Inhalt

26.09.2012

Frank Kaufmann: Gesetz über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie erleben heute nach 17 Jahren hoffentlich nicht die Premiere, dass der Kaufmann zum ersten Mal sprachlos ist

(Demonstrativer Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

– da freuen sich die Kollegen –, aber ich habe ein bisschen Probleme mit der Stimme. Ich hoffe, Sie können mir trotzdem zuhören.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrter Kollege Caspar: Wir streiten doch überhaupt nicht über die Sache.

Das gesamte Haus und alle Fraktionen sind der Meinung, dass die Anhebung des Grunderwerbsteuersatzes auf 5 Prozent richtig ist. Deswegen müssen wir hier auch nicht darüber reden.

Aber wir müssen, Herr Kollege und meine Damen und Herren von CDU und FDP, über Verbohrtheit und über Ihre Versäumnisse reden. Denn wir hatten im Haushaltsausschuss den Entwurf für die erhöhte Steuer. Warum das jetzt nicht mehr klappen soll, Herr Kollege Caspar, erklären Sie damit, dass Sie ab sofort Ihre Politik danach ausrichten werden, was die Linkspartei in Presserklärungen schreibt.

Ich finde, dass Ihre Abhängigkeit – das haben wir in diesem Hause schon öfters erlebt – mal wieder deutlich wird. Wenn die „hü“ sagen, sagen Sie „hott“, und wenn die „hott“ sagen, sagen Sie „hü“, obwohl Sie in Wahrheit das Gleiche wollen, nämlich in diesem Fall die Grunderwerbsteuer anheben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Torsten Warnecke (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Zum Stichwort „Versäumnis“: Die Landesregierung hat einen Haushaltsentwurf beschlossen und dem Parlament vorgelegt, in dem die 5 Prozent als Kalkulationsgrundlage enthalten sind. Sie haben aber vergessen, dass Sie dafür eine Gesetzesänderung brauchen.

(Widerspruch des Abg. Ulrich Caspar (CDU))

Sie hätten es mit dem Haushaltsgesetz zusammen machen können, haben das aber versäumt. Das ist umso merkwürdiger, als der Gesetzentwurf der LINKEN zeitlich parallel dem Hause vorgelegen hat und Sie selbst im Gesetzentwurf den Bericht darüber stehen haben, welche Länder wann diese Erhöhung bereits vorgenommen haben.

Wir sind mit diesem merkwürdigen Problem heute deshalb befasst, weil es seitens der Regierung und ihrer Mehrheit versäumt wurde, rechtzeitig eine entsprechende gesetzliche Regelung vorzulegen, damit wir sie beraten und beschließen können

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

– Herr Kollege Milde, Sie wissen selbst: Das Haushaltsgesetz allein reicht nicht.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Aber Sie hätten das Haushaltsgesetz sehr wohl mit einem zweiten Artikel, nämlich mit diesem Gesetz, ergänzen können. Das haben Sie verpasst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie haben obendrein verpasst, zum Beispiel parallel zum Haushaltsgesetz auch das andere Gesetz unabhängig davon einzubringen, meine Damen und Herren. Jetzt will den Fehler niemand gemacht haben.

Wir müssen auch – jetzt komme ich auf die Haushaltsausschusssitzung der letzten Woche zu sprechen – in der Öffentlichkeit darstellen, was da alles abgelaufen ist. Zunächst gab es den Versuch, den Gesetzentwurf der LINKEN von der Tagesordnung abzusetzen. Davon haben Sie glücklicherweise Abstand genommen, weil das gegen unsere Vereinbarung verstoßen hätte. Dann gab es den Vorschlag, das zu vertagen – gleicher Versuch, ein zweites Mal. Das ist irgendwann gescheitert. Dann gab es die Mitteilung des Finanzministers, dass die Landesregierung beabsichtige, für die Sitzung des Parlaments im November einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen.

(Zuruf des Abg. Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Auch dies können wir jetzt wohl abhaken.

Dann gab es von mir, wenn ich mich recht erinnere, Hinweise, dass Sie, wenn Sie einen Gesetzentwurf im November einbringen, den gewünschten Termin 31. Dezember 2012 zum Inkrafttreten ab 1. Januar 2013 wohl nicht mehr erreichen können – angesichts der Tatsache, dass wir eine Anhörung benötigen.

Denn, meine Damen und Herren, ich hatte vergessen, Ihnen Folgendes zu erzählen: Wir hatten eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf der LINKEN.

(Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Aber damals waren CDU und FDP noch der Meinung, sie wollten das nicht, und haben ausschließlich Anzuhörende eingeladen, die gegen die Erhöhung der Grunderwerbsteuer waren.

(Heiterkeit bei der SPD)

Das hat dann zu dem peinlichen Ergebnis geführt – der Anhörungstermin lag nach den Ferien und nach Vorlage des Haushaltsentwurfs –, dass da plötzlich die Erhöhung drin war. Also stellte man an die selbst eingeladenen Anzuhörenden nicht eine einzige Frage im Ausschuss. Meine Damen und Herren, peinlicher kann man das gar nicht mehr machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das ist auch der Grund, warum wir jetzt wieder eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf brauchen. Wir müssen Ihnen jetzt schließlich die Gelegenheit geben, Ihre richtigen Kronzeugen für die Erhöhung der Grunderwerbsteuer einzuladen und

(Heiterkeit des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

sie entsprechend zu befragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Torsten Warnecke (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Dies alles hätte dann dazu geführt, dass Sie es nicht schaffen würden. Daraufhin gab es den Vorschlag, den Gesetzentwurf der LINKEN als einen gemeinsamen Gesetzentwurf weiterzuführen, um ihn dann rechtzeitig verabschieden zu können. Die Koalition hat die Sitzung unterbrochen und ging in Klausur. Sie kam wieder mit der frohen Botschaft: Jawohl, das machen wir so – zwar nicht in dieser Woche, aber in der November-Sitzung. – Wir haben uns alle dreimal tief in die Augen geschaut und gesagt: Jawohl, das machen wir.

Dann kam der Finanzminister – wir kennen ihn als netten Menschen – obendrein zu dem Vorschlag: Er macht noch mal Formulierungshilfe und lässt rechtsförmlich prüfen.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Meine Damen und Herren, das war Stand von letztem Mittwochmittag in dieser Angelegenheit. Was hat sich seitdem verändert? – Es gab eine Zwei-Satz-Pressemitteilung der LINKEN, in der steht: Wir freuen uns, dass die CDU über ihren Schatten springt.

(Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Wenn DIE LINKE sich freut! – Zuruf des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Das soll, Herr Kollege Caspar, Anlass sein, jetzt einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen? Aber wir wissen ja: Es ist kein eigener Gesetzentwurf – schon deshalb nicht, weil das, was Sie als Ihren Gesetzentwurf vorlegen, wortgleich das ist, was uns der Finanzminister als seine Formulierungshilfe vorgestern hat zukommen lassen. Wo ist da die Notwendigkeit eines eigenen Entwurfs? Warum kann das nicht als gemeinsamer Gesetzentwurf fortgeführt werden?

Im Übrigen, meine Damen und Herren, möchte ich Sie auf die Unterschiede der beiden Gesetzentwürfe hinweisen. Der Gesetzentwurf der LINKEN Drucks. 18/5540 enthält exakt dieselbe Formulierung mit zwei winzigen Unterschieden: Bei der LINKEN ist das, was beim Finanzminister „§ 2“ ist, nur „Abs. 2“. Bei der LINKEN ist „fünf“ ausgeschrieben, beim Finanzminister ist das eine Zahl.

(Zuruf von der SPD)

Das ist der Unterschied der beiden Gesetzentwürfe. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und insbesondere Herr Kollege Caspar, kann man sich eigentlich noch stärker lächerlich machen, als Sie es hier getan haben?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Ich will gar nicht auf die Debatte im Mai dieses Jahrs zum Gesetzentwurf der LINKEN eingehen. Das hat der Kollege Caspar schon selbst ein bisschen gemacht nach dem Motto: Es ist mal wieder ein Schuldiger ausgedeutet. Der Länderfinanzausgleich ist daran schuld, dass die FDP heute eine Steuererhöhung im Hessischen Landtag in erster Lesung passieren lässt. Die Partei der Steuererhöher sitzt uns mal wieder gegenüber, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit bei der SPD)

Aber wie immer sind andere daran schuld. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Gute Besserung, Herr Kaufmann!)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann.