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25.06.2013

Frank Kaufmann: Haushalt

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem heutigen Gesetzgebungsverfahren möchte ich einige – nicht mehr als zehn – einzelne Bemerkungen machen, die sich allerdings im Wesentlichen mit dem Gesetz und nicht mit Dingen drum herum befassen, wie der Kollege Pentz meinte uns erzählen zu müssen.

Erster Punkt. Schwarz-Gelb ist der größte Schuldenmacher der hessischen Geschichte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Hier und heute versuchen Sie, weil die Wahl nahe ist, sich als Konsolidierer zu inszenieren. Das heißt, Sie vertuschen, verstecken und verstellen sich. Das ganze Gesetzgebungsverfahren in dieser Form zu diesem Zeitpunkt ist ein gigantisches Täuschungsmanöver.

Meine Damen und Herren, wir hatten einmal einen Konsens. Den haben wir, von der LINKEN abgesehen, gemeinsam beschlossen, als wir die Verfassungsänderung auf den Weg gebracht haben. Sachliche Einwände werden jetzt schlicht ignoriert, selbst diejenigen, die man aufgrund des Konsenses von seinerzeit vorträgt.

Ich rege mich aber gar nicht auf. Nach Lage der Dinge sind wir sehr zuversichtlich, dass dieses Gesetz, was Sie heute verabschieden werden, nie in Kraft treten wird, da vor dem Inkrafttretenszeitpunkt zum 1. Januar 2015 eine neue Mehrheit nach der Wahl längst ein vernünftiges Gesetz daraus gemacht haben wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Genau deshalb, Kollege Pentz, verzichten wir auch auf eine dritte Lesung. Etwas, was nicht wirksam wird, muss man auch nicht länger bekämpfen.

Meine Damen und Herren, ich hatte den im Dezember 2010 getroffenen Beschluss zum Thema, was unser Konsens war, schon angesprochen. Unser Konsens war z. B., an dem Verfahren der Formulierung der konkreten Regeln den Rechnungshof zu beteiligen. Was haben Sie gemacht? Sie haben es schlicht bleiben lassen. Der Rechnungshof durfte jetzt im Nachgang eine Stellungnahme vorlegen, was bekanntermaßen deutlich etwas anderes ist, als an einem Verfahren beteiligt zu werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nächster Punkt, Nr. 9 im damaligen Beschluss, falls Sie es nachlesen wollen: Wir hatten vereinbart, dass es für Abweichungen vom Kreditaufnahmeverbot eine qualifizierte Mehrheit braucht. Das haben Sie, was Abs. 4 in der Verfassung angeht, für Katastrophenfälle mit Ihrer Zweidrittelgeschichte gemacht. Was aber Abs. 3 angeht, die Konjunktur, haben Sie das nicht gemacht, sondern dort reicht die einfache Mehrheit aus. – Massiver kann man nicht gegen die vereinbarte Linie verstoßen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt gucken wir es uns konkret an. Machen wir einmal den Katastrophenpraxistest. Der Kollege Pentz hatte es schon angesprochen: die aktuelle Flutkatastrophe. Dies ist eine Katastrophe, darüber streiten wir nicht.

Erstens. Der Gesetzentwurf sagt: Die vollständige Tilgung eines in einem solchen Zusammenhang aufgenommenen Kredits soll regelmäßig über sieben Jahre erfolgen. Der Rechnungshof schlägt in seiner Stellungnahme vor, dies noch zu verdeutlichen, indem man sagt: Das soll nicht länger als sieben Jahre brauchen. – Beide sind etwas biblisch orientiert mit den sieben Jahren, aber sei es drum.

Die Landesregierung ist offensichtlich nicht so biblisch orientiert; denn sie hat gerade mit der Bundeskanzlerin einen Tilgungszeitraum von 20 Jahren vereinbart.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, merken Sie denn nicht, dass in der Situation, in der Sie das Gesetz verabschieden wollen, es in seinem ersten Praxistest, zumindest einem theoretischen Praxistest, schon komplett durchgefallen ist?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nehmen wir den zweiten Bereich, Konjunkturbereinigungsverfahren. Es ist schon angesprochen worden: Das Konjunkturbereinigungsverfahren ist vollständig intransparent, was uns die allermeisten Anzuhörenden auch bestätigt haben.

Herr Kollege Pentz, ich glaube nicht, dass Sie in der Lage wären, das zu erläutern. In § 5 Abs. 3 des Gesetzentwurfs wird verwiesen auf Art. 115 Grundgesetz und zugleich auf das Gesetz zu Art. 115 Grundgesetz. Dort wird verwiesen auf die dazu ergangene Verordnung, und darin ist der § 2 Abs. 2, in dem von einer Schätzung über die Produktionsfunktion vom Typ Cobb-Douglas die Rede ist. Das wollen Sie sich selbst oder irgendjemandem sonst erklären? Das ist Black Box. – Herr Al-Wazir ist nicht da, da kann ich das sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der einzige Grund, warum Sie das machen – nach dem Motto: „Verstehen wollen wir nichts, brauchen wir auch nicht“ –, ist, weil Bund und EU das angeblich so ähnlich machen. Dass dann der Vertreter des Bundesfinanzministeriums das Verfahren gut findet, das er selbst nicht durchblickt, aber bei sich anwendet, ist wohl auch nicht verwunderlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Wir sollten einmal zur Kenntnis nehmen, dass kein Bundesland, das sich frei entscheiden konnte, bisher dieses Verfahren gewählt hat. Einzig die drei Länder, die Konsolidierungshilfenempfänger sind, mussten, vom Bund aufgedrückt, dieses Verfahren nehmen. Alle, die es bisher angepackt haben, das Schuldenbremsgesetz umzusetzen, haben nicht dieses Verfahren, sondern das Verfahren der Betrachtung der steuerlichen Entwicklung verwendet.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen noch etwas vorhalten. Im alten Grundgesetz stand: Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts als Erlaubnis zur Schuldenaufnahme. – Die Konsequenz kennen wir: Alle sind der Meinung, es gibt zu viele Schulden.

Jetzt steht im Gesetzentwurf: eine von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung. – Was ist da der Unterschied? Oder welches ist vielleicht sogar die noch engere Formulierung? Doch diejenige von früher, die offensichtlich nichts bewirkt hat.

Damit sind wir am Kern der Sache. Sie wollen auch gar nicht. Ich sprach schon vom Täuschungsmanöver. Sie reden laut über die Zweidrittelhürde bei Katastrophen, aber nicht über die Neuverschuldung aus Konjunkturgründen. Die können Sie mit einfacher Mehrheit im Haushaltsverfahren allen unterjubeln und trotzdem so tun, als ob das richtig wäre.

Nein, wir sind für das Steuertrennverfahren als eines, das von Schätzungen weggeht und das sich auf Realdaten stützt. Wir wollen im Gegensatz zu Ihrer Falschbehauptung die Schuldentür tatsächlich verriegeln.

Meine Damen und Herren, Ihr Gesetz regelt eigentlich nur, wie man trotz unseres neuen Art. 141 in der Verfassung fröhlich weiter Schulden machen kann und gleichzeitig so tut, als ob man ganz streng, mit hohen Hürden für Ausnahmen, konsolidieren wolle. Wie gesagt, ich nenne es Täuschung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich sagte es schon: Sie merken daran, wir werden nicht zustimmen, und wir sind sehr zuversichtlich, dass dieses Gesetz nie in Kraft kommt. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)