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14.12.2010

Frank Kaufmann: Gesetz zur Förderung und Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen sowie der freien Berufe und Vergabe öffentlicher Aufträge

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich ist es ein bisschen schade, dass wir uns zu so später Stunde, wo alle anfangen, sich auf die bevorstehende Weihnachtsfeier zu freuen, mit einem Thema auseinandersetzen, das, wie wir wissen, eine ganz besondere Herzensangelegenheit der SPD-Fraktion ist. Wir hatten ja schon im Mai 2005 und im Juni 2006 zwei Anträge zur „Wiederaufarbeitung“ des Mittelstandsförderungsgesetzes vorliegen. Jetzt hat die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf eingebracht.

Liebe Freundinnen und Freunde von der Sozialdemokratie, es wäre leichter für die Diskussion und hätte auch bei den Vorrednern dazu geführt, dass sie die Redezeit nicht so arg strapaziert hätten, wenn man die verschiedenen Bereiche, nämlich die Mittelstandsförderung und die Vergabe, voneinander trennen würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Allerdings räume ich ein, dass dann von der Mittelstandsförderung möglicherweise nicht viel übrig geblieben wäre. Die Kollegin Lannert hat in ihrer Rede zwar nicht ganz klargemacht, ob sie die Grenze zwischen Mittelstand und Großindustrie findet, aber abgesehen davon ausgeführt – sinngemäß zumindest –, dass der Mittelstand, so fantastisch, wie er aufgestellt ist, eigentlich keiner Förderung bedarf.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Insofern empfinde ich das als ein Votum dafür, dass ein Mittelstandsförderungsgesetz eher nicht notwendig ist. Vielleicht ist das auch der geheime Grund dafür, dass das bestehende Gesetz aus dem Jahr 1974 möglicherweise einem sanften Ende entgegensieht.

Der Kollege Lenders hat sich dazu verstiegen, zu erklären, die FDP sei die Mittelstandspartei.

(Demonstrativer Beifall bei der FDP)

Angesichts der derzeitigen „Popularität“ der FDP kann ich nur hoffen, dass es dem Mittelstand nicht so schlecht geht, wie es der Vergleich mit der FDP anzudeuten scheint. Eine Empfehlung für den Mittelstand wäre das nämlich sicherlich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn wir uns anschauen, was die SPD in ihrer Mittelstandsförderung vorsieht, stellen wir fest, dass das, mit Verlaub gesagt, eine klassische Politik ist, die wir eigentlich seit den Siebzigerjahren hätten überwinden sollen. Sie lautet: Entdecke ein Problem, schaffe ein Gremium, und – so heißt es gelegentlich noch – gib Geld dazu, bleibe immer bei dieser Mischung, und halte dich auf der Staatsseite. – Damit meint man, das Problem gelöst zu haben.

Ich habe die Äußerungen der Mittelstandsvertreter bisher nicht dahin gehend verstanden, dass sie großen Wert auf einen weiteren Mittelstandsbeirat, auf einen Mittelstandsbeauftragten und auf ähnliche Institutionen legen würden, sondern sie schimpfen im Gegenteil, wann immer sie in irgendwelchen Zusammenhängen bei uns auftreten, über die Bürokratie, die es abzubauen und nicht aufzubauen gelte. Insofern scheint mir an diesem Punkt des SPD-Vorschlags doch noch einiges zu überdenken zu sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt nicht, dass man nicht über Fördermöglichkeiten nachdenken sollte und müsste. Damit bin ich wieder bei den falschen Vorwürfen des Kollegen Lenders, nach dem Motto, es stünden bei der Förderung besonders GRÜNEN-affine Bereiche an. So haben Sie es, zusammen mit der SPD, gesagt.

Verehrter Herr Kollege Lenders, Sie müssen dieses Argument vom Kopf auf die Füße stellen. Sie müssen nämlich feststellen, dass wir GRÜNE mit den Punkten, die wir vertreten, genau am Puls der Zeit sind, was die Entwicklung angeht. Ich nenne nur das Stichwort erneuerbare Energien und weise auf die fast nicht begrenzten Möglichkeiten hin, die darin stecken, insbesondere was die Aktivitäten des Mittelstands angeht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen: In der Bildung, in der Ausbildung, in der Forschung und bei den erneuerbaren Energien als einem konkret zu benennenden Bereich bieten sich Fördermaßnahmen zugunsten des Mittelstands an, wenn man da etwas machen möchte.

