch passt hier wieder einmal auf die Opposition. Deswegen bekommen Sie ihn auch zu hören. Ich zitiere:

Solide und transparent, wahr und klar wie Haushaltswirtschaft zu sein hat,

– verehrter Herr Kollege Schmitt, verehrter Herr Kollege van Ooyen, verehrter Herr Kollege Hahn – leider verschwunden –

ist das nicht, sondern sprunghaft, windig, wirr, unüberlegt und nicht ganz seriös.

Sie wissen das. Wer so mit globalen Minderausgaben operiert, der kann dieses Zitat nur entgegennehmen.

(Zuruf des Abg.  Norbert Schmitt (SPD))

Damit komme ich zum letzten besonderen finanzwirtschaftlichen Antrag der FDP-Fraktion. Wir hatten es gestern beim Gesetzgebungsverfahren, wir haben es heute noch einmal im Haushaltszusammenhang gehabt, nämlich das Thema Grunderwerbsteuer. Dazu muss ich eins sagen – ich sehe Herrn Hahn leider nicht direkt, er müsste es nachlesen –: Gestern hat Herr Hahn uns erklärt, dass er seinerzeit vom bösen Finanzminister – vielleicht war er damals böse, es könnte ja sein – vor den Knoten geschoben worden sei, entweder 1.200 bis 1.800 Lehrerstellen weg oder die Steuererhöhung.

Verehrter Herr Kollege Hahn, Sie hätten einmal im Landtagsprotokoll nachlesen sollen, mit welcher Begründung Ihr damaliger Kollege Noll die Steuererhöhung damals begründet hat. Diese fiel nämlich ganz anders aus und lautete, dass man das beim bösen Länderfinanzausgleich sowieso angerechnet bekäme und Sie auf Geld, das Ihnen angerechnet würde, nicht verzichten könnten. – Wenn dies das zutreffende Argument gewesen sein sollte, sage ich Ihnen heute: Der Länderfinanzausgleich behandelt diese Steuereinnahmen noch immer in gleicher Weise, daran hat sich nichts geändert. Insoweit ist das damalige, in diesem Landtag vorgetragene Argument, nach wie vor bestehend. Demgegenüber ist das, was Sie jetzt vorgetragen, offensichtlich der neue Stil der FDP: Wir sind jetzt in der Opposition, demzufolge haben wir uns nicht mehr mit den Möglichkeiten des Haushalts zu beschäftigen, sondern wir suchen nur noch nach den verlorengegangenen Wählerstimmen. Da meinen wir, es kommt immer gut, nach dem bekannten Motto Steuersenkungen zu versprechen „In der Opposition die Steuersenkung versprochen, in der Regierungsverantwortung die Steuer erhöht“. – So kennen wir die FDP; ich hoffe, nicht mehr allzu lange.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, was Sie hier im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt vorgetragen haben, ist eher frei von Verantwortungsethik. Es mag hier und da gesinnungspolitische Akzente haben, aber wir sagen – und das geht auch in Richtung der LINKEN –: Wer nach dem Motto „Schuldenbremse nein, Schulden machen ja“ sagt, wie Sie es bei Ihren Deckungsvorschlägen tun, ist im Zusammenhang mit einer Haushaltsdebatte 2014 wohl kein ernst zu nehmender Diskussionspartner.

Wir, die schwarz-grüne Koalition, haben einen klaren, verlässlichen und transparenten Kurs eingeschlagen. Die Leitlinien in Form des Antrags haben wir hier vorgelegt und diskutiert, Sie kennen Ihn schon. Darin sind die quantitativen Notwendigkeiten genau beschrieben. Wir nennen auch die geschützten Bereiche, damit sich jeder darauf einstellen kann. Ich wiederhole sie gern noch einmal: Bildungs- und Betreuungsgarantie, die Lehrerstellen bleiben unangetastet, das Ehrenamt im Sport, im Brand- und Katastrophenschutz. Zudem kommt das Sozialbudget, wie Sie wissen. Alle anderen Bereiche werden und müssen an unserer Konsolidierung mitwirken. Das werden wir genau so tun. Deswegen ist der Nachtragshaushaltsentwurf ein Paradigmenwechsel und in Wahrheit ein stiller Star.

Ein letzter Hinweis für den Kollegen Rudolph sein mir noch gestattet: Der Antrag von SPD und LINKEN enthält exakt die Summe, die auch der Antrag von CDU und GRÜNEN zum Thema Personalausstattung für den Untersuchungsausschuss enthält. Es ist exakt die gleiche Summe. Damit ist diese Behauptung „Aufklärung nach Kassenlage“ völlig falsch. Sie richtet sich selbst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Mit derselben Zahl kann das nicht stimmen. Darüber hinaus kommen die Baumaßnahmen aus dem laufenden Geschäft. Die sind auch noch nicht so exakt definiert, dass man die Zahl schon hineinschreiben könnte. Das heißt, wir haben gar keinen Streit, Sie versuchen mühsam, einen aufzuplustern. Wenn dies Ihr Stil ist, tun Sie das weiterhin.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Sie müssen zum Ende Ihrer Rede kommen.

Frank-Peter Kaufmann:

– Ich komme zum Schluss. – Um mich noch einmal darüber aufzuregen: Wer behauptet, wir als Koalition würden Aufklärung nach Kassenlage betreiben,

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Der hat recht!)

der sagt bewusst und vorsätzlich die Unwahrheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann.