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26.06.2012

Frank Kaufmann: Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Hessisches Landesplanungsgesetz

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Über Windkraftstandorte und Ähnliches sollte man zunächst in den Regionalversammlungen, in den dafür zuständigen Gremien diskutieren und im Landtag erst am Ende, wenn der Entwurf des Landesentwicklungsplans vorliegt.

Heute befassen wir uns mit dem Gesetzentwurf, der in der Tat nur den Rahmen darstellt. Aber im Gegensatz zu dem, was der Herr Staatsminister bei der Einbringung formuliert hat, ist das durchaus ein wesentliches Gesetz dahin gehend, dass es – das ist unser Urteil – ein Dokument des Misstrauens gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land und insbesondere gegenüber den von ihnen gewählten Politikerinnen und Politikern auf der regionalen Ebene darstellt.

Hier werden mit Bedacht die Kompetenzen, die die Regionalversammlungen haben, weiter beschnitten – auch in Fällen, in denen längst erkannt ist oder sein sollte, dass eine weitergehende Beteiligung auf der regionalen Ebene den Planungsüberlegungen eher positiv helfen würde. Dieses kommt nicht.

Es sollen darüber hinaus – der Staatsminister hat darauf hingewiesen – die Planungsvorgänge vereinfacht und beschleunigt werden. „Beschleunigt“ heißt nichts anderes, als über die Köpfe der Betroffenen hinweg möglichst vieles zu erreichen. Hier steht nicht die Qualität der Planung im Vordergrund, sondern die Velozität, also die organisierte Unüberlegtheit, damit man etwas möglichst unstreitig voranbringen kann. Dass man sich hinterher gelegentlich wundert, was dabei herausgekommen ist, das sollten auch Sie eigentlich längst schon gemerkt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, mit dem Gesetz wird Intransparenz mit Bedacht gefördert. Statt frühzeitige Bürgerbeteiligung zu initiieren, soll schlechte Planung möglichst vor Kritik geschützt werden. Damit nimmt der Gesetzentwurf nicht die Erfahrungen der letzten Jahre auf und setzt nicht auf Mediation, sondern im Zweifel eher auf Eskalation von Konflikten, die Planungen bekanntermaßen häufig mit sich bringen und wo man Interessen unterschiedlicher Seite gegeneinander abwägen muss. Deshalb werden Sie sich nicht wundern, wenn ich feststellen muss, dass wir diesen Gesetzentwurf durchaus kritisch anschauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will es an einigen Punkten darstellen. Der erste Punkt ist der, wo über den Landesentwicklungsplan geschrieben wird. Wir hatten einmal – ich würde fast sagen: in der guten alten Zeit – im Landesentwicklungsplan bis zum Jahre 2002 den schönen Satz stehen: Der Landesentwicklungsplan schränkt die Entscheidungsspielräume der Regionen nicht stärker ein, als dies zur Umsetzung von überregional bedeutsamen Vorhaben erforderlich ist.

Das sagt der Politiker, d. h. das ist die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips in der Planung. Das haben Sie im Jahre 2007 herausgestrichen. Obwohl es an vielen Stellen kritisiert worden ist, findet es sich nach wie vor nicht in dem Gesetzentwurf, wie er jetzt vorliegt. Wenn ich Ihnen sage, Sie wollen über die Köpfe der Betroffenen Ihre Planungen möglichst rasch durchziehen, dann sind Sie empört. Der Gesetzentwurf beweist es aber, dass ich damit bedauerlicherweise recht habe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Ein letzter Punkt ist, dass man eigentlich den gewählten Regionalversammlungen mehr Bedeutung geben müsste, auch in den Aufstellungsverfahren des LEP insbesondere dann, wenn Fachbehörden miteinander streiten und man deshalb sinnvollerweise die regionale Ebene, nämlich vertreten durch die Versammlungen, in die Gesamtsicht der Dinge einbeziehen sollte. Das ist aber – schauen Sie sich § 4 Abs. 9 an – leider auch nicht der Fall.

Darüber hinaus ist anzumerken, dass Sie davon abgehen wollen, die Planzeichenverordnung als allgemein gültige Grundlage für die Planungsarbeiten beizubehalten, sondern das Ganze durch fachaufsichtliche Vorgaben regeln. Meine Damen, meine Herren, auch wenn es mehr die Fachleute als vielleicht allgemein interessieren dürfte, ist das aber ein klarer Schritt für mehr Intransparenz in diese Richtung. Den halten wir demzufolge auch für falsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen, meine Herren, einer der weiteren Punkte, die zu nennen wären – alle kann man in der Kürze der Zeit sicherlich nicht ansprechen –, ist die Frage, warum man bei dem Verfahren für Zielabweichungen und noch deutlich insgesamt bei Raumordnungsverfahren, wenn für solche Projekte gleichzeitig Planfeststellungsverfahren vorgesehen sind, auf Raumordnungsverfahren vollständig verzichtet oder zumindest dieses ermöglicht werden soll und in die Entscheidung letztendlich der Landesregierung gegeben wird.

Machen wir uns das doch einmal klar. Das hätte, wenn es damals schon so gegolten hätte, bedeuten können, dass bei dem Verfahren Ausbau des Flughafens auf ein Raumordnungsverfahren verzichtet worden wäre. Nun ist es sicher richtig, dass man mit dem Ergebnis, dass damals zustande kam, aus unserer Sicht nicht unbedingt zufrieden sein muss. Aber es war eigentlich beim genauen Lesen die klare Feststellung: Das Raumordnungsverfahren führt zu einem Ergebnis, dass der Ausbau des Flughafens nicht raumverträglich ist – dann kommt der Nachsatz –, aber raumverträglich gemacht werden könnte, wenn eine Reihe von Maßgaben erfüllt worden sind.

Darüber, ob diese Maßgaben erfüllt sind oder nicht, streiten wir übrigens bis zum heutigen Tage, Stichwort Nachtflüge. Auf so etwas von vornherein zu verzichten, was heißt das denn? Das heißt auch nichts anderes, als dass Sie die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger möglichst weiter einschränken wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen allerletzten Punkt will ich noch ansprechen. Das ist ein Thema, das hier wahrscheinlich die Allerwenigsten verstehen werden. Das bezieht sich speziell auf den regionalen Flächennutzungsplan, wie er uns für das Rhein-Main-Gebiet vorliegt. Es gibt das Problem der Wahl des Maßstabs. Der Maßstab ist in dem Gesetzentwurf so fortgeschrieben, wie auch schon in der Vergangenheit definiert, mit der erklärten Absicht, die Planung möglichst diffus zu gestalten.

Die Forderung nach einem präziseren Maßstab – nämlich statt 1 : 100.000 1 : 25.000, sodass man noch Flächen von einem Hektar auch darstellen kann – wurde bewusst mit dem Argument verweigert, dann hätten die Gemeinden mehr Spielraum, weil man es nicht so genau nachvollziehen kann. Genau das ist für die Regionalplanung und für Raumplanung insgesamt nicht sinnvoll, dass man nämlich die Pläne von vornherein so gestaltet, dass man möglichst nichts präzise daraus entnehmen kann und damit jeder noch machen kann, was er will. Das ist nicht der Sinn von Landesplanung. Damit verfehlt dieser Entwurf des Landesplanungsgesetzes auch seine Aufgabe. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

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