Was die Mittelstandsförderung angeht, ist ein weiterer Punkt zu nennen: Zu konkrete Vorschriften entziehen der Flexibilität den Boden. Deswegen müssen wir z. B. über Institutionen wie die Hessen-Agentur eine vernünftige Förderpolitik machen. Wir GRÜNEN haben gesagt, man sollte an der Stelle eher mehr Darlehen gewähren und dafür weniger Zuschüsse verteilen.

Jetzt habe ich meine Redezeit fast bis zum Ende ausgeschöpft – zumindest zu einem relevanten Teil – und habe bis jetzt nur über den Mittelstand gesprochen. Ich komme daher nun zum zweiten Teil des Gesetzentwurfes der SPD. Da sieht unsere Beurteilung deutlich anders aus.

Jetzt spreche ich in Richtung der Angehörigen der Mehrheitsfraktionen: Meine Damen und Herren, merken Sie denn nicht, wie dringend wir Regeln für die Vergabe brauchen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Merken Sie denn nicht, dass man sich diesen Sektor wirklich einmal in Ruhe vornehmen und vernünftig regeln sollte? Immer wenn hier an einem Einzelfall Kritik geübt wird – Herr Kollege Milde wird sich noch gut daran erinnern –, sagen Sie als Erstes: „Es ist alles in Ordnung, es hat keiner geklagt, es hat sich keiner beschwert“, bis sich dann doch herausstellt, dass ein ziemlich übler Geruch aus den Vergabeverfahren, die diese Landesregierung betrieben hat, herausdringt. Wir wollen z. B., dass die europarechtlichen Spielräume, die es nach dem Rüffert-Urteil immer noch gibt, wirklich ausgeschöpft werden.

Darüber hinaus – das ist der zweite Punkt, der wird Ihnen nicht so gefallen; aber Sie werden allerhöchstens noch hinhaltenden Widerstand leisten können, und deswegen rate ich Ihnen, ihn endlich aufzugeben – sind allgemeinverbindliche Mindestlöhne eine Voraussetzung dafür, dass es bei Vergaben einigermaßen fair zugehen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Deshalb ist es dringend notwendig – Herr Kollege Lenders hat gerade so intensiv gegen Ideologie gepredigt –, dass Sie an dieser Stelle Ihre ideologischen Scheuklappen ablegen und sagen, dass wir hier tatsächlich Regelungen brauchen. Für uns gehören auch ökologische und soziale Elemente ins Vergaberecht. Daher stellt der Gesetzentwurf der SPD zumindest einen Versuch dar – über Details kann man immer streiten –, in die richtige Richtung zu gehen.

Ähnliches gilt für den Antrag der LINKEN. Deswegen stehen wir dem Antrag der LINKEN sehr positiv gegenüber. Auch wir wissen, dass nicht alles erfüllbar ist und dass manches Wunschdenken dahintersteht. Aber das, worauf es ankommt, ist doch, dass wir uns endlich auf den Weg machen, vernünftige Regelungen für die Vergabe und damit auch Rechtssicherheit und Planungssicherheit auch und gerade für den Mittelstand in Hessen zu schaffen. Das ist die Aufgabe aller. Die Regierung sollte etwas vorgeben oder bei etwas mitmachen, und insbesondere die Mehrheitsfraktionen sollten sich nicht länger verweigern.

Letzte Bemerkung. Wir behandeln im Rahmen unserer Arbeit im Ausschuss zurzeit das Thema Korruptionsbekämpfung. Zumindest der Vergabeteil des Gesetzentwurfs passt gut dazu. Insofern wäre es vielleicht nicht schlecht – es kann nur eine Anregung sein –, wenn wir die Anhörungen zu diesem Themenkomplex miteinander verbinden könnten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann.

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