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30.01.2013

Frank Kaufmann: Fahndungsdruck auf Steuerhinterzieher erhöhen – Aktionsprogramm Steuerehrlichkeit schaffen

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heute geführte Debatte über die Steuerehrlichkeit ist keineswegs die erste zu diesem Thema. Das haben wir schon gehört. Allein im letzten Jahr hatten wir mehrfach, zuletzt im Dezember, eine Diskussion über diese Frage.

Wir müssen uns doch immer wieder damit befassen. Denn eines ist doch offensichtlich. Heute habe wir es gerade eben wieder gehört. CDU und FDP verweigern sich sachgerechten Lösungsansätzen auf dem Weg zu mehr Steuerehrlichkeit, die im Übrigen auch stets Steuergerechtigkeit ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Kollege Caspar hat versucht, das Thema auf Herrenwitzniveau abzuhandeln. Er hat sich dabei bei den Zahlen völlig vergriffen. Herr Kollege Caspar, die Zahlen, die Sie nannten, sind falsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich weiß das vor allem auch deshalb, weil sie ursprünglich aus Antworten der Landesregierung auf einer Reihe Kleiner Anfragen der Frau Kollegin Erfurth und von mir aus dem Jahr 2010 stammen. Sie hätten da doch genauer nachschauen sollen.

Eines bleibt allerdings festzuhalten. Dabei handelt es sich um eine Frage. Ich weiß es nicht. Ich frage Sie: Wer weiß denn, warum es Schwarz-Gelb daran fehlen lässt, die strikte und konsequente Anwendung der Steuergesetze zu betreiben? – Es müsste doch eigentlich auch Ihr Ansatz und der der Landesregierung sein, dass das Anliegen wirklich engagiert vorangetrieben wird.

Ich kann nur sagen: Diesbezügliche Aktivitäten sind nicht in besonderem Maße festzustellen. Verehrter Herr Kollege Caspar, sich auf den Zahlen aus der Vergangenheit auszuruhen, selbst wenn Sie sie richtig zitieren würden, ist keine Politik für die Zukunft, wenn man weiß, dass die Problematik eher größer denn kleiner wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Genau das konnte man den Zahlen auch entnehmen. Herr Kollege Noll, das sage ich jetzt auch in Richtung meines Vorredners. Natürlich ist es so, dass der Betrag, der pro Steuerfahnder eingebracht wurde, in der letzten Zeit nicht gefallen, sondern gestiegen ist. Wenn man da mehr Engagement zeigen würde, würde man am Ende auch mehr zu fassen bekommen. Genau darauf kommt es an. Deswegen würden wir uns wünschen, dass es wesentlich mehr politische Rückendeckung für die Arbeit derjenigen in der Steuerverwaltung geben würde, die da tätig sind und für uns alle in dem harten Alltagsgeschäft die Steuergerechtigkeit und die Steuerehrlichkeit durchzusetzen versuchen. Sie sollten wesentlich bessere Unterstützung haben, als sie von Schwarz-Gelb bisher erhalten haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir haben es gerade gehört: Die aktuelle Koalition ist erschöpft und verbraucht. Sie versucht deshalb mit letzter Kraft, sich bis zum Ende der Legislaturperiode durchzuschleppen.

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU)

Aufgrund ihrer Not wegen ihrer Argumentationslosigkeit sucht sie Schuldige jedweder Art und greift auch in dieser Frage gierig nach Sündenböcken, wie wir gerade vernehmen mussten. Nicht die eigene Politik und die Fülle Ihrer Fehlentscheidungen werden von Ihnen als Grund für das miserable Ansehen erkannt. Vielmehr versuchen Sie, es anderen zuzuschieben und sie dafür verantwortlich zu machen. Das geschieht in etwa nach dem Motto: Wir hatten zwar die Mehrheit, aber wir mussten eure besseren Anträge immer ablehnen.

Nach Ihrem Bekunden haben die beiden Herren Weimar und Schäfer mit der absolut desaströsen Finanzwirtschaft nun einmal gar nichts zu tun – und die Claqueure bei der CDU und der FDP auch nicht. Da ist jemand etwas schuldig. Wir werden das morgen besprechen. Dabei geht es um den räuberischen Länderfinanzausgleich. Im Übrigen sind es natürlich die Mitglieder der SPD und der GRÜNEN, die daran schuld sind, dass Sie die falsche Politik machen, weil wir weiteren Steuergeschenken auf Bundesebene nicht zustimmen, und zwar völlig zu Recht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel und Reinhard Kahl (SPD))

Deswegen nenne ich es schon ziemlich dreist, dass die Koalitionäre jetzt die Opposition für die falsche Regierungspolitik verantwortlich machen. Das geschieht nach dem Motto: Wir hätten es mit unserer Mehrheit gerne richtig gemacht, aber ihr habt uns daran gehindert, weil wir eure Anträge immer ablehnen mussten.

Meine Damen und Herren, vergessen Sie eines nicht: Sie können es noch richtig machen. Zumindest könnten Sie in die richtige Richtung gehen. Herr Kollege Schäfer-Gümbel hat Ihnen das schon angeraten. Ich unterstreiche das. Stimmen Sie doch als Zeichen kluger Politik dem heute vorliegenden Antrag nicht nur zu, sondern entsprechen Sie auch dessen Inhalt und handeln Sie danach. Übernehmen Sie endlich einmal Verantwortung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Es wäre übrigens schön gewesen, wenn die Redner der Koalition zu den angesprochenen Fragestellungen klare statt abwehrende, ausweichende und widersprüchliche Antworten gegeben und, Herr Kollege Caspar, mit den richtigen Zahlen operiert hätten. Weil Sie das nicht getan haben, will ich für uns GRÜNE noch einmal darstellen, worauf es im Kern ankommt.

Steuerhinterziehung darf natürlich kein Kavaliersdelikt sein, zumal unser Steuerrecht vom Grundsatz her nicht konfrontativ, sondern kooperativ gestaltet ist. Das heißt, es wird eine echte und ehrliche Mitwirkung der Steuerpflichtigen erwartet.

Da es immer mehr in Mode zu kommen scheint, sich der Kooperation mit dem Finanzamt trickreich zu entziehen, muss die Kontrolle ebenso effizient wie effektiv gestaltet und intensiviert werden. Deswegen sind Verstöße gegen das Steuerrecht und insbesondere die Steuerhinterziehung verstärkt zu verfolgen und härter zu bestrafen. Auch in Unternehmen muss die Täterschaft besser personifiziert werden können, um die Verantwortlichen insbesondere auch in der Unternehmensspitze für Fehlverhalten gegebenenfalls zu belangen.

Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt: Letztlich muss die gewerbsmäßige Mitwirkung an der Steuerhinterziehung, insbesondere in Kreisen der Finanzwirtschaft, mit härteren Strafen belegt werden. Daneben sind in der Tat auch Sanktionen durch die Änderung des Kreditwesengesetzes bis hin zu dem schon angesprochenen Entzug der Banklizenz vorzusehen. Denn Steuerhinterziehung darf kein neuer wuchernder Geschäftszweig werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich nannte die Punkte, die unserer Ansicht nach wichtig sind. Sie werden in dem Antrag der Fraktion der SPD und dem ursprünglichen der Fraktion der LINKEN durchaus angesprochen. Deswegen stimmen wir dem inhaltlich zu.

Wir haben an einer Stelle ein kleines Problem mit einer missverständlichen Formulierung bezüglich der Zahl der Aufstockung. Man könnte das auch so verstehen, dass Sie jedes Jahr 100 zusätzliche Stellen dort haben wollen. Herr Kollege Noll, wir haben im Ausschuss schon darüber gesprochen. Das wäre sicherlich doch etwas zu viel. Denn im Gegensatz zu der Zahl, die Herr Kollege Caspar nannte, gibt es rund 220 Steuerfahnder in Hessen. Wenn man die jährlich um 100 aufstocken würde, käme es sicherlich zu einer disproportionalen Entwicklung.

Das sind aber Kleinigkeiten, über die wir im Ausschuss noch reden können. Das kann man vielleicht noch klarer formulieren. Im Kern kommt es darauf an, dass man sich auf den Weg macht, tatsächlich das deutlich zu machen, was Sie, Herr Kollege Caspar, selbst gefordert haben, nämlich Steuerhinterzieher zu verunsichern.

(Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Man sollte für die Steuerhinterzieher durch Reden hier vom Pult und durch das Verhalten im Bundesrat nicht das Gegenteil machen. Was Sie tun, ist nichts anderes als Steuerhinterzieher zu beruhigen. Das geschieht nach dem Motto: Wir halten euch weiterhin die Hand, ihr könnt euch bedeckt halten, wir werden euch nicht outen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben das auch getan. Deswegen muss man bei dieser Debatte auch das Steuerabkommen mit der Schweiz ansprechen. Sie haben immer wieder ziemliche Beschimpfungen uns gegenüber formuliert. Das geschah auch heute. Deswegen will ich das aus meiner Sicht noch einmal klarstellen.

Herr Kollege Caspar und Herr Kollege Noll, eine Amnestie ist im Ergebnis ein Verzicht auf Bestrafung für eine begangene Straftat. Hierüber kann man mit uns durchaus reden, wenn man dadurch eine Bereinigung der Zustände für die Zukunft erreichen will. Deshalb würde der Staat dann seinen Strafanspruch hintanstellen. Sie hatten auf die Vergangenheit verwiesen.

Was wir GRÜNE nicht akzeptieren wollen und können, ist allerdings, dass der Straftäter im Ergebnis bessergestellt wird als der Ehrliche.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das muss sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft gelten. Warum ist uns das so wichtig? – Das ist es, weil die Verlockung zu weiteren Straftaten in der Zukunft belebt würde, wenn man sich am Ende finanzielle oder sonstige Vorteile gegenüber einem gesetzestreuen Verhalten verschaffen könnte.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Caspar, das Signal, dass sich Steuerhinterziehung letztlich dann doch lohnt, darf auf keinen Fall gegeben werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Genau das aber ist das vorliegende Verhandlungsergebnis mit der Schweiz. Deshalb ist es richtig, dass es im Bundesrat scheitert. Denn im Ergebnis belohnt es genau Steuerhinterziehung, statt sie zu verfolgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Nehmen wir den Begriff „anonym“. Ich habe vom Mitwirkungsgrundsatz in unserem Steuerrecht gesprochen. Die Anonymität, die Sie zugestehen, zeigt, dass es so nicht mit den Steuerhinterziehern gehen kann. Auch die müssen sich dem Finanzamt individuell offenbaren. Anders kann eine Lösung nicht sein.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Kaufmann, Sie kommen zum Schluss?

Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident, ich komme zum Schluss und stelle fest: Mit ihrem Verhalten in der Steuerpolitik und was die Inhalte der Steuergesetzgebung angeht, hat sich die Regierung nun wahrlich alles andere als solidarisch und zukunftsweisend verhalten. Ich muss das Wort „Mövenpick“ nicht noch einmal erwähnen.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD) – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir alle erinnern uns noch daran. Deshalb brauchen wir für Hessen einen Politikwechsel und insbesondere eine bessere Finanz- und Steuerpolitik durch eine neue Mehrheit, nach der Abwahl dieser erschöpften und verbrauchten schwarz-gelben Zumutung am 22. September.

(Widerspruch bei der CDU)

Wir freuen uns darauf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Herr Kollege Kaufmann.